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Happy Börsday

Während der DAX international hoch angesehen ist, fremdeln die deutschen Anleger auch nach 25 Jahren noch mit ihrem heimischen Börsenindex. Ausgerechnet die Volksaktien haben dazu beigetragen, dass die Deutschen Aktienmuffel sind.

Von Michael Braun | 01.07.2013
    Die DAX-Tafel war heute verhängt. Ein superman-ähnliches Geschöpf schien aus dem Plakat hervorzuplatzen, eine gezackte Kurskurve in der Hand, und in der Sprechblase die Information, heute ticke er aus dem Herzen von Frankfurt und treffe die Anleger persönlich. Draußen marschierte ein junger Mann mit Motorradstiefeln herum, einen Brustpanzer umgeschnallt, junge Leute sollten Passanten ansprechen, auf 25 Jahre DAX aufmerksam machen. Und die Börse ließ zu allem wissen, in 25 Jahren von 1000 auf 8000 Punkte, das sei doch was. "Humbug", dachten sich die Händler drinnen. Fidel Helmer von Hauck und Aufhäuser:

    "Mit dieser Geschichte Superman: Ich finde es eher ein wenig unseriös."

    Schon einmal, 1996, war der Frankfurter Börsenplatz für aggressive Aktienwerbung beschallt und genutzt worden, damals, als die Deutsche Telekom an die Börse ging. Grob drei Jahre später, im März 2000, hatte der DAX schon einmal bei rund 8000 Punkten gestanden. So wie jetzt. Kein Wunder, dass viele Deutsche nicht den Sprung binnen 25 Jahren von 1000 auf 8000 Punkte sehen. Sondern den Umstand, dass der DAX heute wie vor 13 Jahren bei rund 8000 Punkten steht, sich also scheinbar nichts bewegt hat. Dass damals eine Kursblase vor allem von Telekom- und Technologiefirmen die 8000 Punkte erzeugt hatte, heute dagegen die 8000 Punkte auf sehr viel mehr Aktien basieren, die zudem im historischen Vergleich nicht als überbewertet gelten können, das dürfte im Superman-Gehabe heute kaum durchgedrungen sein. Klaus Nieding, Vizepräsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, versteht, dass Aktienkultur in Deutschland immer noch ein Fremdwort ist:

    ""Da muss man nach wie vor ein großes Fragezeichen dran machen. Wir haben es trotz diverser sogenannter Volksaktien oder ich möchte sogar sagen: Wir haben es wegen sogenannter Volksaktien nicht geschafft, eine entsprechende Aktienkultur beim Privatanleger zu implementieren. Denn er hat sich regelmäßig die Finger verbrannt. Er hat sich an der Telekomaktie die Finger verbrannt, er hat sich an Infineon die Finger verbrannt. Und er hat sich an vielen anderen auch nicht die Finger verbrannt. Ich erinnere nur an das Desaster des Neuen Marktes. Das hinterlässt keine Aktienkultur."

    Insofern scheint der Deutsche Aktienindex nicht eine Erfolgsgeschichte zu verkörpern. Denn es gibt nur einen harten Kern von Menschen in Deutschland, die sich an die Aktie als Anlageinstrument trauen:

    " ""Daneben gibt es aber einen Anteil von – ich sag jetzt einmal - 90 Prozent der Bevölkerung, die der Aktie kritisch bis neutral gegenüberstehen, die nicht in Produktivkapital investieren, sodass, wenn man nach der gesamten Aktienkultur in Deutschland fragt, über die gesamte Gesellschaft hinweg, es da leider nicht zum Besten bestellt ist","

    sagt Franz-Josef Leven vom Deutschen Aktieninstitut.

    Der DAX steht beileibe nicht für alle Unternehmen in Deutschland. 99,9 Prozent aller hiesigen Unternehmen gehören zum Mittelstand, nicht zum DAX. Auch die meisten der etwa 1600 Großunternehmen sind nicht im DAX. Sie sind nicht einmal börsennotiert: Bertelsmann etwa, die Bahn oder Bosch. Der DAX zeigt nur die 30 größten börsennotierten Unternehmen. Die ragen mit ihren Aufträgen und Dienstleistungen allerdings weit in den Mittelstand hinein. Und wer daran glaubt, dass das Risiko einer Kapitalbeteiligung in der Marktwirtschaft langfristig honoriert werden muss, der kommt an der Aktie nicht vorbei. Auch nicht am DAX.