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Smartphones helfen Sehbehinderten im Alltag

Einkaufen, im Zug Zeitung lesen oder den Weg durch die Innenstadt finden - dabei können Smartphones Blinden und Sehbehinderten helfen. Die benötigte Technik ist auf den Geräten vorhanden - und wie man sie nutzt, können Blinde in speziellen Kursen lernen.

Von Markus Kaiser | 19.03.2015
    Mann im Anzug hat ein Smartphone in der Hand
    Auch Blinde können Touchscreens bedienen, wenn sie die wichtigsten Gesten üben. (picture alliance / dpa)
    "Ich habe einfach gerade mal mein Handy entsperrt. Wenn ich jetzt hier mit dem Finger über den Bildschirm streiche, dann liest er mir quasi das vor, was sich unter meinem Finger befunden hat."
    Christian Schöpplein klickt sich über den Touchscreen durch sein Smartphone. Der Systemadministrator aus München ist seit 23 Jahren blind. Mit dem Smartphone hat sich sein Leben verändert, sagt er. Er kann heute viele Dinge tun, die früher unmöglich waren.
    "Ich kann endlich am Telefon E-Mails lesen, ich kann navigieren, also Navigationssysteme verwenden, ich kann spezielle Apps für Blinde verwenden. Mithilfe dieser Geschichten ist es möglich, den Alltag sehr, sehr zu erleichtern."
    Umstellung für viele Blinde
    Mithilfe der Sprachausgabe kann sich Christian Schöpplein E-Mails oder E-Books vorlesen lassen und unterwegs im Internet surfen. Für viele Blinde ist das Smartphone erst einmal eine große Umstellung, denn der Touchscreen ist nicht jedermanns Sache. Für die Bedienung müssen verschiedene Gesten erlernt werden. Das sei aber nicht schwer, sagt Christian Schöpplein.
    "Ich kann von Element zu Element springen, indem ich einfach mit meinem Finger von rechts oder links wische. Ich kann Tabellen scrollen, indem ich drei Finger schnell von unten nach oben bewegen. Solche Bedienungsgesten, da gibt es ungefähr 20, 30 Stück, das hängt davon welches Gerät man verwendet. Damit kann man das Handy fast wie ein Sehender bedienen. Wenn man die einmal kennt, dann ist man damit eigentlich sogar schneller als mit den Tastentelefonen."
    Blinden, die die Smartphone-Bedienung erlernen wollen, bietet Christian Schöpplein in unregelmäßigen Abständen Kurse an. Interessierte können sich über seine Homepage Schoeppi.net bei ihm melden.
    Informationen zum Standort abfragen
    Ich begleite Christian Schöpplein mit seiner Hündin Lacy in die Münchner Innenstadt. Er aktiviert die App "Blind-Square", die über das Internet Informationen zu unserem Standpunkt abruft. Auf den nächsten 100 Metern beschreibt sie dem Blinden die Umgebung:
    "Referat für Bildung und Sport: 15 Meter leicht links. Bushaltestelle Holzkirchner Bahnhof: 55 Meter leicht links."
    Wie ein Navigationssystem im Auto lotst die App den Blinden an sein Ziel. Wenn Christian Schöpplein wissen möchte, was sich direkt vor ihm befindet, benutzt er "Tap Tap See". Ein Bilderkennungsprogramm, das Fotos beschreibt.
    "Das ist halt auch sehr nützlich, zum Beispiel: Ich habe eine Flasche und wüsste gerne ob es Apfel- oder Orangensaft ist, dann kann ich das Etikett fotografieren und bekomme dann zurück: Das ist Apfelsaft von der Firma XYZ."
    Auch zum Einkaufen gibt es die passenden Apps. Mit einem Barcode Scanner können die Strichcodes auf Verpackungen mit der Kamera abgescannt werden. Dabei bekommt der Blinde Informationen. Zum Beispiel über die Zutaten in den Lebensmitteln. Außerdem gibt es eine Farberkennungs-App:
    "Das ist für viele Leute wichtig, die zum Beispiel kucken wollen, ob Klamotten zusammenpassen."
    Helligkeit als akustisches Signal
    Ähnlich funktioniert auch der Licht-Detektor, ein Programm, das Helligkeit in ein akustisches Signal umwandelt. Wenn blinde Menschen Besuch bekommen, vergisst der schon mal, beim Gehen das Licht auszumachen. Mit dem Licht-Detektor kann der Blinde genau das überprüfen.
    "Also je höher der Ton wird, desto heller ist es, wenn ich meine Hand vor die Kamera halte, dann wird es ganz, ganz dunkel."
    Das Smartphone erleichtert das Leben mit tausenden von Möglichkeiten. Das gilt für Sehende wie für Blinde. Die moderne Technik setzt dabei ein Zeichen beim Thema Inklusion. Denn die Software, die Blinden und Sehbehinderten die Bedienung ermöglicht, ist standardmäßig auf dem Gerät vorhanden.
    "Das heißt, ich kann in den Laden gehen, mir ein Smartphone kaufen und kann das Gerät dann selber als Blinder ohne sehende Hilfe einrichten. Wir kaufen jetzt wirklich ein Standardprodukt wie jeder andere. Früher musste man bestimmte Handymodelle kaufen, die mit einer bestimmten Software ausstatten, damit die gesprochen haben. Das ist alles nicht mehr nötig."