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Hebeln für die Euro-Rettung

In der Physik bezeichnet ein Hebel das Prinzip, mit einer geringen Kraft eine große Last zu bewegen. Das soll auch an den Finanzmärkten funktionieren. Mit einer Versicherungslösung könnte im Notfall die Kraft des Rettungsschirmes ESM verstärkt werden.

Von Brigitte Scholtes |
    Wenn die eigene Kraft nicht ausreicht, versucht man sie durch Hebelwirkung zu verstärken. Dieses Prinzip kennt man aus der Physik. Damit die Kraft des Rettungsschirms ESM ausreicht, will man darauf zurückgreifen. Die Idee dazu ist den Finanzministern schon beim ersten Euro-Rettungsschirm, dem EFSF, gekommen, und das ziemlich genau vor einem Jahr.

    Auch damals war den Regierungen klar, dass die Kraft des EFSF womöglich nicht reichen würde, wenn große Länder wie Spanien, vor allem aber Italien womöglich unter den Rettungsschirm schlüpfen müssten. Nach langem Hin- und Her nahm man deshalb in die Leitlinien des EFSF die Möglichkeit des Hebelns auf.

    Heute wie damals geht es dabei um eine Versicherungslösung. Dabei sollen die Mittel jetzt des ESM für eine Art Kreditausfallversicherung genutzt werden, die den privaten Investoren zugute käme. Diese könnten dann abgesichert in die entsprechenden Staatsanleihen investieren.

    Die zweite Möglichkeit der Absicherung: Man gründet eine Zweckgesellschaft, in der ebenfalls eine Kreditausfallversicherung installiert wird. Das wäre eine Art unterer Boden, der dann zuerst in Anspruch genommen würde, wenn ein Staat seine Anleihen nicht mehr bedienen kann. Es wäre also eine Art Fonds, der dann einspringen würde, erklärt Uwe Aengenendt, Chefvolkswirt der BHF-Bank:

    "Da würde sozusagen der Fonds das erste Risiko, das größte Risiko übernehmen, und den Rest der Risiken im Markt verkaufen. Das sind alles Lösungen, die im Prinzip auf das Gleiche hinauslaufen. Der risikobehaftete Teil bleibt immer beim Fonds, und deshalb würde dort das Risiko, dass die Garantie in Anspruch genommen wird, auch größer werden."

    Die Bundesregierung kann deshalb zwar davon sprechen, dass die vom Bundesverfassungsgericht genehmigte Haftungsobergrenze für Deutschland von 190 Milliarden Euro nicht überschritten werde, erklärt Nicolas Heinen, Volkswirt der Deutschen Bank:

    "Wer sagt, dass die Haftungsobergrenze von 190 Milliarden Euro unangetastet bleibt, der sagt das Richtige und doch nur die halbe Wahrheit. Denn durch den ESM-Hebel steigt innerhalb dieser Haftungsobergrenze das Ausfallrisiko und damit die möglichen Summen, die weg sind, wenn ein Land ausfällt."

    Man kann also versuchen, Investoren dazu zu bewegen, möglichst viel Geld für die Unterstützung von Krisenstaaten bereitzustellen. Aber schon beim EFSF hat sich gezeigt, dass die Investoren trotz der Absicherung kein großes Interesse daran hatten, Anleihen der Krisenländer zu kaufen, meint Volkswirt Heinen:

    "Damit der Hebel funktioniert, damit er wirken kann, brauchen Sie natürlich Investoren, die auch willens sind, in diese Hebellösung zu investieren. Und solange die Länder in der Eurozone sich noch nicht endgültig festgelegt haben, in welche Richtung es jetzt fiskalpolitisch und geldpolitisch gehen soll, solange werden auch Investoren sich auch von Hebellösungen fernhalten."

    Selbst wenn also auch in den Leitlinien des ESM die Möglichkeit eines Hebels aufgenommen wird, so ist damit nicht gegeben, dass er tatsächlich genutzt würde. Am Finanzplatz rechnet man erst einmal damit, dass der ESM Mitte Oktober mit seinem ungehebelten Volumen von 500 Milliarden Euro an den Start gehen wird.