Donnerstag, 02. Mai 2024

Archiv


Hasselfeldt: Kein Schnellschuss, sondern Prüfung

Die CSU sei bereit das Urteil des Bundesverfassungsgerichts genau zu prüfen, sagt Gerda Hasselfeldt. Die CSU-Landeschefin warnte aber vor einem Schnellschuss. Der CSU sei ganz wichtig, dass Ehe und Familie auch künftig privilegiert werden.

Gerda Hasselfeldt im Gespräch mit Christiane Kaess | 25.02.2013
    Christiane Kaess: Erst am vergangenen Dienstag erteilte das Bundesverfassungsgericht der Politik wieder einmal, muss man sagen, Nachhilfe bei der Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften mit der Ehe. Die Richter urteilten über ein Detail beim Adoptionsrecht. Aber auch wenn es hier nur um sehr spezielle Fälle ging, erhöhte das den Druck auf die CDU anscheinend so sehr, dass sich nun über das Wochenende mehrere CDU-Spitzenpolitiker dafür aussprachen, möglichst rasch eine Reform zur Gleichstellung auf den Weg zu bringen.
    Am Telefon ist jetzt Gerda Hasselfeldt, CSU-Landesgruppenchefin in Berlin. Guten Morgen!

    Gerda Hasselfeldt: Guten Morgen, Frau Kaess.

    Kaess: Frau Hasselfeldt, ist die absolute Gleichstellung nicht ein längst überfälliger Schritt?

    Hasselfeldt: Nun, man muss dann schon differenzieren, worüber sprechen wir. Zunächst mal haben wir ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das, wie Sie schon sagten, zu einem Spezialfall der Adoption ergangen ist. Das muss natürlich und wird auch zügig umgesetzt. Und in dem Zusammenhang muss man schon auch prüfen, da sind wir auch offen gegenüber dieser Prüfung, ob eine grundsätzliche Änderung beim Adoptionsrecht erfolgen soll, allerdings immer unter dem Gesichtspunkt, dass das Kindeswohl im Mittelpunkt stehen muss. Das muss in aller Ruhe geprüft werden, da darf es keinen Schnellschuss geben, denn das sind ja Angelegenheiten, die nicht so aus dem Ärmel heraus bestimmt werden können.

    Kaess: Wenn wir uns diese Rechtsprechung angucken – da sagt der Parlamentarische Geschäftsführung der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer, es gebe klare Tendenzen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und demnach müsse jetzt möglichst schnell die verfassungsrechtliche Gleichstellung umgesetzt werden. Nehmen Sie da das Bundesverfassungsgericht nicht so ernst?

    Hasselfeldt: Wir nehmen es natürlich genauso ernst. Aber Tatsache ist, dass es zunächst einmal bei dieser Entscheidung – und darauf hat das Verfassungsgericht explizit hingewiesen – um die sogenannte Sukzessivadoption geht, das heißt um die Fälle, in denen ein Partner schon ein Kind adoptiert hat und es nun vom zweiten mitadoptiert wird. Und Herr Grosse-Brömer hat ja auch gesagt, zügig wird das umgesetzt, was verfassungsrechtlich gefordert ist. Da gibt es überhaupt keinen Dissens. Es geht darum …

    Kaess: Aber, Frau Hasselfeldt, wenn ich da mal kurz unterbrechen darf, das Bundesverfassungsgericht hat ja schon mehrfach nachgebessert. Da war der Familienzuschlag, die Erbschaftssteuer, der Grunderwerb und so weiter. Warum wollen Sie dem Gericht immer hinterherhinken?

    Hasselfeldt: Nun, genau deshalb habe ich ja vorhin gesagt, werden wir das Urteil auch in der Begründung genau analysieren, um daraus eventuell auch Schlüsse zu ziehen, ob und in welcher Weise auch eine gemeinschaftliche Adoption, das heißt eine Ausweitung dessen, was das Verfassungsgericht beurteilt hat, notwendig und sinnvoll ist. Einer solchen Prüfung verweigern wir uns nicht, aber das darf nicht von heute auf morgen geschehen aus dem Bauch heraus, sondern das muss wenigstens einige Tage mal diskutiert werden können.

    Kaess: Aber die Sukzessivadoption ist doch in der Praxis ein gleichberechtigtes Adoptionsrecht, denn ob jetzt erst der eine Partner und dann der andere adoptiert, oder beide gleichzeitig, bleibt ja im Ergebnis gleich.

    Hasselfeldt: Das mag für Sie so sein und auch für manche andere. Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts ist es so nicht und auch rechtlich hat es natürlich einen Unterschied. Aber noch mal: Wir sind natürlich bereit, dies auch unter diesem Aspekt zu prüfen und dann in aller Ruhe zu entscheiden.

    Kaess: Aber eine Tendenz in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, so wie viele CDU-Kollegen, sehen Sie nicht?

    Hasselfeldt: Dies ist durchaus erkennbar, denn wir hatten ja jetzt schon mehrere Entscheidungen im Zuge der Gleichstellung von Lebenspartnerschaften und Ehen und der geänderten rechtlichen Grundlage auch von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften. Da brauchen wir die Augen nicht davor zu verschließen.

    Kaess: Aber dann noch mal meine Nachfrage, Frau Hasselfeldt. Warum wollen Sie dann auf das neue Urteil jetzt zum Beispiel zum Ehegattensplitting des Bundesverfassungsgerichts warten, das eventuell sogar kurz vor die Wahl fällt, und nicht gleich selbst handeln?

    Hasselfeldt: Auch da haben wir auch in der CSU gesagt, darüber wollen wir diskutieren. Es stellt sich in der Tat die Frage, ob man warten soll, bis das Verfassungsgericht entschieden hat, oder aus der bisherigen Rechtsprechung schon so viel Tendenz erkennen kann, dass auch hier eine Änderung notwendig ist. Aber auch hier gilt kein Schnellschuss, sondern Prüfung, und auch hier gilt, dass im Grundgesetz steht, Ehe und Familie haben einen besonderen Schutz. Im Übrigen: Zu dem, was die Opposition beim Ehegattensplitting von sich gibt, muss man schon auch mal sagen, dass die auf der einen Seite die Abschaffung des Ehegattensplittings fordern und andererseits aber die Übertragung auf gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften. Da wäre auch mal klar zu sagen, was wollen sie denn eigentlich.

    Kaess: Aber wenn ich Sie richtig verstehe, Frau Hasselfeldt, ist auch bei der CSU durchaus Bewegung drin und kann durchaus auch ein Kurswechsel stattfinden?

    Hasselfeldt: Wir wollen auch darüber reden und auch dieses prüfen. Aber auch hier gilt …

    Kaess: Wie lange wollen Sie prüfen?

    Hasselfeldt: Einige Tage muss man da schon sich Zeit nehmen, um auch die möglichen Alternativen zu sehen. Wie gesagt: Wenn wir das machen würden, was die Sozialdemokraten und die Grünen fordern, dann wüssten wir überhaupt nicht was, nämlich entweder Abschaffung oder Übertragung. Allein da wird ja schon deutlich, dass man sich entscheiden muss. Wenn man das übertragen will, dann muss man sich auch fragen, will man es so übertragen, wie man es jetzt hat, oder will man es modifizieren, und da sind eben noch Fragen offen, die zu klären sind, und auch die Frage, Ehe und Familie, das ist für uns ganz wichtig, haben wirklich einen besonderen Stellenwert.

    Kaess: Wenn Sie sagen, Sie wollen noch einige Tage diskutieren, dann können wir eventuell schon Ende der Woche die Meldung haben, CSU folgt diesem Kurswechsel?

    Hasselfeldt: Nun, ich will mich da nicht und will auch meine Partei nicht unter Druck setzen. Aber dass dieses Thema jetzt auf der Tagesordnung steht, dass darüber gesprochen werden muss, dass man sich auch in aller Ruhe die Situation von Alternativen anschauen muss, die prüfen muss, das liegt auf der Hand und das hat auch nicht Zeit jetzt über Monate hinweg. Ich will das gar nicht aufschieben. Aber einige Tage nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts muss man sich da schon nehmen, um diese Dinge etwas gründlicher zu diskutieren.

    Kaess: Sollte es zur absoluten Gleichstellung kommen, wie werden Sie das Ihren konservativen Wählern erklären?

    Hasselfeldt: Also noch sind wir nicht so weit und wir sind ja auf dem Weg der Diskussion und der Prüfung und da gibt es viele Varianten. Wie gesagt: Für uns ist ganz wichtig, dass Ehe und Familie auch künftig privilegiert werden, …

    Kaess: Aber wie soll das denn weiter durchzuhalten sein? Das ist doch in sich schon ein Widerspruch.

    Hasselfeldt: Nein, das ist eben kein Widerspruch, weil es nicht nur die Möglichkeit gibt bei der steuerlichen Frage, Abschaffung oder Übertragung, sondern eben auch die Möglichkeit gibt, wie wir das übrigens in anderen Ländern ja auch haben, dass wir besondere Regelungen der Besteuerung von Ehen und Familien haben.

    Kaess: In welcher Richtung besonders?

    Hasselfeldt: Da gibt es nicht nur das klassische Ehegattensplitting, sondern da gibt es eben auch die Berücksichtigung zum Beispiel von Kindern im Steuerrecht, und wie dieses dann, ob das mit dem jetzigen System der Kinderfreibeträge und dem Kindergeld zu machen ist, das muss man sich in aller Ruhe anschauen und dann entscheiden. Und dann, wenn wir entschieden haben, dann können Sie sicher sein, dass wir das unseren Mitgliedern und Anhängern entsprechend erklären, denn das alles geschieht nicht aus dem Bauch heraus, nicht aus einer Stimmungslage heraus, sondern nach gründlicher Prüfung.

    Kaess: Frau Hasselfeldt, warum ist eigentlich bei der Frage der Gleichstellung so viel Unsicherheit in der Politik, dass Karlsruhe immer Nachhilfe geben muss?

    Hasselfeldt: Nun, wir haben hier eine starke gesellschaftliche Veränderung und wir haben vor, ich weiß nicht, wie lang das her ist, mehreren Jahren ja das Rechtsinstitut der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft erst geschaffen. Dass dieses im Alltag dann eine Reihe von Rechtsproblemen und Unsicherheiten und zu klärenden Fragen mit sich zieht, das ist logische Konsequenz. Natürlich kann man sich die Frage stellen, ob alles zuerst gerichtlich entschieden werden muss, bis dann der Gesetzgeber nachgibt, und gerade deshalb wird ja jetzt auch überlegt, ob man auch bei noch anstehenden Entscheidungen wartet, oder ob man aufgrund der Entscheidungen, der diesjährigen Entscheidungen des Verfassungsgerichts, auch eine Tendenz absehen kann.

    Kaess: Da sind sich einige CDU-Politiker schon sicherer als Sie. Sind Sie eigentlich gefragt worden von Ihren CDU-Kollegen, bevor die sich so weit aus dem Fenster gelehnt haben?

    Hasselfeldt: Natürlich diskutieren wir in Gremien und auch …

    Kaess: Auch konkret zu dieser Frage, bevor diese Äußerungen jetzt am Wochenende gekommen sind?

    Hasselfeldt: Nun, am Dienstag war das Bundesverfassungsgerichtsurteil und die Gremien …

    Kaess: Nein, ich spreche jetzt vom Wochenende, bevor sich diese CDU-Politiker geäußert haben.

    Hasselfeldt: Ja, ich sage gerade: Die Gremien der Partei und der Fraktion tagen am Montag/Dienstag. Das heißt, Gremien konnten gar nicht tagen, die tagen heute und morgen.

    Kaess: Man kann ja auch am Telefon miteinander sprechen.

    Hasselfeldt: Und das wird auch miteinander besprochen, davon können Sie auch ausgehen, dass das gemacht wird und wurde.

    Kaess: …, sagt Gerda Hasselfeldt, CSU-Landesgruppenchefin in Berlin. Danke für das Interview heute Morgen.

    Hasselfeldt: Bitte sehr!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.