
Sind die Proteste ein Thema auf dem Weltkongress?
Es gibt keine offiziellen Vorträge dazu, die Internationale Astronomische Union enthält sich auch ausdrücklich einer Stellungnahme. Aber natürlich ist das Thema überall präsent. Es wird viel darüber diskutiert und bei der Eröffnungs-Zeromonie am Montag wurde zwar der Name des Teleskops nicht erwähnt, aber fast alle Redner spielten auf die aktuelle Lage an. Vor dem Kongresszentrum erinnern hin und wieder einzelne Demonstranten an den Konflikt.
Worum geht es den Demonstranten?
Eine Minderheit der Ureinwohner Hawaiis wehrt sich gegen den Bau des Dreißig-Meter-Teleskops auf dem Vulkan Maunakea. Das ist der höchste Berg von Hawaii und dort gibt es einige spirituell bedeutende Plätze, auch einige Grabstätten. Es gibt schon ein gutes Dutzend Teleskope auf dem Berg, manche sehr klein, andere gehören zu den größten optischen Teleskopen der Welt. Das 30-Meter-Teleskop wird alle weit überragen: Das Gebäude soll fast 70 Meter Durchmesser haben und 60 Meter hoch werden. Nun meinen manche, das sei für den heiligen Berg viel zu groß.
Ist der Vorwurf berechtigt?
Das Teleskop soll das größte der Welt werden. Das wird wirklich riesig. Es ist etwas irritierend, dass die Proteste erst jetzt kommen. Von der ersten Planung an vor sieben Jahren bis jetzt gab es zahllose Gespräche aller Beteiligten, viele Gremien haben sich jahrelang mit dem Einfluss auf die Natur des Berges, aber auch mit den kulturellen Folgen beschäftigt. Da wurden viele Punkte geklärt – so sollte das Gebäude ursprünglich noch größer werden. Aber auf lokale Einwände hin, wird es nun so klein wie möglich. Warum jetzt plötzlich die Gegner so vehement auftreten, ist vielen nicht ganz klar. Es geht da wohl zuletzt um Astronomie, sondern vor allem um politische Unzufriedenheit über die Stellung der Hawaiianer. Da ist das Teleskop ein gutes Mittel, um weithin sichtbar Protest zu äußern.
Wie wichtig ist das Instrument für die Astronomen?
30 Meter Durchmesser sind gigantisch. Bisher haben die Spitzenteleskope bis zu 10 Metern Durchmesser. Die Spiegelfläche des neuen Teleskops ist also neunmal größer. Es wird viel, viel schärfer und empfindlicher hinaus ins All blicken als alle anderen Instrumente – und damit alle Bereiche der Astronomie weit voran bringen. Ganz besonders wichtig ist das Teleskop, um die fernsten Galaxien und ersten Sterne im All zu untersuchen, um zu beobachten, wie Sterne entstehen oder was genau in der Umgebung Schwarzer Löcher passiert. Es ist ein internationales Projekt, kein rein amerikanisches, mit starker Beteiligung aus China, Indien, Japan und Kanada.
Könnten die Proteste den Bau des Teleskops stoppen?
Seit April gibt es Proteste an der einzigen Straße, die auf den Vulkan führt. Seitdem ruht der Bau. Da ist außer einigen vorbereitenden Arbeiten noch nichts passiert. Rechtlich ist die Lage klar: Seit Mai 2014 gibt es eine Baugenehmigung des Staates Hawaii. Es gibt nur noch einen wunden Punkt: Das Gebiet auf dem Vulkan, in dem die Teleskope stehen, hat die Universität von Hawaii vom Staat gepachtet. Die Universität vergibt dann Unterverträge an die verschiedenen Einrichtungen, die dort Teleskope bauen wollen. Der Pachtvertrag der Universität läuft nach 65 Jahren im Jahr 2033 aus. Wenn das 30-Meter-Teleskop vernünftig arbeiten soll, muss dieser Vertrag natürlich mindestens um 20 Jahre verlängert werden. Ob und wann das geschieht, ist derzeit völlig offen. Das ist die rechtliche Seite. Politisch mag es ganz anders aussehen.
Wie viel politische Brisanz steckt in den Protesten?
Das lässt sich kaum einschätzen. Der Gouverneur von Hawaii hat bei der Eröffnung am Montag gesagt, man wolle eine einvernehmliche Lösung und es sei an der Zeit, miteinander zu reden und sich zuzuhören. Das fanden viele im Teleskop-Team etwas unpassend, weil man genau dies seit sieben Jahren gemacht hat. Dass der Gouverneur auch schon vorgeschlagen hat, für das Dreißig-Meter-Teleskop andere Instrumente abzubauen, schreckt die Astronomen nicht. Denn der Pachtvertrag schreibt vor, dass alle Teleskope nach ihrer wissenschaftlichen Nutzung abgebaut werden müssen. Die einzelnen Teams legen dafür auch Geld zurück. Sternwartenruinen soll es auf dem Berg nicht geben. Manche hier meinen, in einigen Monaten sei aller Ärger überstanden. Andere, und die sind zum Teil politisch sehr erfahren, fragen schon mal nach, ob es auch Alternativstandorte gäbe.
Könnte das Teleskop woanders gebaut werden?
Das erscheint derzeit fast unmöglich. Man hatte zuletzt einen Berg in Chile und Maunakea im Rennen. Dann hat man sich für Maunakea entschieden und auf dem Berg in Chile entsteht nun Europas Großteleskop ELT. An die Aufgabe dieses exzellenten Standorts auf dem 4000 Meter hohen Berg mag keiner der direkt Beteiligten denken.