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Harter Weg ins Trockene

Suchttherapie. - Beim Alkoholkonsum liegt Deutschland in der Spitzengruppe Europas, noch vor Finnland und Polen. Zehn Liter reinen Alkohol pro Jahr trinkt im Schnitt jeder Deutsche. Einen Alkohlabhängigen von seiner Sucht zu befreien, ist alles andere als leicht. Einer Göttinger Ärztin ist dies mit einem innovativen Therapieprogramm gelungen. Trotzdem wird ihr Konzept zurzeit von niemandem umgesetzt. Sie hat sich nun allerdings einen Ausweg einfallen lassen.

Von Kristin Raabe | 01.02.2008
    "Also ich habe morgens, wenn die anderen Leute ihren Kaffee getrunken haben, habe ich meinen Cola Rum getrunken. Und das wurde immer mehr und immer mehr, flaschenweise."

    Gerd Maiwald (Name von der Redaktion geändert) hat fast 20 Jahre getrunken. In seinen schlimmsten Zeiten brauchte er schon morgens um sechs eine Flasche Korn. Mehrere Entgiftungen und eine Langzeittherapie in einer Suchtklinik scheiterten.

    "Ein halbes, Dreivierteljahr hat es ja geklappt, wenn man dann irgendwann ein Problem hatte und wenn man das erste Bier getrunken hatte, war man wieder voll drauf."

    Schließlich nimmt er an einem neuen Therapieprogramm des Max-Planck Instituts für experimentelle Medizin in Göttingen teil. Hier ist alles anders: Er kann zuhause wohnen bleiben, sieht am Anfang seine Betreuer täglich und die überprüfen mittels eines Urintests, ob er wirklich trocken ist. Erscheint er einmal nicht, telefonieren sie ihm hinterher, kontaktieren Freunde und Familie. 24 Stunden täglich sind die Therapeuten erreichbar, sodass die Betroffenen, immer wenn der Suchtdruck zu stark wird, Hilfe rufen können. In schwierigen Situationen kommen die Betreuer vorbei und nehmen ihren Klienten das Glas oder die Flasche schon mal aus der Hand. Über einen Zeitraum von zwei Jahren lässt die Intensität der Betreuung immer mehr nach, bis schließlich nur noch wöchentliche Gruppentherapietermine anstehen. Dieses Konzept funktioniert. Hannelore Ehrenreich hat die ambulante Langzeit-Intensivtherapie für Alkoholkranke, kurz Alita, entwickelt und über einen Zeitraum von 14 Jahren wissenschaftlich untersucht. Ehrenreich:

    "Wir konnten zeigen, dass in der Tat die Langzeitergebnisse dieser Patienten, das heißt die Abstinenz bis zu sieben Jahre nach Abschluss der Therapie, über 50 Prozent beträgt und das ist ein Patientenklientel, das wirklich schwer betroffen ist. Und da sind diese Zahlen einzigartig."

    Bei den erfolgreichsten anderen Suchttherapien sind schon ein Jahr später allenfalls 30 Prozent der Alkoholkranken noch trocken. Kein Wunder, dass sich viele Suchttherapeuten und Krankenkassen zunächst stark für Alita interessierten. Nach etlichen Verhandlungen mit den Kostenträgern war allerdings klar, dass niemand für Alita bezahlen will. Der Grund liegt im geteilten Versorgungssystem in Deutschland. Die Krankenkassen bezahlen die Entgiftung. Dann folgt bei herkömmlichen Therapien ein Aufenthalt in einer Suchtklinik, der als Rehabilitation von den Rentenversicherungsträgern übernommen wird. Die Nachbetreuung, wöchentliche Besuche beim Suchttherapeuten etwa, übernehmen wieder die Krankenkassen. Bei Alita liegt über einen Zeitraum von zwei Jahren alles in einer Hand. Und so fühlen sich weder Krankenkassen noch Rentenversicherungsträger wirklich zuständig. Hannelore Ehrenreich hat nicht aufgegeben und nun die Schweizer Franchise-Firma Bellone-Syncon mit der Vermarktung von Alita beauftragt.

    "Über dieses Franchisekonzept könnte man sich vorstellen, dass man über Verhandlung mit Kostenträgern, auch mit privaten Trägerschaften noch zusätzliches Plus hat weil dadurch eine Umsetzung des Konzeptes eins zu eins garantiert ist, und es ist auch anzunehmen, dass die Erfolgszahlen so sind, wie bei uns."

    Selbst wenn die Alkoholkranken, die Therapiekosten von 18.000 Euro selbst übernehmen, kann sich das für sie lohnen. Wer zwei Flaschen Wodka pro Tag trinkt, spart einiges, wenn er trocken wird. Das Franchiseunternehmen denkt aber auch an Verhandlungen mit den Arbeitgebern. Die Kosten, die ihnen jährlich durch ihre alkoholkranken Mitarbeiter entstehen, sind um ein vielfaches höher als die Alita-Therapiekosten. Und weil Alita ein ambulantes Programm ist, können die Betroffenen während der Therapie weiter arbeiten. Und selbst die schwerbetroffenen Langzeitarbeitslosen, haben nach erfolgreichem Abschluss von Alita wieder eine Chance. Gerd Maiwald, nun seit 14 Jahren trocken, ist das beste Beispiel dafür:

    "Jetzt habe ich meine Arbeit, ich habe eine hübsche, süße Frau. Mein Umfeld ist in Ordnung. Ich bin sehr zufrieden, wie mein Leben jetzt läuft. Dank Alita, die haben einen großen Anteil daran."

    Programmtipp: Mehr zum Therapieprogramm Alita können Sie am Sonntag, 3. Februar, 16:30 Uhr, im Deutschlandfunk hören. Wissenschaft im Brennpunkt: Ein Prosit der Sterblichkeit.