"Der Kopf senkt sich in das Becken. Die Eröffnungswehen haben die Aufgabe, dass sich der Muttermund öffnet."
Ein Geburtsvorbereitungskurs, abgehalten selbstverständlich von einer Hebamme. Sie übt einen der ältesten Frauenberufe aus. Schon aus dem dritten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung sind ägyptische Zeugnisse über deren Rolle bei der Geburt überliefert. Im Laufe der Geschichte schwankte der Ruf der Hebamme zwischen Heiliger und Hexe. Das Wort aus dem Althochdeutschen bedeutet so viel wie "Großmutter, die das Neugeborene aufhebt". Heute ist das Aufgabenfeld von Hebammen sehr viel umfangreicher, schildert Susanne Rinne-Wolf, Landesvorsitzende Berlin des Deutschen Hebammenverbandes:
"Wir machen Beratung zur Familienplanung. Und dann natürlich begleiten wir die Schwangerschaft, machen Schwangeren-Vorsorge, wir leisten aber auch Hilfe bei Schwangerschaftsbeschwerden oder bei vorzeitigen Wehen, dann natürlich, wenn die Geburt losgeht, unter der Geburt leisten wir Geburtshilfe, nach der Geburt sind wir dann am Wochenbett tätig, bis zu zwei Hausbesuche am Tag in den ersten zehn Lebenstagen, und darüber hinaus im ersten Lebensjahr Beratung in Fragen der Säuglingsernährung. Wenn die Frau stillt: Stillberatung wirklich so lange, wie sie Frau stillt. Und der klassische Rückbildungskurs wird auch von der Hebamme abgehalten. All das ist Kassenleistung."
Hinzu kommt noch, dass manche als "Familienhebamme" arbeiten, die Eltern längerfristig zu Hause aufsuchen, durchaus auch, um Kindesvernachlässigung zu verhindern.
Ein Beruf mit langer Geschichte
Doch wie gesagt: Der Berufsstand der Hebamme hat eine lange Geschichte. Weil sie mehr wussten als damals so mancher Arzt, weil sie auch in Fragen der Abtreibung um Rat gebeten wurden, verfolgte sie die katholischen Kirche immer wieder. Im ausgehenden Spätmittelalter und in der Renaissance wurden sie Opfer der Hexenverfolgung. Zum Beispiel in Köln wurden im frühen 17. Jahrhundert fast alle Hebammen als Hexen verbrannt. Dorothea Tegethoff, Hebamme und Professorin für das Fach, erzählt, dass das Image noch im späten 19. Jahrhundert mindestens zwiespältig war:
"Von Kolleginnen wird berichtet, dass sie in ihrer Familie gesagt bekommen: 'Was? Hebamme - da muss man sich ja schämen!' Also was so den Ruf von Hebammen angeht, das war sehr schwankend: Auf der einen Seite gibt es eben diesen Begriff der weisen Frauen, die haben eine hervorgehobene soziale Stellung: Wer ist wichtig im Dorf, das sind der Pfarrer, der Lehrer und die Hebamme; und auf der anderen Seite gibt es dann eben auch so diese Geschichten, dass sie eher so verrufen sind, das ist so ein kontinuierliches Auf und Ab."
Zu dieser Zeit wurden auch erste Hebammenvereine in Deutschland gegründet. Tegethoff:
"Die Hebammen waren in einer sehr schwierigen Situation am Ende des 19. Jahrhunderts, das Wirtschaftliche, mehr oder weniger ungeregelt, es gab sehr viele Hebammen sehr unterschiedlichen Ausbildungsstands, viele völlig ungelernte, und einer der ersten Beschlüsse dieses Vereins war, dass Vereinshebammen keine Geburten mehr ohne geordnete Gebühren überhaupt durchführen."
Viel Verantwortung, wenig Verdienst
Letztlich sind die wirtschaftlichen Probleme bis heute ähnlich geblieben, sagt Susanne Rinne-Wolf:
"Es ist schwierig für Hebammen, wirklich wirtschaftlich zu arbeiten und von ihrem Beruf leben zu können. Was in keinem Fall angemessen ist, ist die Vergütung in Bezug auf die hohe Verantwortung, die wir tragen, und bezogen darauf, was wir jeden Tag leisten und wie viel wir arbeiten."
Hinzu kommt, dass der Beruf manchmal auch seelisch bedrückend sein kann.
"Ich weiß, dass für viele Kolleginnen es sehr belastend ist, wenn beispielsweise ein Kind im Bauch verstirbt, das ist der Moment, vor dem wir alle große Angst haben, da ist es auch ganz wichtig, dass wir trotzdem da bleiben, die Familie nicht alleine lassen, und das tun wir auch nicht."
Susanne Rinne-Wolf ist insgesamt aber weit davon entfernt, über ihren Beruf zu jammern, sie mag ihn sehr.
"Jeder einzelne Teil der Hebammenarbeit hat das Potenzial, ganz besonders und auch ganz besonders schön zu sein. Wenn eine Frau, die ich beim ersten Kind zum Beispiel betreut habe, und mir dann auf der Straße fast um den Hals fällt, weil sie sich so freut, dass sie wieder schwanger ist; oder im Wochenbett, wenn das Stillen endlich klappt - Es gibt eigentlich immer schöne Momente."
Ärzte und Hebammen: früher ein schwieriges Verhältnis
Allerdings gab es jedenfalls früher ein häufiges Ärgernis, sagt Ausbilderin Dorothea Tegethoff aus Kenntnis alter und auch neuerer Geschichte:
"Seit ich es verfolge, sind Hebammen eigentlich kontinuierlich dabei, gegen irgendwelche wie auch immer gearteten Bedrohungen ihres Berufes anzugehen. Wo eben es diese Konfrontation zwischen Hebammen und Ärzten gibt, da gibt es also wirklich auch bestürzende Dokumente, wie sich Ärzte über Hebammen äußern: Die sind alle dumm, die sind alle ungebildet, und das Problem war ja einfach, dass Frauen zu den entsprechenden Bildungseinrichtungen keinen Zugang hatten."
Bis auf Ausnahmen hat sich das positiv verändert. Zum einen ist die Ausbildung zur Hebamme längst umfassend, sie dauert drei Jahre. Zum anderen haben Ärzte inzwischen gesehen, wie vorteilhaft die Arbeitsteilung für alle Beteiligten ist. Während der Wehen etwa begleitet selbstverständlich eine Hebamme die Gebärende.
"Das Verhältnis zwischen den Hebammen und den ärztlichen Geburtshelferinnen und Geburtshelfern ist meistens ein sehr gutes", sagt Susanne Rinne-Wolf vom Hebammenverband. "Jeder profitiert von den Kompetenzen des oder der jeweils anderen, natürlich gibt es ab und an auch immer mal die eine oder andere Situation, wo das nicht ganz so gut klappt, aber meistens lässt sich das doch irgendwie regeln."
Nicht ausgeräumt ist jedoch der Streit zwischen Perinatalmedizinern und Hebammen über Nutzen und Gefahren von Hausgeburten.
So viele schöne Seiten der Beruf auch hat, so groß längst die Anerkennung der Hebammen ist: in manchen Regionen gibt es Nachwuchssorgen. Susanne Rinne-Wolf:
"Das mag auch ein bisschen dem geschuldet sein, dass die geburtenstarken Jahrgänge jetzt langsam durch sind, und nichtsdestotrotz war Hebamme immer noch so ein Beruf, wo wir wirklich viel, viel mehr Bewerberinnen hatten, als es Ausbildungsplätze gab. Je nachdem, wo der Standort der Hebammenschule ist, gibt es immer noch deutlich mehr Bewerberinnen und Bewerber, wir wissen aber auch von einigen kleinen Schulen, die dann eher im ländlichen Bereich sind, dass die wirklich mittlerweile mit Ach und Krach grad noch so ihre Kurse vollkriegen."
Selbstverständlich hat das auch mit der Arbeitsbelastung und der nicht gerade fürstlichen Bezahlung sowie den Berichten darüber zu tun.
"Entbindungspflege" - auch ein Job für Männer
Susanne Rinne-Wolf hat von "Bewerberinnen und Bewerbern" gesprochen. Auch Männer können nämlich den Hebammenberuf ausüben - sie heißen dann "Entbindungspfleger". Für manche Schwangere dürfte dies eine skurrile Vorstellung sein, aber für andere ist die männliche Hebamme gar nicht so ungewöhnlich:
"In anderen Ländern ist das gang und gäbe, ich glaube, wenn das Angebot mehr da wäre und wenn mehr Frauen positive Erfahrungen machen würden, dann wäre das gar nicht so ein Thema."