Geißler: Guten Morgen.
Remme: Herr Geißler, selbst Wolfgang Schäuble sagt: ‚Im Rückblick haben wir zu wenig nachgefragt'. Ist auch für Sie inzwischen klar, dass die Vorwürfe rund um das Finanzgebaren der Partei weit über die Person Helmut Kohl hinausgehen?
Geißler: Also, ‚weit darüber hinaus' wird man sicher nicht sagen können, denn es konzentriert sich ja nach wie vor alles, was Sie an Fragen haben, auf diese Errichtung von Kassen, die außerhalb der Schatzmeisterei errichtet worden sind und die eben die ganze Auseinandersetzung ausgelöst haben, und zwar aufgrund der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in Augsburg. Man muss ja immer wieder auf den eigentlichen Punkt zurückkommen. Und von diesen schwarzen Kassen haben außer Helmut Kohl, Herrn Weyrauch, Herrn Lüttge und Herrn Terlinden die übrigen Mitglieder des Vorstandes der CDU nichts gewusst, auch nicht Wolfgang Schäuble.
Remme: Aber wenn wir jetzt zusätzliche Einnahmen haben in sechsstelliger Höhe - hätten da nicht Rechnungsprüfer der Partei, die es ja auch gibt, nachfragen können?
Geißler: Von diesen Geldern hat ja niemand etwas gewusst. Dann kann man auch nicht nachfragen.
Remme: 265.000 Mark zusätzliche Einnahmen - das ist doch ein Posten, der da steht und der - zumindest für diesen Posten - erstaunlich hoch ist.
Geißler: Ich weiß jetzt nicht, von welchen 265.000 Mark Sie reden.
Remme: Gut, dann lassen wir diesen Punkt. Sind Sie zufrieden, Herr Geißler, mit der Art und Weise, wie sich die Parteiführung - und ich meine nicht nur Wolfgang Schäuble und Angela Merkel - sich mit dieser Krise auseinandersetzt?
Geißler: Ja, man kann mit der ganzen Sache nicht zufrieden sein. Die CDU befindet sich in einer ganz, ganz schwierigen Situation, wahrscheinlich in der schwierigsten Situation seit ihrer Existenz. Aber der Schlüssel zur Lösung dieser Situation hat nun eben einmal Helmut Kohl. Und wenn Helmut Kohl die Sache auflöst, indem dieser eigentliche Vorgang aufgeklärt wird und die Spender genannt werden, dann wären wir wirklich einen Meilenschritt voran in der Aufklärung dieser ganzen Angelegenheit. Und aus dem Grunde - glaube ich - muss man sich auf diese Aufgabe noch einmal konzentrieren. Ich habe da auch die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass diese Aufklärung gelingt. Sie geht allerdings nicht ohne oder gegen Helmut Kohl. Das muss man ganz klar sagen.
Remme: Sehen Sie denn Möglichkeiten, den Druck auf Helmut Kohl in dieser Hinsicht zu erhöhen?
Geißler: Ich finde, es muss einfach noch einmal geredet werden. Es ist viel Verunsicherung da, auch in der CDU natürlich, aber gerade auch deswegen, weil ein bißchen so die Klarheit der Gedanken fehlt. Man muss auch in einer solchen Situation klare Maßstäbe haben, man muss die Gedanken richtig ordnen. Ich finde, es gibt die Loyalität gegenüber Personen, ohne die keine Partei existieren kann - das ist gar keine Frage. Aber ich glaube, die erste Loyalität, die wir zu erbringen haben als Parteimitglieder, ist die Loyalität gegenüber dem Staat, gegenüber der Verfassung und die zweite Loyalität gegenüber den Grundsätzen unserer Partei, wegen der wir in die Partei eingetreten sind. Und dann kommt die Loyalität gegenüber den Personen, und die muss man davon abhängig machen, inwieweit sie selber loyal sind zum Staat, zur Verfassung und zu den Grundsätzen der Partei. Das muss man noch einmal ganz, ganz klar sagen. Und es gibt eben nicht nur eine Solidarität von unten nach oben, ohne die keiner arbeiten kann, wenn er ein Mandat hat. Aber es gibt auch eine Solidarität von oben nach unten, und das müsste sich Helmut Kohl sehr, sehr klar überlegen, dass er jetzt die Partei nicht im Stich lassen darf.
Remme: Sie haben zu recht auf die zentrale Figur Helmut Kohl hingewiesen. Wolfgang Schäuble, der jetzt mit der Aufklärung beauftragt ist, sieht in der zeitlichen Verzögerung seiner Aussage, Geld in bar empfangen zu haben, kein Problem. Viele Parteifreunde sehen das anders. Sie auch?
Geißler: Ja, das ist ganz sicher nicht problemlos gewesen, dass diese Aufklärung jetzt erst erfolgt. Der Vorgang selber - da hat er recht. Da kann man ihm - das sagt beispielsweise auch Kurt Biedenkopf - keinen Vorwurf machen, denn er ist ja damals nicht Parteivorsitzender gewesen. Er war Fraktionsvorsitzender und hat diese Spende in Empfang genommen und sie sofort an die Schatzmeisterei weitergegeben. Das heißt, korrekt und offiziell ist die Spende dorthin gelangt, wo sie hinkommen musste, nämlich in die Schatzmeisterei. Er hat sie ja nicht an irgendeine schwarze Kasse weitergegeben.
Remme: Nein, aber die Glaubwürdigkeit hat doch gelitten, denn das war ein Kapital, mit dem Wolfgang Schäuble bis vergangene Woche wuchern konnte.
Geißler: Natürlich kann man in der verspäteten Meldung etwas Kritikwürdiges sehen, das sagt ja Wolfgang Schäuble selber, er hat ja auch in einem Interview gestern dies genau so angesprochen. Aber nun daraus die Konsequenzen zu ziehen, die man sehr vereinzelt - muss ich auch sagen - immer wieder hört, dass wir einen Führungswechsel vornehmen müssten: Solche Spekulationen halte ich für Unsinn und auch für sehr gefährlich, denn wir können ja jetzt nicht eine Namensbörse aufmachen - ohne Absprache mit den Parteimitgliedern, die da auch genannt werden - unter dem Motto: Mal schauen, wie die Aktien stehe - fallen sie oder steigen sie. Solche Zerreißproben kann die Partei einfach nicht mehr ertragen.
Remme: Nein, aber man kann sich die Frage stellen, ob möglicherweise ein Mann an der Spitze der Partei stehen sollte, der mehr Distanz zu Helmut Kohl und den Regierungsjahren der CDU hat, damit ein fälliger Neuanfang leichter fällt.
Geißler: Ich glaube, dass wir jetzt eine solche Diskussion nicht führen sollten. Natürlich muss so etwas Wolfgang Schäuble auch selber überlegen, aber ich halte das alles für sehr vorschnelle Spekulationen. Ich glaube nicht, dass die Führungsautorität von Wolfgang Schäuble so beeinträchtigt ist, dass er diese Aufgabe nicht weiterführen könnte. Man muss ja auch folgendes sehen: Es gibt ja nicht nur dieses eine Kriterium, das Sie genannt haben, sondern es braucht den klaren und festen Willen des Vorsitzenden, diese Aufklärung nun auch durchzuführen, dabei zu bleiben. Und nun stelle man sich einmal vor: Helmut Kohl würde seine Pflicht erfüllen und seinen Beitrag leisten, nämlich die Verfassung, das Gesetz, höher zu stellen und höher zu bewerten, als die Zusage, die er gegeben hat - die im übrigen gar nicht gilt, weil sie rechtswidrig gewesen ist; eine solche Zusage hat gar keine Bindung, weil sie auf ein Ziel gerichtet war, das ja rechtswidrig gewesen ist. Nehmen wir mal an, Helmut Kohl erfüllt seine Pflicht und die Aufklärung ist erfolgt: Dann würde sich auch die Diskussion, die jetzt um Wolfgang Schäuble losgegangen ist, in der Luft auflösen. Und außerdem gibt es ja noch ein paar andere Kriterien. Wir brauchen einen Vorsitzenden, der ganz klar die CDU als Volkspartei repräsentieren kann. Es geht ja nicht einfach darum, dass jetzt irgendwelche Namen genannt werden, sondern es müssen ja gewisse Kriterien erfüllt werden.
Remme: Also, Herr Geißler, Sie plädieren für Wolfgang Schäuble als Parteichef über den Parteitag hinaus?
Geißler: Ich hoffe, dass Wolfgang Schäuble bei seiner Entscheidung bleibt, wieder zu kandidieren.
Remme: Sollte der Parteitag vorgezogen werden?
Geißler: Nein, das würde ich für einen Fehler halten. Und abgesehen davon, dass es organisatorisch wahrscheinlich schwer wäre, sollte der Parteitag mit den fertigen Ergebnissen konfrontiert werden. Wenn die Aufklärung bis dahin nicht erfolgt ist, wird die Sache sowieso schwierig zum normalen Zeitpunkt, aber einen vorgezogenen Parteitag machen, ohne dass die Ergebnisse der Aufklärung vorliegen, das wäre nun wirklich ein ganz schwerer Fehler, denn der Parteitag muss in der Lage sein, Ergebnisse zu diskutieren und möglicherweise daraus auch die Konsequenzen zu ziehen.
Remme: Das wäre doch möglicherweise bis Ende Februar zu schaffen, oder meinen Sie nicht?
Geißler: Das glaube ich nicht, dass es bis Ende Februar zu schaffen wäre. Außerdem ist das ein willkürlicher Termin. Warum dann nicht Anfang März - aber da sind wir auch schon wieder fast im April. Ich glaube nicht, dass man ein solches Risiko eingehen könnte und eingehen sollte, weil der Parteitag nicht in eine Situation gebracht werden kann, dass er über eine Angelegenheit redet, die eben noch nicht die vollständige Aufklärung erfahren hat.
Remme: In puncto Aufklärung, Herr Geißler: Wäre es nicht besser gewesen, eine Person mit der Aufklärung zu beauftragen, die eine größere Distanz zu Helmut Kohl und seinen Regierungsjahren hat, deren Glaubwürdigkeit über jeden Zweifel erhaben ist, einen Mann wie Roman Herzog zum Beispiel?
Geißler: Ich weiß nicht, was jemand anders - man kann immer spekulieren und alles Mögliche konditional und hypothetisch erörtern - machen könnte. Ich glaube, dass die Parteiführung - es ist ja nicht nur Wolfgang Schäuble allein, wir haben ja auch zu berücksichtigen die hervorragende Rolle, die Angela Merkel bisher gespielt hat; das gesamte Präsidium und der Bundesvorstand der CDU haben ja einmütig auf die Aufklärung gedrungen und Helmut Kohl aufgefordert, die Sache aufzuklären. Und ich weiß nicht, ob jemand anders etwas anderes hätte sagen können. Es liegt nun wirklich - man darf hier den Dingen nicht ausweichen - ausschließlich und allein an Helmut Kohl, den Dienst zu leisten, den die Partei jetzt braucht.
Remme: Heiner Geißler war das im Deutschlandfunk. Ich danke Ihnen für das Gespräch.
Geißler: Bitteschön.
Link: (Bernhard Vogel über die CDU-Parteispendenaffäre (11.1.2000)==>/cgi-bin/es/neu-interview/513.html)
Remme: Herr Geißler, selbst Wolfgang Schäuble sagt: ‚Im Rückblick haben wir zu wenig nachgefragt'. Ist auch für Sie inzwischen klar, dass die Vorwürfe rund um das Finanzgebaren der Partei weit über die Person Helmut Kohl hinausgehen?
Geißler: Also, ‚weit darüber hinaus' wird man sicher nicht sagen können, denn es konzentriert sich ja nach wie vor alles, was Sie an Fragen haben, auf diese Errichtung von Kassen, die außerhalb der Schatzmeisterei errichtet worden sind und die eben die ganze Auseinandersetzung ausgelöst haben, und zwar aufgrund der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in Augsburg. Man muss ja immer wieder auf den eigentlichen Punkt zurückkommen. Und von diesen schwarzen Kassen haben außer Helmut Kohl, Herrn Weyrauch, Herrn Lüttge und Herrn Terlinden die übrigen Mitglieder des Vorstandes der CDU nichts gewusst, auch nicht Wolfgang Schäuble.
Remme: Aber wenn wir jetzt zusätzliche Einnahmen haben in sechsstelliger Höhe - hätten da nicht Rechnungsprüfer der Partei, die es ja auch gibt, nachfragen können?
Geißler: Von diesen Geldern hat ja niemand etwas gewusst. Dann kann man auch nicht nachfragen.
Remme: 265.000 Mark zusätzliche Einnahmen - das ist doch ein Posten, der da steht und der - zumindest für diesen Posten - erstaunlich hoch ist.
Geißler: Ich weiß jetzt nicht, von welchen 265.000 Mark Sie reden.
Remme: Gut, dann lassen wir diesen Punkt. Sind Sie zufrieden, Herr Geißler, mit der Art und Weise, wie sich die Parteiführung - und ich meine nicht nur Wolfgang Schäuble und Angela Merkel - sich mit dieser Krise auseinandersetzt?
Geißler: Ja, man kann mit der ganzen Sache nicht zufrieden sein. Die CDU befindet sich in einer ganz, ganz schwierigen Situation, wahrscheinlich in der schwierigsten Situation seit ihrer Existenz. Aber der Schlüssel zur Lösung dieser Situation hat nun eben einmal Helmut Kohl. Und wenn Helmut Kohl die Sache auflöst, indem dieser eigentliche Vorgang aufgeklärt wird und die Spender genannt werden, dann wären wir wirklich einen Meilenschritt voran in der Aufklärung dieser ganzen Angelegenheit. Und aus dem Grunde - glaube ich - muss man sich auf diese Aufgabe noch einmal konzentrieren. Ich habe da auch die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass diese Aufklärung gelingt. Sie geht allerdings nicht ohne oder gegen Helmut Kohl. Das muss man ganz klar sagen.
Remme: Sehen Sie denn Möglichkeiten, den Druck auf Helmut Kohl in dieser Hinsicht zu erhöhen?
Geißler: Ich finde, es muss einfach noch einmal geredet werden. Es ist viel Verunsicherung da, auch in der CDU natürlich, aber gerade auch deswegen, weil ein bißchen so die Klarheit der Gedanken fehlt. Man muss auch in einer solchen Situation klare Maßstäbe haben, man muss die Gedanken richtig ordnen. Ich finde, es gibt die Loyalität gegenüber Personen, ohne die keine Partei existieren kann - das ist gar keine Frage. Aber ich glaube, die erste Loyalität, die wir zu erbringen haben als Parteimitglieder, ist die Loyalität gegenüber dem Staat, gegenüber der Verfassung und die zweite Loyalität gegenüber den Grundsätzen unserer Partei, wegen der wir in die Partei eingetreten sind. Und dann kommt die Loyalität gegenüber den Personen, und die muss man davon abhängig machen, inwieweit sie selber loyal sind zum Staat, zur Verfassung und zu den Grundsätzen der Partei. Das muss man noch einmal ganz, ganz klar sagen. Und es gibt eben nicht nur eine Solidarität von unten nach oben, ohne die keiner arbeiten kann, wenn er ein Mandat hat. Aber es gibt auch eine Solidarität von oben nach unten, und das müsste sich Helmut Kohl sehr, sehr klar überlegen, dass er jetzt die Partei nicht im Stich lassen darf.
Remme: Sie haben zu recht auf die zentrale Figur Helmut Kohl hingewiesen. Wolfgang Schäuble, der jetzt mit der Aufklärung beauftragt ist, sieht in der zeitlichen Verzögerung seiner Aussage, Geld in bar empfangen zu haben, kein Problem. Viele Parteifreunde sehen das anders. Sie auch?
Geißler: Ja, das ist ganz sicher nicht problemlos gewesen, dass diese Aufklärung jetzt erst erfolgt. Der Vorgang selber - da hat er recht. Da kann man ihm - das sagt beispielsweise auch Kurt Biedenkopf - keinen Vorwurf machen, denn er ist ja damals nicht Parteivorsitzender gewesen. Er war Fraktionsvorsitzender und hat diese Spende in Empfang genommen und sie sofort an die Schatzmeisterei weitergegeben. Das heißt, korrekt und offiziell ist die Spende dorthin gelangt, wo sie hinkommen musste, nämlich in die Schatzmeisterei. Er hat sie ja nicht an irgendeine schwarze Kasse weitergegeben.
Remme: Nein, aber die Glaubwürdigkeit hat doch gelitten, denn das war ein Kapital, mit dem Wolfgang Schäuble bis vergangene Woche wuchern konnte.
Geißler: Natürlich kann man in der verspäteten Meldung etwas Kritikwürdiges sehen, das sagt ja Wolfgang Schäuble selber, er hat ja auch in einem Interview gestern dies genau so angesprochen. Aber nun daraus die Konsequenzen zu ziehen, die man sehr vereinzelt - muss ich auch sagen - immer wieder hört, dass wir einen Führungswechsel vornehmen müssten: Solche Spekulationen halte ich für Unsinn und auch für sehr gefährlich, denn wir können ja jetzt nicht eine Namensbörse aufmachen - ohne Absprache mit den Parteimitgliedern, die da auch genannt werden - unter dem Motto: Mal schauen, wie die Aktien stehe - fallen sie oder steigen sie. Solche Zerreißproben kann die Partei einfach nicht mehr ertragen.
Remme: Nein, aber man kann sich die Frage stellen, ob möglicherweise ein Mann an der Spitze der Partei stehen sollte, der mehr Distanz zu Helmut Kohl und den Regierungsjahren der CDU hat, damit ein fälliger Neuanfang leichter fällt.
Geißler: Ich glaube, dass wir jetzt eine solche Diskussion nicht führen sollten. Natürlich muss so etwas Wolfgang Schäuble auch selber überlegen, aber ich halte das alles für sehr vorschnelle Spekulationen. Ich glaube nicht, dass die Führungsautorität von Wolfgang Schäuble so beeinträchtigt ist, dass er diese Aufgabe nicht weiterführen könnte. Man muss ja auch folgendes sehen: Es gibt ja nicht nur dieses eine Kriterium, das Sie genannt haben, sondern es braucht den klaren und festen Willen des Vorsitzenden, diese Aufklärung nun auch durchzuführen, dabei zu bleiben. Und nun stelle man sich einmal vor: Helmut Kohl würde seine Pflicht erfüllen und seinen Beitrag leisten, nämlich die Verfassung, das Gesetz, höher zu stellen und höher zu bewerten, als die Zusage, die er gegeben hat - die im übrigen gar nicht gilt, weil sie rechtswidrig gewesen ist; eine solche Zusage hat gar keine Bindung, weil sie auf ein Ziel gerichtet war, das ja rechtswidrig gewesen ist. Nehmen wir mal an, Helmut Kohl erfüllt seine Pflicht und die Aufklärung ist erfolgt: Dann würde sich auch die Diskussion, die jetzt um Wolfgang Schäuble losgegangen ist, in der Luft auflösen. Und außerdem gibt es ja noch ein paar andere Kriterien. Wir brauchen einen Vorsitzenden, der ganz klar die CDU als Volkspartei repräsentieren kann. Es geht ja nicht einfach darum, dass jetzt irgendwelche Namen genannt werden, sondern es müssen ja gewisse Kriterien erfüllt werden.
Remme: Also, Herr Geißler, Sie plädieren für Wolfgang Schäuble als Parteichef über den Parteitag hinaus?
Geißler: Ich hoffe, dass Wolfgang Schäuble bei seiner Entscheidung bleibt, wieder zu kandidieren.
Remme: Sollte der Parteitag vorgezogen werden?
Geißler: Nein, das würde ich für einen Fehler halten. Und abgesehen davon, dass es organisatorisch wahrscheinlich schwer wäre, sollte der Parteitag mit den fertigen Ergebnissen konfrontiert werden. Wenn die Aufklärung bis dahin nicht erfolgt ist, wird die Sache sowieso schwierig zum normalen Zeitpunkt, aber einen vorgezogenen Parteitag machen, ohne dass die Ergebnisse der Aufklärung vorliegen, das wäre nun wirklich ein ganz schwerer Fehler, denn der Parteitag muss in der Lage sein, Ergebnisse zu diskutieren und möglicherweise daraus auch die Konsequenzen zu ziehen.
Remme: Das wäre doch möglicherweise bis Ende Februar zu schaffen, oder meinen Sie nicht?
Geißler: Das glaube ich nicht, dass es bis Ende Februar zu schaffen wäre. Außerdem ist das ein willkürlicher Termin. Warum dann nicht Anfang März - aber da sind wir auch schon wieder fast im April. Ich glaube nicht, dass man ein solches Risiko eingehen könnte und eingehen sollte, weil der Parteitag nicht in eine Situation gebracht werden kann, dass er über eine Angelegenheit redet, die eben noch nicht die vollständige Aufklärung erfahren hat.
Remme: In puncto Aufklärung, Herr Geißler: Wäre es nicht besser gewesen, eine Person mit der Aufklärung zu beauftragen, die eine größere Distanz zu Helmut Kohl und seinen Regierungsjahren hat, deren Glaubwürdigkeit über jeden Zweifel erhaben ist, einen Mann wie Roman Herzog zum Beispiel?
Geißler: Ich weiß nicht, was jemand anders - man kann immer spekulieren und alles Mögliche konditional und hypothetisch erörtern - machen könnte. Ich glaube, dass die Parteiführung - es ist ja nicht nur Wolfgang Schäuble allein, wir haben ja auch zu berücksichtigen die hervorragende Rolle, die Angela Merkel bisher gespielt hat; das gesamte Präsidium und der Bundesvorstand der CDU haben ja einmütig auf die Aufklärung gedrungen und Helmut Kohl aufgefordert, die Sache aufzuklären. Und ich weiß nicht, ob jemand anders etwas anderes hätte sagen können. Es liegt nun wirklich - man darf hier den Dingen nicht ausweichen - ausschließlich und allein an Helmut Kohl, den Dienst zu leisten, den die Partei jetzt braucht.
Remme: Heiner Geißler war das im Deutschlandfunk. Ich danke Ihnen für das Gespräch.
Geißler: Bitteschön.
Link: (Bernhard Vogel über die CDU-Parteispendenaffäre (11.1.2000)==>/cgi-bin/es/neu-interview/513.html)