Freitag, 19. April 2024

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Hat sich die US-Ölindustrie den Irak schon aufgeteilt?

Wiese: Am Telefon begrüße ich jetzt Rainer Wiek vom Energieinformationsdienst, Hamburg, ein Fachblatt, das sich unter anderem mit der Erdölindustrie beschäftigt. Guten Tag, Herr Wiek!

11.04.2003
    Wiek: Guten Tag!

    Wiese: Zwar hat die US-Regierung immer wieder das Ziel der Befreiung des irakischen Volkes von einem blutrünstigen Diktator als Begründung für den Krieg angeführt, weniger naive Menschen vermuten allerdings auch handfestere Motive, nämlich die nahezu unermesslichen irakischen Erdölvorkommen. Es heißt, US-Firmen hätten die zukünftige Ausbeutung dieser Vorkommen schon unter sich aufgeteilt. Was wissen Sie darüber?

    Wiek: Nun, ich denke, das ist ein etwas vereinfachter Schluss. Zweifelsfrei wird sicherlich auch Öl in diesem Konflikt eine Rolle gespielt haben. Das ist zwangsläufig. Denn es handelt sich um die ölreichste Region und der Irak verfügt über immense Vorkommen. Eher zu verneinen ist das Gerücht, dass sich die US-Ölindustrie diese Region schon aufgeteilt hat. Dieses Öl gehört dem Irak. Sollten die Amerikaner eine andere Politik verfolgen, würde das in gewisser Weise an Kolonialismus grenzen. Insofern wird man sich nach Aufbau von Strukturen Gedanken machen müssen, wie man die Ölindustrie wieder ins Laufen bringt. Dann werden natürlich Unternehmen, die dort Expertise haben, aktiv werden. Aber ich bin davon überzeugt, dass die aus der ganzen Welt kommen werden.

    Wiese: Man weiß aber doch schon, dass zum Beispiel Firmen, die mit Vizepräsident Dick Cheney verbandelt sind, Aufträge erhalten haben.

    Wiek: Das ist richtig. Da gab es Meldungen, und das ist sicherlich auch geschehen. In gewisser Weise wird sicherlich auch die US-Administration versuchen, US-Firmen in den Vordergrund zu spielen. Das, was bisher an Vertragsabsprachen gelaufen ist, betrifft unter anderem die Soforthilfemaßnahmen bei den wenigen brennenden Ölquellen, die es ja dieses Mal nur gab. Das ist vom Volumen sicherlich ein Tropfen auf den heißen Stein, im Vergleich zu dem, was in die irakische Ölindustrie investiert werden muss, damit sie wieder ins Laufen kommt.

    Wiese: Herr Wiek, haben auch deutsche Firmen im Irak eigene Interessen und sind schon aktiv?

    Wiek: Nun, im Prinzip gibt es gar nicht die großen deutschen Erdölfirmen. Deutschland hat ja immer auf den Aufbau einer solchen Firma verzichtet. Es gibt sicherlich deutsche Unternehmen, die auch in der Ölförderung tätig sind. Das sind aber im internationalen Vergleich sicherlich kleine Player. Die würden sowieso, wenn überhaupt nur in größeren Konsortien dort aktiv werden. Überhaupt ist davon auszugehen, dass beim Aufbau der irakischen Ölindustrie in erster Linie Konsortien auftreten werden, an denen vier, fünf oder sechs Unternehmen beteiligt sind.

    Wiese: Der Irak ist ja derzeit suspendiertes Mitglied der OPEC, der Organisation erdölexportierender Länder. Wie reagieren die anderen OPEC-Länder auf die Möglichkeit der Wiederaufnahme der irakischen Erdölproduktion. Da herrscht doch wohl nicht nur eitel Freude über diese Perspektive, oder?

    Wiek: Das ist im Moment in der OPEC das ganz große Thema. Es wird insgesamt weltweit sehr viel Öl momentan gefördert. Die internationale Energieagentur hat gerade die neuesten Zahlen herausgegeben. Demnach sind Rekordwerte an Ölförderungen im Moment im Markt. Dazu gibt es bei der OPEC natürlich im Moment Unruhe. Denn wenn der Irak wieder als Ölförderer auftritt, was sicherlich noch einige Zeit dauern wird, würden zusätzliche Mengen kommen, und einzelne OPEC-Mitglieder haben Angst um ihre Quoten. Insgesamt sieht es im Moment danach aus, als wenn innerhalb der Ölförderorganisation dort mit sinkenden Mengen zu rechnen ist. Das ist aus deren Sicht schon sinnvoll, weil ansonsten aus deren Sicht befürchtet werden muss, dass die Ölpreise nach unten abstürzen. Da wird also etwas passieren müssen.

    Wiese: Danke, für diese Information, Herr Wiek.