Hans-Joachim Wiese: Nicht schuldig in allen Anklagepunkten, darauf plädierte heute in allen Anklagepunkten vor dem UNO-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag Ramush Haradinaj. Dem zurückgetretenen Regierungschef des Kosovo wird vorgeworfen, dass unter seinem Kommando Kämpfer der Kosovobefreiungsarmee ab März 1998 serbische Einwohner des Kosovo systematisch vertrieben und dabei Menschen ermordet und vergewaltigt wurden. Am Telefon begrüße ich jetzt Donika Gervalla, die frühere Sprecherin der Demokratischen Liga im Kosova im Ausland. Guten Tag.
Donika Gervalla: Guten Tag, Herr Wiese.
Wiese: Frau Gervalla, ist Haradinaj Ihrer Meinung nach wirklich schuldig? Was für eine Rolle spielte er während des Kosovokriegs?
Gervalla: Die Frage, ob Haradinaj schuldig oder nicht schuldig ist, das kann das Gericht beurteilen. Die Frage kann ich wirklich nicht beurteilen. Woran mir aber liegt ist, dass Haradinaj kein Held der Albaner im Kosova ist. Da unterliegt selbst der Deutschlandfunk den falschen Klischees, denn er wird von den meisten Menschen in meinem Land als Bedrohung empfunden.
Wiese: Warum?
Gervalla: Ich kennen die Situation in der Region sehr genau, ich komme ja genau aus der Region, also aus der Nachbarschaft von Herrn Haradinaj. Viele Menschen haben mir ihre Meinung und Erfahrung zu ihm und seinen Leuten mitgeteilt.
Wiese: Warum wird er als Bedrohung empfunden?
Gervalla: Ich kann nicht ausschließen, dass neben den Haagervorwürfen, Schutzgelderpressung, Schmuggel und ganz stark Einschüchterung von Zeugen eine konstante Struktur des Verhaltens von Herrn Haradinaj und dieser Leute sind.
Wiese: Er wurde ja aber und wird doch vom Westen unterstützt oder ist das auch falsch, auch ein Klischee?
Gervalla: Das ist nicht falsch. Ich halte es für unverantwortlich seitens der EU, der deutschen Regierung und auch der internationalen Gemeinschaft, dieser Art von Politikern auch noch zu hohem Ansehen zu verhelfen. Ich gebe Ihnen nur ein Beispiel. Der UNMIK-Chef, also der Chef der internationalen Verwaltung im Kosova, der Herr Petersen hat sich völlig disqualifiziert, diesen Menschen, der jetzt auch ein mutmaßlicher Kriegsverbrecher ist, als Freund zu bezeichnen. Was würde jemand in Deutschland sagen, wenn dasselbe in Deutschland vor einigen Jahrzehnten passiert wäre? Wenn man einen mutmaßlichen Kriegsverbrecher seitens der internationalen Seite als Freund qualifizieren würde? Ich finde, diese Art von Kompromittierung schadet auch den demokratischen Kräften. Denn wem soll ein Opfer von Gewalt vertrauen, wenn sogar der oberste Chef des Landes, der UNMIK-Chef einen mit Druck und Gewalt operierenden Mann als Freund bezeichnet?
Wiese: Frau Gervalla, wieso ist den Haradinaj eigentlich später Ministerpräsident des Kosovo geworden? Er ist da ja auch Koalitionspartner Ihrer Partei. Welche Rolle spielt er da?
Gervalla: Den Haradinaj haben nicht einmal neun Prozent der Kosovaren gewählt, denn viele bezeichnen ihn als gewöhnlichen und primitiven Kriminellen, der mit Druck und Gewalt und sehr undemokratisch gegen die Einstellung der Mehrheit seiner Landsleute arbeitet. Aber Haradinaj ist durch einen schlichten Machtpoker in die Position gekommen. Der Präsident Kosovas, Ibrahim Rugova, der ehemalige Präsident auch meiner Partei, hat ihn ins Boot geholt, um als Präsident wiedergewählt zu werden. Ich finde das sehr unappetitlich und unverantwortlich, aber es macht Haradinaj nicht zum Helden. Kosova ist klein, wissen Sie und die Leute kennen sich relativ gut untereinander.
Wiese: Immerhin hat er sich ja freiwillig dem Tribunal in Den Haag gestellt. Spricht das in irgendeiner Weise nicht auch für ihn?
Gervalla: Ja, aber Kosova ist ein von der internationalen Gemeinschaft mit starker NATO-Präsenz regiertes Land und es ist sehr gut, es wird Kosova helfen, dass er sich selbst gestellt hat. Aber sehr viele Alternativen gab es da auch nicht.
Wiese: Sie sagen, Kosovo ist ein von internationaler Hand regiertes Land, derzeit unter NATO-Regie stehend. Jetzt ohne den Ministerpräsidenten Haradinaj, welche Prognosen würden Sie Ihrem Land ausstellen?
Gervalla: Also, Kosovo braucht Demokratie und Kosovo braucht Demokratie wie die Luft zum Atmen. Es muss raus aus Serbien, raus vor allem aus dem Druck und der Angst, dass es einen Weg zurück unter die Herrschaft Belgrads geben könnte. Dazu braucht es demokratische Persönlichkeiten, es gibt eine sehr beeindruckende Persönlichkeit, das ist der Parlamentspräsident Kosovos, der Herr Daci. Jedenfalls sind Nationalisten und erwiesenermaßen gewaltbereite Figuren wie Haradinaj und Thaci keine Zukunft sondern ein Schritt in die Vergangenheit. Ich meine, wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, wenn die Angst raus ist, dass man nach Belgrad wieder zurück müsste, also unter Serbiens Herrschaft, dann werden im Kosovo die Prozesse anders laufen als bisher. Die EU muss begreifen, dass sie sich heute keine strategischen Fehler erlauben können, denn sonst hätten sie die Probleme und Krisen von morgen vorbereitet.
Wiese: Was wäre dann die Alternative, Frau Gervalla? Ein unabhängiger Kosovo?
Gervalla: Ja, am Ende ein unabhängiges Kosova. Die Aussicht der Unabhängigkeit unter der Bedingung, dass man bestimmte Voraussetzungen dafür erfüllen muss, dass die Politiker, die Kosova regieren, die Unabhängigkeit kommt, aber sie wird nur unter bestimmten Voraussetzungen von der internationalen Gemeinschaft anerkannt.
Wiese: Das war die Ex- Sprecherin der Demokratischen Liga Kosova im Ausland, Donika Gervalla.
Donika Gervalla: Guten Tag, Herr Wiese.
Wiese: Frau Gervalla, ist Haradinaj Ihrer Meinung nach wirklich schuldig? Was für eine Rolle spielte er während des Kosovokriegs?
Gervalla: Die Frage, ob Haradinaj schuldig oder nicht schuldig ist, das kann das Gericht beurteilen. Die Frage kann ich wirklich nicht beurteilen. Woran mir aber liegt ist, dass Haradinaj kein Held der Albaner im Kosova ist. Da unterliegt selbst der Deutschlandfunk den falschen Klischees, denn er wird von den meisten Menschen in meinem Land als Bedrohung empfunden.
Wiese: Warum?
Gervalla: Ich kennen die Situation in der Region sehr genau, ich komme ja genau aus der Region, also aus der Nachbarschaft von Herrn Haradinaj. Viele Menschen haben mir ihre Meinung und Erfahrung zu ihm und seinen Leuten mitgeteilt.
Wiese: Warum wird er als Bedrohung empfunden?
Gervalla: Ich kann nicht ausschließen, dass neben den Haagervorwürfen, Schutzgelderpressung, Schmuggel und ganz stark Einschüchterung von Zeugen eine konstante Struktur des Verhaltens von Herrn Haradinaj und dieser Leute sind.
Wiese: Er wurde ja aber und wird doch vom Westen unterstützt oder ist das auch falsch, auch ein Klischee?
Gervalla: Das ist nicht falsch. Ich halte es für unverantwortlich seitens der EU, der deutschen Regierung und auch der internationalen Gemeinschaft, dieser Art von Politikern auch noch zu hohem Ansehen zu verhelfen. Ich gebe Ihnen nur ein Beispiel. Der UNMIK-Chef, also der Chef der internationalen Verwaltung im Kosova, der Herr Petersen hat sich völlig disqualifiziert, diesen Menschen, der jetzt auch ein mutmaßlicher Kriegsverbrecher ist, als Freund zu bezeichnen. Was würde jemand in Deutschland sagen, wenn dasselbe in Deutschland vor einigen Jahrzehnten passiert wäre? Wenn man einen mutmaßlichen Kriegsverbrecher seitens der internationalen Seite als Freund qualifizieren würde? Ich finde, diese Art von Kompromittierung schadet auch den demokratischen Kräften. Denn wem soll ein Opfer von Gewalt vertrauen, wenn sogar der oberste Chef des Landes, der UNMIK-Chef einen mit Druck und Gewalt operierenden Mann als Freund bezeichnet?
Wiese: Frau Gervalla, wieso ist den Haradinaj eigentlich später Ministerpräsident des Kosovo geworden? Er ist da ja auch Koalitionspartner Ihrer Partei. Welche Rolle spielt er da?
Gervalla: Den Haradinaj haben nicht einmal neun Prozent der Kosovaren gewählt, denn viele bezeichnen ihn als gewöhnlichen und primitiven Kriminellen, der mit Druck und Gewalt und sehr undemokratisch gegen die Einstellung der Mehrheit seiner Landsleute arbeitet. Aber Haradinaj ist durch einen schlichten Machtpoker in die Position gekommen. Der Präsident Kosovas, Ibrahim Rugova, der ehemalige Präsident auch meiner Partei, hat ihn ins Boot geholt, um als Präsident wiedergewählt zu werden. Ich finde das sehr unappetitlich und unverantwortlich, aber es macht Haradinaj nicht zum Helden. Kosova ist klein, wissen Sie und die Leute kennen sich relativ gut untereinander.
Wiese: Immerhin hat er sich ja freiwillig dem Tribunal in Den Haag gestellt. Spricht das in irgendeiner Weise nicht auch für ihn?
Gervalla: Ja, aber Kosova ist ein von der internationalen Gemeinschaft mit starker NATO-Präsenz regiertes Land und es ist sehr gut, es wird Kosova helfen, dass er sich selbst gestellt hat. Aber sehr viele Alternativen gab es da auch nicht.
Wiese: Sie sagen, Kosovo ist ein von internationaler Hand regiertes Land, derzeit unter NATO-Regie stehend. Jetzt ohne den Ministerpräsidenten Haradinaj, welche Prognosen würden Sie Ihrem Land ausstellen?
Gervalla: Also, Kosovo braucht Demokratie und Kosovo braucht Demokratie wie die Luft zum Atmen. Es muss raus aus Serbien, raus vor allem aus dem Druck und der Angst, dass es einen Weg zurück unter die Herrschaft Belgrads geben könnte. Dazu braucht es demokratische Persönlichkeiten, es gibt eine sehr beeindruckende Persönlichkeit, das ist der Parlamentspräsident Kosovos, der Herr Daci. Jedenfalls sind Nationalisten und erwiesenermaßen gewaltbereite Figuren wie Haradinaj und Thaci keine Zukunft sondern ein Schritt in die Vergangenheit. Ich meine, wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, wenn die Angst raus ist, dass man nach Belgrad wieder zurück müsste, also unter Serbiens Herrschaft, dann werden im Kosovo die Prozesse anders laufen als bisher. Die EU muss begreifen, dass sie sich heute keine strategischen Fehler erlauben können, denn sonst hätten sie die Probleme und Krisen von morgen vorbereitet.
Wiese: Was wäre dann die Alternative, Frau Gervalla? Ein unabhängiger Kosovo?
Gervalla: Ja, am Ende ein unabhängiges Kosova. Die Aussicht der Unabhängigkeit unter der Bedingung, dass man bestimmte Voraussetzungen dafür erfüllen muss, dass die Politiker, die Kosova regieren, die Unabhängigkeit kommt, aber sie wird nur unter bestimmten Voraussetzungen von der internationalen Gemeinschaft anerkannt.
Wiese: Das war die Ex- Sprecherin der Demokratischen Liga Kosova im Ausland, Donika Gervalla.