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Hanna Herbst
"Feministin sagt man nicht"

Sie gilt als daueraggressiv, männerhassend, hässlich. Und eine Spaßbremse soll sie außerdem sein: die Feministin. Schon das Wort sorgt immer noch für Ressentiments. Die Journalistin Hanna Herbst will nun falsche Vorstellungen gerade rücken und den Blick auf das Thema schärfen.

Von Ann-Kathrin Büüsker | 21.01.2019
    Cover von Hanna Herbst: "Feministin sagt man nicht". Im Hintergrund: Frauen demonstrieren am 08.03.2014 in Berlin unter dem Motto "Still loving feminism" und halten dabei ein Transparent.
    Cover von Hanna Herbst: "Feministin sagt man nicht"; im Hintergrund: Frauen demonstrieren am 08.03.2014 in Berlin unter dem Motto "Still loving feminism" (Brandstätter Verlag / picture alliance/dpa/Foto: Florian Schuh)
    Feminismus als Grundkonzept, um eine bessere Welt zu schaffen. Eine, die Solidarität über Konkurrenz stellt. Das ist die Grundüberzeugung von Hanna Herbst.
    In ihrem Buch stellt sie Kernpunkte vor, die die feministische Debatte beschäftigen, wobei sie in den insgesamt acht Kapiteln einen klaren Fokus legt: Hass, Körperlichkeit und Pornografie erhalten eigene Kapitel, die ersten beiden Punkte ziehen sich aber wie ein roter Faden durch alle Bereiche des Buches. Weil gerade diese Aspekte im patriarchalen System besonders dazu geeignet sind, Frauen klein zu halten. Elementar für dessen Fortbestand, denn: "Frauen, die ihre Zeit mit Selbsthass verbringen, stellen keine große Gefahr für Machtstrukturen dar."
    Herbst arbeitet mit ihren eigenen Erfahrungswerten, bezogen auf ihre Biografie sowie die der eigenen Familie. Das macht alles, was sie erzählt, nahbar, verständlich. Insbesondere, wenn sie von Gewalterfahrungen und Belästigungen erzählt:
    "Mir wurde von einem ehemaligen Chef gesagt, ich solle meine Brüste mehr zeigen und ein wenig abnehmen, dann würde er mit mir abends mal weggehen. Ich wollte nie mit ihm ausgehen und hatte auch nie eine dem entsprechende Bemerkung gemacht. Ich fand den Mann ekelhaft - und zog trotzdem einen tieferen Ausschnitt an, weil er es gewünscht hatte. Ich habe aus Angst nichts gesagt, weggesehen und mich nicht getraut auszusteigen, als mir zwei Männer in der U-Bahn immer wieder sagten, in Indien würde man mich vergewaltigen, töten und verbrennen. Ich habe nur kleinlaut 'lieber nicht' gesagt, als ein Taxifahrer kurz vor dem Ziel anbot mich gratis zu fahren, würde ich ihm meine Brüste zeigen."
    Solidarität statt Frontenbildung
    Herbst erzählt teils drastische Geschichten, insbesondere im Kapitel über Pornografie. Hier stellt sie stets die Rollenbilder in den Vordergrund, die letztlich zu Verhaltensweisen führten, durch die andere Menschen abgewertet und geschädigt werden. Sie erläutert, warum der Feministinnen oft vorgeworfene Männerhass Beweis der auf Frauen wirkenden Unterdrückungsmechanismen ist und positioniert sich selbst ganz deutlich gegen das Klischee des "Männer gegen Frauen". Auch hier zeigt sich ihre Grundidee: Solidarität statt Frontenbildung.
    "Reduzieren wir Männer und Frauen aber ausschließlich auf ihr Geschlecht und verknüpfen mit dem einen Täterschaft und mit dem anderen Opferrolle, dann leben wir in einem schwarz-weißen, binären System, in dem die eigene Identität dadurch definiert wird, dass man nicht so ist, wie die anderen knapp 50 Prozent. Es geschieht dann etwas verführerisch Einfaches: Wir suchen und finden unsere eigene Definition über einen vermeintlichen Gegner."
    Das klingt alles irgendwie bekannt? Ist es auch. Herbst erzählt den Feminismus nicht neu, stellt keine originären Thesen auf. Stattdessen bezieht sie sich auf Vordenker*innen, sammelt bekanntes Wissen, führt es zusammen und fügt durch ihr Erleben eine eigene Perspektive hinzu. Auch das ist für sie Teil der Solidarität einer gemeinsamen Bewegung für eine bessere, feministisch geprägte Welt:
    "Wir konzentrieren uns in der Geschichtsschreibung zu oft auf die, die die letzten Meter erkämpft haben, es gab die Kämpferinnen und Kämpfer für die Selbstbestimmung der Frau schon Jahrhunderte, bevor ihre Anliegen tatsächlich durchgesetzt wurden - wenn es denn überhaupt bisher passiert ist. Ihr Kampf war vonnöten, weil die, die nach ihnen kamen, darauf aufbauen konnten."
    Geeignet für Einsteiger*innen
    Dieses Buch ist geschrieben, um denjenigen, die von Feminismus noch keinen Schimmer haben, einen leichten Einstieg zu bieten. Dafür spricht nicht nur der Stil, der sich durchweg gut liest, dafür spricht auch die Aufmachung. Das zweispaltige Layout, bei dem viel Wert auf optische Reize und Farbigkeit gelegt wird, erinnert mehr an ein Magazin, denn an ein Fachbuch.
    Ein umfangreiches Literaturverzeichnis macht zwar Quellen transparent, auf Fußnoten wird aber verzichtet. Ärgerlich, wenn man sich die erwähnten Studien im Anhang zusammen suchen muss. Ohnehin ist der Umgang mit Quellen etwas lasch. Herbst verweist mehrfach auf Twitter-Umfragen, die sie zu Themen gemacht habe. Zwar mögen dank ihrer Reichweite dabei mehrere tausend Menschen mitgemacht haben, die tatsächliche Aussagekraft darf man aber in Zweifel ziehen.
    Inhaltlich fehlt es dem Buch an Verdichtung. Ihre Erzählungen mäandern immer wieder vor sich hin, beispielsweise im Kapitel über das Patriarchat kommt sie von Hölzken auf Stöcksken, es fehlt an daraus abgeleiteten Erkenntnissen. Auffällig ist auch, dass sie den Aspekt der Sprache komplett außen vor lässt. Ein Thema, das elementar ist, wenn man sich mit der Frage von Geschlecht als sozialem Konstrukt auseinander setzt. Doch so weit dringt Herbst eben nicht in die Tiefe.
    Und sie setzt es auch nicht um - etwa durch die Verwendung von Gendersternchen, Binnen-I, etc. - was etwas verwundert, da sie sich doch gegen binäre Ordnungen ausspricht. "Feministin sagt man nicht" ist ein Buch für Feminismus-Einsteiger*innen, die zum Beispiel durch soziale Medien oder Popkultur auf das Thema aufmerksam geworden sind und sich ran tasten wollen. Für sie bietet Herbst eine gute Einführung ins Thema. Aber Vorsicht: Keine sachte. Herbst nennt die Probleme beim Namen und nimmt dabei kein Blatt vor den Mund. Zwischenzeitliche Verstörung durchaus möglich. Und gewollt. Ihr Fazit am Ende - wenig überraschend: Feministin sagt man doch. Vorausgesetzt man will eine gerechtere Gesellschaft.
    Hanna Herbst: "Feministin sagt man nicht",
    Brandstätter Verlag, 136 Seiten, 20,00 Euro.