Lange: Am Telefon ist nun Hans Eichel, der Bundesfinanzminister. Guten Morgen.
Eichel: Guten Morgen.
Lange: Herr Eichel, ein Börsenhändler aus Frankfurt wurde in den vergangenen Tagen mit den Worten zitiert: "Wenn Rot-Grün das durchkriegt, ist das die beste CDU-Regierung, die wir je hatten". Bedeutet der viel beschworene Paradigmenwechsel, daß sich die Koalition jetzt - mit gewissen Abweichungen - die Wirtschafts- und Sozialpolitik der Union zu eigen macht?
Eichel: Nein. Es wird ja immer übersehen - und erstaunlich ist schon, wie kurz selbst das Kurzzeitgedächtnis geworden ist -, daß zur Politik dieser Wahlperiode als Auftakt eine große Einkommensteuerreform gehörte, die in dieser Wahlperiode den Eingangssteuersatz absenkt um sechs Punkte von 25,9 auf 19,9. Das sind 36 Milliarden Mark Entlastung nachhaltig für die Bezieher mittlerer und kleiner Einkommen, und gleichzeitig Kindergelderhöhung; im übrigen in diesem Konzept auch eine Wohngeldnovelle, die die Wohngeldbezieher im Westen künftig besser stellt, angleicht an das höhere Ostniveau, und eine Reihe anderer Maßnahmen, die zeigen, daß wir mit dieser Politik sehr wohl soziale Ausgewogenheit haben, aber daß wir in der Lage sind, diese Republik zu reformieren, und was das Schlimmste ist: Die enorme Staatsverschuldung, die uns handlungsunfähig macht, aus der - ich sage allerdings auch - in letzter Minute noch einen Ausweg zu finden.
Lange: Aber dennoch die Frage: Verabschiedet sich die SPD jetzt nicht von dem Kurs, den Ihr Vorgänger Lafontaine eingeschlagen hat, als da war: Ankurbelung der Konjunktur, indem die Massenkaufkraft - und damit die Binnennachfrage - gestärkt wird?
Eichel: Das eben gerade nicht. Ich habe gesagt, die Einkommensteuerreform ist Bestandteil unserer Politik. Das ist das eine große Standbein - in der Tat - die Stärkung der Einkommen der Normalverdiener und der Bezieher kleinerer Einkommen. Und auf der anderen Seite eine Begünstigung - nicht des Unternehmer-gewinns, sondern des im Unternehmen verbleibenden Gewinns, mit dem im Unternehmen neue Investitionen finanziert werden, mit dem Forschungsabteilungen finanziert werden. Das ist der Weg, wie Sie auf der anderen Seite Investitionen begünstigen und damit auch von der Seite her Chancen für neue Arbeitsplätze schaffen.
Lange: Aber viele, die bisher vom staatlichen Geld lebten, werden demnächst etwas weniger haben, das ist doch nicht von der Hand zu weisen. Die Gewerkschaften üben fast unisono Kritik, die Wirtschaftsverbände spenden Ihnen Beifall als Sozialdemokrat. Hat man da nicht etwas verkehrt gemacht?
Eichel: Nein, das glaube ich nicht. Wir werden auch mit unseren Freunden in den Gewerkschaften in Ruhe darüber reden, denn wir tun das, was in allen sozialdemo-kratisch regierten Ländern Europas längst geschieht, nämlich daß wir auf der einen Seite - das ist wahr - die Transfereinkommen, die leistungslosen Transfereinkommen für die Menschen im erwerbstätigen Alter deckeln, auf der anderen Seite mehr Geld als jede Regierung vorher - die Vorgängerregierung hat das ja gar nicht ernst genommen - in die Hand nehmen für aktive Arbeitsmarktpolitik. Das heißt, Arbeitslose während der Arbeitslosigkeit zu qualifizieren, damit sie dann anschließend den Ansprüchen, die aus der Arbeitswelt - die sich ja rasch wandelt -an sie gestellt werden, auch entsprechen können, also Chancen für neue Arbeit haben. Ich denke, das ist so etwas, was Walter Riester hier konzipiert, wie der Umbau vom fürsorgenden zum aktivierenden Sozialstaat, also mehr Chancen für Arbeit. Da orientieren wir uns auch an dem, was zum Beispiel in den Niederlanden, in Dänemark und in Schweden gemacht wird, und ich finde, das ist ein sehr vernünftiger Weg. Es wird auch übersehen, daß in Walter Riesters Rentenkonzept eine ganz große sozialpolitische Leistung steckt, nämlich die soziale Grundsicherung. Nicht wie heute, daß Menschen noch wegen geringer Renten im Alter zusätzlich zum Sozialamt müssen. Das wird es dann mit dem neuen Rentenkonzept nicht mehr geben. Das ist eine große sozialpolitische Leistung.
Lange: Bleiben wir bitte noch einen Moment beim Haushalt. Horst Siebert vom Institut für Weltwirtschaft hat vorgerechnet, daß die 30 Milliarden, die Sie jetzt kürzen wollen, fast genau den 6,3 Prozent entsprechen, um die Ihr Vorgänger den Haushalt 99 aufgestockt hat. Wäre es Ihnen besser gedient gewesen, wenn diese Aufstockung nicht geschehen wäre?
Eichel: Nein, das ist deswegen schon falsch, weil in dieser Aufstockung im wesentlichen drinsteckt das, was Herr Waigel in seinem Haushaltsentwurf vergessen hat - bewußt, sage ich - zu veranschlagen, weil er nämlich sonst gar keinen verfassungsgemäßen Haushalt mehr hingelegt hätte. Da sind zum Beispiel drin die Hilfen für Bremen und das Saarland, die der Bund überhaupt nicht im Haushalt veranschlagt hatte. Da war die Vorsorge für die Rußland-Kredite drin, für die der Bund nichts veranschlagt hatte. Da war der Kohle-Kompromiß in Geld gar nicht richtig umgesetzt, da waren die Einnahmen systematisch überschätzt. Und daraus kommt der Sprung, und nicht aus dem, was Herr Siebert meint, daß das zusätzliche Ausgaben wären. Das ist es nur zum geringsten Teil.
Lange: Aber nun sind Sie in der Situation, daß die SPD nun in vielen kleinen einzelnen Punkten genau die Kritik entgegengehalten bekommt, die Sie selbst an einer früheren Regierung geübt hat. Muß das nicht eine Partei wie die SPD geradezu irre machen?
Eichel: Nein, ich glaube nicht, daß das berechtigt ist. Und deswegen sage ich ja: Der Kampf um die Durchsetzung dieses Paketes beginnt ja erst jetzt, denn in einer Demokratie ist es Aufgabe der Regierung, ein Konzept auf den Tisch zu legen, wie man aus der Misere herausfinden will. Und was ich sagen will: Wir haben doch den Schuldenberg nicht aufgebaut, daß jede vierte Steuermark fast schon sofort für Zinsen wieder rausgeht, daß die Bürger Steuern zahlen für Zinsen, statt dafür Leistungen vom Staat zu bekommen. Das ist doch eine aberwitzige Situation. Das ist der Erfolg von 16 Jahren Regierung Kohl. Und da entschuldige ich mich nicht dafür, daß ich jetzt die Drecksarbeit zu machen habe, damit wir aus dieser Lage rauskommen, denn es gibt überhaupt nichts Unsozialeres, als einen Staat zu überschulden. Dann ist er anschließend für niemanden und nichts mehr leistungsfähig. Und richtig ist: Wir brauchen den Staat insbesondere für den sozialen Ausgleich in der Gesellschaft. Genau für das, ihn dafür wieder fähig zu machen, dafür müssen wir diese Arbeit tun.
Lange: Herr Eichel, wir leben in einem Verbändestaat. Sie werden nun um dieses Konzept ringen müssen innerhalb der SPD, mit der Union im Bundestag und im Bundesrat, mit den Gewerkschaften und mit diesen Verbänden, die ihre Interessen berührt sehen. Also an Gegnern mangelt es Ihnen nicht. Woher haben Sie denn die Zuversicht, daß dieses Sparpaket durchkommt?
Eichel: Weil ich glaube, daß alle am Schluß rechnen können und sehen, daß dieser Weg falsch war, der bisher gegangen wurde. Das ist ja sehr bequem, jedes Jahr mehr Geld auszugeben, als man einnimmt. Da weiß doch jeder, daß das nicht gutgehen kann. Und wir hängen jetzt endlich der Katze die Schelle um. Ich sage ausdrücklich: Es ist aber auch wirklich unmittelbar vor 12, sonst ist dieser Staat nicht mehr handlungsfähig. Und ich glaube, daß die Einsicht daran, daß das das allerschlimmste Ergebnis der Politik sein kann, alle nachher doch zu der Einsicht bringt: Es ist besser, wir gehen diesen Weg. Das mag für einen Teil - das bestreite ich überhaupt nicht - bittere Medizin sein, aber es ist Medizin, während das andere Gift ist.
Lange: Aber Sie richten sich schon drauf ein, daß Sie Abstriche machen müssen?
Eichel: Nein, darauf richte ich mich nicht ein. Jeder, der jetzt aus diesem Paket - was ich im einzelnen gut verstehen kann - etwas herausnehmen will, der muß auch sagen, wie er es dann anders finanzieren will, was er stattdessen hineintun will. Die billige Tour, daß jeder nur sagt, was nicht geht, aber keiner sich dafür verantwortlich fühlt zu sagen, wie es geht, die ist vorbei.
Lange: Aber Ihrem Kollegen Scharping wurde einst versprochen, daß sein Etat nicht gekürzt wird. Unter dieser Voraussetzung hat er diesen Job überhaupt angetreten.
Eichel: Also, damals ist offenkundig niemandem klar gewesen, wie die Finanzlage ist. Und der Kollege Scharping hat seinen solidarischen Beitrag gebracht. Er hat im Kabinett dem Haushalt genau so zugestimmt, wie alle anderen.
Lange: In diesem Jahr stehen noch Landtagswahlen an, Herr Eichel: Brandenburg, Saarland, Thüringen, Sachsen und Berlin. Und da warnt zum Beispiel der saarländische Ministerpräsident Reinhard Klimt davor, gerade die SPD-Stammwähler zu überfordern. Kann man darüber so einfach hinweggehen?
Eichel: Nein, selbstverständlich nicht. Aber da muß man eben sich hinstellen und muß mit den Menschen reden und muß Aufklärungsarbeit leisten. Ich wiederhole: Das Unsozialste, was es überhaupt gibt - und das ist als "süßes Gift" die ganze Zeit gemacht worden - ist, den Staat zu überschulden. Dann kann er überhaupt keine Leistungen mehr bringen. Und ich will einen aktiven, einen leistungsfähigen Staat, der den Schwachen helfen kann. Ein überschuldeter Staat kann das nicht.
Lange: Hans Eichel war das, der Bundesfinanzminister. Danke Ihnen für das Gespräch.
Eichel: Bitteschön.
Eichel: Guten Morgen.
Lange: Herr Eichel, ein Börsenhändler aus Frankfurt wurde in den vergangenen Tagen mit den Worten zitiert: "Wenn Rot-Grün das durchkriegt, ist das die beste CDU-Regierung, die wir je hatten". Bedeutet der viel beschworene Paradigmenwechsel, daß sich die Koalition jetzt - mit gewissen Abweichungen - die Wirtschafts- und Sozialpolitik der Union zu eigen macht?
Eichel: Nein. Es wird ja immer übersehen - und erstaunlich ist schon, wie kurz selbst das Kurzzeitgedächtnis geworden ist -, daß zur Politik dieser Wahlperiode als Auftakt eine große Einkommensteuerreform gehörte, die in dieser Wahlperiode den Eingangssteuersatz absenkt um sechs Punkte von 25,9 auf 19,9. Das sind 36 Milliarden Mark Entlastung nachhaltig für die Bezieher mittlerer und kleiner Einkommen, und gleichzeitig Kindergelderhöhung; im übrigen in diesem Konzept auch eine Wohngeldnovelle, die die Wohngeldbezieher im Westen künftig besser stellt, angleicht an das höhere Ostniveau, und eine Reihe anderer Maßnahmen, die zeigen, daß wir mit dieser Politik sehr wohl soziale Ausgewogenheit haben, aber daß wir in der Lage sind, diese Republik zu reformieren, und was das Schlimmste ist: Die enorme Staatsverschuldung, die uns handlungsunfähig macht, aus der - ich sage allerdings auch - in letzter Minute noch einen Ausweg zu finden.
Lange: Aber dennoch die Frage: Verabschiedet sich die SPD jetzt nicht von dem Kurs, den Ihr Vorgänger Lafontaine eingeschlagen hat, als da war: Ankurbelung der Konjunktur, indem die Massenkaufkraft - und damit die Binnennachfrage - gestärkt wird?
Eichel: Das eben gerade nicht. Ich habe gesagt, die Einkommensteuerreform ist Bestandteil unserer Politik. Das ist das eine große Standbein - in der Tat - die Stärkung der Einkommen der Normalverdiener und der Bezieher kleinerer Einkommen. Und auf der anderen Seite eine Begünstigung - nicht des Unternehmer-gewinns, sondern des im Unternehmen verbleibenden Gewinns, mit dem im Unternehmen neue Investitionen finanziert werden, mit dem Forschungsabteilungen finanziert werden. Das ist der Weg, wie Sie auf der anderen Seite Investitionen begünstigen und damit auch von der Seite her Chancen für neue Arbeitsplätze schaffen.
Lange: Aber viele, die bisher vom staatlichen Geld lebten, werden demnächst etwas weniger haben, das ist doch nicht von der Hand zu weisen. Die Gewerkschaften üben fast unisono Kritik, die Wirtschaftsverbände spenden Ihnen Beifall als Sozialdemokrat. Hat man da nicht etwas verkehrt gemacht?
Eichel: Nein, das glaube ich nicht. Wir werden auch mit unseren Freunden in den Gewerkschaften in Ruhe darüber reden, denn wir tun das, was in allen sozialdemo-kratisch regierten Ländern Europas längst geschieht, nämlich daß wir auf der einen Seite - das ist wahr - die Transfereinkommen, die leistungslosen Transfereinkommen für die Menschen im erwerbstätigen Alter deckeln, auf der anderen Seite mehr Geld als jede Regierung vorher - die Vorgängerregierung hat das ja gar nicht ernst genommen - in die Hand nehmen für aktive Arbeitsmarktpolitik. Das heißt, Arbeitslose während der Arbeitslosigkeit zu qualifizieren, damit sie dann anschließend den Ansprüchen, die aus der Arbeitswelt - die sich ja rasch wandelt -an sie gestellt werden, auch entsprechen können, also Chancen für neue Arbeit haben. Ich denke, das ist so etwas, was Walter Riester hier konzipiert, wie der Umbau vom fürsorgenden zum aktivierenden Sozialstaat, also mehr Chancen für Arbeit. Da orientieren wir uns auch an dem, was zum Beispiel in den Niederlanden, in Dänemark und in Schweden gemacht wird, und ich finde, das ist ein sehr vernünftiger Weg. Es wird auch übersehen, daß in Walter Riesters Rentenkonzept eine ganz große sozialpolitische Leistung steckt, nämlich die soziale Grundsicherung. Nicht wie heute, daß Menschen noch wegen geringer Renten im Alter zusätzlich zum Sozialamt müssen. Das wird es dann mit dem neuen Rentenkonzept nicht mehr geben. Das ist eine große sozialpolitische Leistung.
Lange: Bleiben wir bitte noch einen Moment beim Haushalt. Horst Siebert vom Institut für Weltwirtschaft hat vorgerechnet, daß die 30 Milliarden, die Sie jetzt kürzen wollen, fast genau den 6,3 Prozent entsprechen, um die Ihr Vorgänger den Haushalt 99 aufgestockt hat. Wäre es Ihnen besser gedient gewesen, wenn diese Aufstockung nicht geschehen wäre?
Eichel: Nein, das ist deswegen schon falsch, weil in dieser Aufstockung im wesentlichen drinsteckt das, was Herr Waigel in seinem Haushaltsentwurf vergessen hat - bewußt, sage ich - zu veranschlagen, weil er nämlich sonst gar keinen verfassungsgemäßen Haushalt mehr hingelegt hätte. Da sind zum Beispiel drin die Hilfen für Bremen und das Saarland, die der Bund überhaupt nicht im Haushalt veranschlagt hatte. Da war die Vorsorge für die Rußland-Kredite drin, für die der Bund nichts veranschlagt hatte. Da war der Kohle-Kompromiß in Geld gar nicht richtig umgesetzt, da waren die Einnahmen systematisch überschätzt. Und daraus kommt der Sprung, und nicht aus dem, was Herr Siebert meint, daß das zusätzliche Ausgaben wären. Das ist es nur zum geringsten Teil.
Lange: Aber nun sind Sie in der Situation, daß die SPD nun in vielen kleinen einzelnen Punkten genau die Kritik entgegengehalten bekommt, die Sie selbst an einer früheren Regierung geübt hat. Muß das nicht eine Partei wie die SPD geradezu irre machen?
Eichel: Nein, ich glaube nicht, daß das berechtigt ist. Und deswegen sage ich ja: Der Kampf um die Durchsetzung dieses Paketes beginnt ja erst jetzt, denn in einer Demokratie ist es Aufgabe der Regierung, ein Konzept auf den Tisch zu legen, wie man aus der Misere herausfinden will. Und was ich sagen will: Wir haben doch den Schuldenberg nicht aufgebaut, daß jede vierte Steuermark fast schon sofort für Zinsen wieder rausgeht, daß die Bürger Steuern zahlen für Zinsen, statt dafür Leistungen vom Staat zu bekommen. Das ist doch eine aberwitzige Situation. Das ist der Erfolg von 16 Jahren Regierung Kohl. Und da entschuldige ich mich nicht dafür, daß ich jetzt die Drecksarbeit zu machen habe, damit wir aus dieser Lage rauskommen, denn es gibt überhaupt nichts Unsozialeres, als einen Staat zu überschulden. Dann ist er anschließend für niemanden und nichts mehr leistungsfähig. Und richtig ist: Wir brauchen den Staat insbesondere für den sozialen Ausgleich in der Gesellschaft. Genau für das, ihn dafür wieder fähig zu machen, dafür müssen wir diese Arbeit tun.
Lange: Herr Eichel, wir leben in einem Verbändestaat. Sie werden nun um dieses Konzept ringen müssen innerhalb der SPD, mit der Union im Bundestag und im Bundesrat, mit den Gewerkschaften und mit diesen Verbänden, die ihre Interessen berührt sehen. Also an Gegnern mangelt es Ihnen nicht. Woher haben Sie denn die Zuversicht, daß dieses Sparpaket durchkommt?
Eichel: Weil ich glaube, daß alle am Schluß rechnen können und sehen, daß dieser Weg falsch war, der bisher gegangen wurde. Das ist ja sehr bequem, jedes Jahr mehr Geld auszugeben, als man einnimmt. Da weiß doch jeder, daß das nicht gutgehen kann. Und wir hängen jetzt endlich der Katze die Schelle um. Ich sage ausdrücklich: Es ist aber auch wirklich unmittelbar vor 12, sonst ist dieser Staat nicht mehr handlungsfähig. Und ich glaube, daß die Einsicht daran, daß das das allerschlimmste Ergebnis der Politik sein kann, alle nachher doch zu der Einsicht bringt: Es ist besser, wir gehen diesen Weg. Das mag für einen Teil - das bestreite ich überhaupt nicht - bittere Medizin sein, aber es ist Medizin, während das andere Gift ist.
Lange: Aber Sie richten sich schon drauf ein, daß Sie Abstriche machen müssen?
Eichel: Nein, darauf richte ich mich nicht ein. Jeder, der jetzt aus diesem Paket - was ich im einzelnen gut verstehen kann - etwas herausnehmen will, der muß auch sagen, wie er es dann anders finanzieren will, was er stattdessen hineintun will. Die billige Tour, daß jeder nur sagt, was nicht geht, aber keiner sich dafür verantwortlich fühlt zu sagen, wie es geht, die ist vorbei.
Lange: Aber Ihrem Kollegen Scharping wurde einst versprochen, daß sein Etat nicht gekürzt wird. Unter dieser Voraussetzung hat er diesen Job überhaupt angetreten.
Eichel: Also, damals ist offenkundig niemandem klar gewesen, wie die Finanzlage ist. Und der Kollege Scharping hat seinen solidarischen Beitrag gebracht. Er hat im Kabinett dem Haushalt genau so zugestimmt, wie alle anderen.
Lange: In diesem Jahr stehen noch Landtagswahlen an, Herr Eichel: Brandenburg, Saarland, Thüringen, Sachsen und Berlin. Und da warnt zum Beispiel der saarländische Ministerpräsident Reinhard Klimt davor, gerade die SPD-Stammwähler zu überfordern. Kann man darüber so einfach hinweggehen?
Eichel: Nein, selbstverständlich nicht. Aber da muß man eben sich hinstellen und muß mit den Menschen reden und muß Aufklärungsarbeit leisten. Ich wiederhole: Das Unsozialste, was es überhaupt gibt - und das ist als "süßes Gift" die ganze Zeit gemacht worden - ist, den Staat zu überschulden. Dann kann er überhaupt keine Leistungen mehr bringen. Und ich will einen aktiven, einen leistungsfähigen Staat, der den Schwachen helfen kann. Ein überschuldeter Staat kann das nicht.
Lange: Hans Eichel war das, der Bundesfinanzminister. Danke Ihnen für das Gespräch.
Eichel: Bitteschön.