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Hawala-Netzwerke
Razzia gegen illegale Geldtransfers

Ermittler sind in fünf Bundesländern gegen mutmaßliche Mitglieder einer kriminellen Vereinigung vorgegangen. Millionenbeträge wurden illegal und anonym ins Ausland geschafft. Dafür nutzten sie ein sogenanntes Hawala-System. Was hat es damit auf sich?

Von Jessica Sturmberg | 20.11.2019
Beamte tragen Metallkisten in Räumlichkeiten eines Juweliers. Das Landeskriminalamt (LKA) Nordrhein-Westfalen und die Staatsanwaltschaft Düsseldorf sind gegen eine "international agierende kriminelle Vereinigung" vorgegangen. Die Beschuldigten sollen im großen Stil Bargeld aus Deutschland ins Ausland transferiert haben, wie das LKA Nordrhein-Westfalen mitteilte.
Razzia gegen das "Hawala-Banking" - Beamte tragen Metallkisten in Räumlichkeiten eines Juweliers. (dpa / picture alliance / Christoph Reichwein)
Rund 850 Polizeibeamte sowie elf Staatsanwälte waren am Dienstag im Einsatz bei Razzien in mehreren Bundesländern. Eine kriminelle Vereinigung soll am legalen Bankensystem vorbei Millionen Euro aus Deutschland in andere Länder geschickt haben - über sogenannte Hawala-Netzwerke.
Was ist Hawala?
Hawala ist ein System, mit dem Geld über ein Netzwerk transferiert wird, ohne dass Banken eingebunden sind. Das läuft über eingebundene Einzelhändler oder Reisebüros, die Bargeld entgegennehmen. Die übermitteln innerhalb ihres Netzwerks anderen eingebundenen Personen die Summe. Es wird ein Code genannt für die Auszahlung am anderen Ort, sodass dieser Transfer dabei keine Spur hinterlässt. Voraussetzung ist, dass innerhalb des Netzwerks gegenseitiges Vertrauen herrscht. Es gibt keine Belege. Nur die beiden beteiligten Anlaufstellen, die sogenannten Hawala-Händler, die für ihre Leistung dann eine Gebühr bekommen.
Über einen manipulierten Goldhandel wurden 200 Millionen Euro transferiert
Wenn die Transfers immer einseitig von einem Land ins andere sind, muss irgendwie ein Geldfluss zustande kommen. Das war im vorliegenden Fall auch wohl das Problem, da ging es um Geldtransfers von Deutschland in die Türkei. Es gab zu viele Geldeinzahlungen auf deutscher Seite, während auf türkischer Seite die Kassen leer waren. Deshalb wurden über einen manipulierten Goldhandel 200 Millionen Euro transferiert.
Straßenszene in Makeni, einer Stadt im Nordosten von Sierra Leone - Straßenhändler bieten vor einem Büro von Western Union ihre Waren an.
Weltweiter Bargeldtransfer
Remittances – Rücküberweisungen – übertreffen die offizielle Entwicklungshilfe um ein Dreifaches. Es ist das Geld, das Migranten in ihre Herkunftsländer schicken, um die Familie zu unterstützen. 2016 waren das laut Weltbank rund 575 Milliarden US-Dollar. Die Zahlungen sind längst ein bedeutender Wirtschaftsfaktor.
Das Ziel der Ermittler war es Vermögen zu sichern und Beweise dafür zu finden, dass über dieses Hawala-Netzwerk Geld gewaschen wird. Es wurden unter anderem Metallfirmen, Juweliere und Privatwohnungen von Verdächtigen durchsucht.
Anonymität von Geldtransfers
Dieses System Geld zu transferieren, ist nicht generell strafbar. Als Hawala-Händler benötigt man eine Erlaubnis von der Finanzaufsicht BaFin. Damit diese Kontrollen ausüben kann und nichts am Bankensystem sowie der Bankenaufsicht vorbei läuft. Allerdings versuchen Beteiligte in einem solchen Hawala-Netzwerk, oft im Geheimen zu agieren.* Die Anonymität lädt geradezu ein, es für verbotene Transfers zu nutzen. Zum Beispiel um Geld, dass aus Kriminalität stammt, zu waschen. Deswegen drohen bei unerlaubtem Betrieb Haftstrafen von bis zu fünf Jahren.
Das Landeskriminalamt in NRW hat nochmal betont, dass Geldtransfers über das Hawala-System "nicht per se einen kriminalistisch relevanten Hintergrund haben" müssen. Es kann auch einfach sein, dass eine Person einer anderen Geld zukommen lassen will und das der einzig mögliche Weg ist. Weil es vor Ort kein funktionierendes Banksystem gibt.
Vor allem über verdeckte Ermittlungen wird versucht, gegen illegale Geldtransfers vorzugehen. Die Financial Intelligence Unit, eine eigenständige Einheit, die beim Zoll angesiedelt ist, geht Verdachtsmeldungen nach.
*Anmerkung der Redaktion: Der Satz war in einer früheren Version missverständlich formuliert.