Margurele ist ein kleiner Vorort im Süden Bukarests. Wären da nicht die vielen Antennen, niemand würde in jenem baufällig anmutenden Flachdachgebäude gleich gegenüber der Dorfkirche eines der bedeutendsten Forschungsinstitute Rumäniens vermuten. Das ist höchste Alarmstufe, sagt der Geowissenschaftler Adrian Grigore, der in dem mit allerlei Rechnern und seismischen Aufzeichnungsgeräten gespickten Kontrollraum gerade Dienst tut. Sofort stürmen, nachdem die Alarmmeldung gleich mehrfach ertönt ist, weitere Wissenschaftler in den Raum: "Cutremur de pmant" heißt das Schreckenswort, dass hinter dem Signal steht. Das ist Rumänisch und heißt: Erdbeben.
Wir finden hier in Rumänien eine ganz spezielle Situation vor. Es gibt bei uns im Land eine sehr abgegrenzte, sehr enge Region, die seismisch sehr instabil und dazu auch noch sehr, sehr tief ist. Das heißt: Im Gegensatz zu anderen gefährdeten Gebieten entstehen bei uns die Erdbeben nicht oben auf der Erdkruste, sondern erheblich tiefer. Wir sprechen von einer Größenordnung von etwa 100 Kilometern unter der Erde; das ist erheblich tiefer als andere Epizentren, die wir kennen. Eine andere Besonderheit besteht darin, dass diese seismisch sensible Zone, die so genannte Vrancea-Region im südöstlichen Karpatenbogen ziemlich weit von Bukarest entfernt liegt, vielleicht so 160 Kilometer. Die Erdbeben, die dort entstehen, sind aber sehr, sehr stark und können in Bukarest, aber auch in weiten Teilen des übrigen Rumäniens große Schäden anrichten Deshalb gilt Bukarest als eine der von Erdbeben am stärksten betroffenen Städte nicht nur in Europa, sondern auf der ganzen Welt....
... so Mircea Radulian, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Geowissenschaften Rumäniens. Drei schwere Beben mit Stärken von über 7,5 auf der Richterskala pro Jahrhundert, dazu jedes Jahr mindestens ein mittelschweres Beben - die Bewohner der rumänischen Hauptstadt müssen täglich damit rechnen, dass die Erde unter ihren Füßen aufs neue wackelt. Das allerdings hat vor rund acht Jahren auch deutsche Wissenschaftler auf den Plan gerufen. Experten vom Geophysikalischen Institut der Universität Karlsruhe, wo der DFG-Sonderforschungsbereich "Starkbeben" angesiedelt ist, arbeiten mit den rumänischen Forschern zusammen. Eines der Ziele: Die Entwicklung eines Frühwarnsystems für die Region Bukarest. "Sistem de Avertizare Seismica in Timp Real" nennen die Wissenschaftler vor Ort jene Anlage, die im Falle eines Starkbebens zumindest die schlimmsten Auswirkungen abmildern soll. Professor Gheorghe Marmureanu, Leiter des Bukarester Institutes:
Wir haben in den Bohrlöchern oberhalb des Spannungsgebietes seismische Messinstrumente installiert, die selbst kleinste Erdbewegungen sofort registrieren können. Diese Bohrlöcher sind 32 Meter tief. Dabei befinden sich die Sensoren jeweils am oberen und am unteren Ende eines Bohrloches. Das ist wichtig: Stellen Sie sich vor: Da fliegt einmal ein Flugzeug drüber. Auch das kann ja zu Vibrationen, zu Erschütterungen führen. Doch über den Sensor am unteren Ende wissen wir, dass das kein Beben ist. Die Daten dieser Sensoren werden dann über spezielle Leitungen sofort in unsere Zentrale hierher nach Bukarest gesendet.
Aufgrund der Entfernung des Epizentrums dauert es knapp unter einer Minute zwischen der Alarmmeldung, die sofort vorliegt, und dem Eintreffen der ersten Schockwellen - eine Minute, die nach dem Szenario des neuen Systems ausreichen muss, um lebensrettende Vorbeugemaßnahmen einzuleiten: Stopp der U-Bahn, Schließen von Gasleitungen, Stopp von Aufzügen. Das heißt aber auch: Alle diese Systeme müssen mit der Erdbebenzentrale verbunden und von dort gesteuert werden.
Nach dem derzeitigen Stand ist das Ganze lediglich ein Experiment. Wir können derzeit noch nicht von einer Sekunde zur anderen damit beginnen, beispielsweise den öffentlichen Nahverkehr zu stoppen oder die Einstellung von Operationen im Krankenhaus zu veranlassen. Wir müssen unser System so optimieren, dass wir uns im Falle eines Falles wirklich sicher sein können, dass ein Alarm vorliegt. Aber das System an sich ist in Ordnung, das ist eine sinnvolle Sache.
Das Bukarester Frühwarnsystem, an dem die deutschen und rumänischen Experten derzeit noch feilen, ist europaweit einzigartige. Allerdings lässt es sich auch nicht so ohne weiteres auf andere Erdbebengebiete übertragen.
Wenn das Epizentrum des Bebens näher an der Oberfläche der Erdkruste liegt, also so acht, zehn, zwölf Kilometer tief und sich die Schockwellen so mit acht Kilometer pro Sekunde fortbewegen, dann haben Sie in der Regel nur zwei Sekunden Zeit, zu reagieren.
Zwei Sekunden sind aber viel zu wenig, um irgendwelche Maßnahmen einzuleiten. Deshalb funktioniert das in Bukarest entwickelte System auch nur für die spezielle Anwendung in Rumänien, wo das Epizentrum genau lokalisiert ist und sich ungewöhnlich tief im Erdinneren befindet. Nur dadurch gewinnen die Forscher mit ihrem Verfahren genügend Zeit zwischen dem Eintreffen der Alarmmeldung und dem Ergreifen von Notmaßnahmen. Wann das Bukarester System aber soweit entwickelt sind, dass von der Alarmwarte im Institut aus tatsächlich unmittelbar U-Bahnen gestoppt und Gasleitungen geschlossen werden können, steht noch in den Sternen. Derzeit befindet sich das Alarmmeldesystem im Dauertest. Im Rechner, in dem die Daten verarbeitet werden, befinden sich Referenzaufzeichnungen vergangener Erdbeben, mit denen ein Abgleich erfolgt. Erst wenn sich die Experten sicher sind, dass Fehlalarme so gut wie ausgeschlossen werden können, lässt sich ernsthaft über eine Verknüpfung beispielsweise mit den städtischen Energieversorgungssystemen nachdenken - eine Aufgabe, die den Erdbebenforschern aus Bukarest noch sehr viel Arbeit abverlangt.
Wir finden hier in Rumänien eine ganz spezielle Situation vor. Es gibt bei uns im Land eine sehr abgegrenzte, sehr enge Region, die seismisch sehr instabil und dazu auch noch sehr, sehr tief ist. Das heißt: Im Gegensatz zu anderen gefährdeten Gebieten entstehen bei uns die Erdbeben nicht oben auf der Erdkruste, sondern erheblich tiefer. Wir sprechen von einer Größenordnung von etwa 100 Kilometern unter der Erde; das ist erheblich tiefer als andere Epizentren, die wir kennen. Eine andere Besonderheit besteht darin, dass diese seismisch sensible Zone, die so genannte Vrancea-Region im südöstlichen Karpatenbogen ziemlich weit von Bukarest entfernt liegt, vielleicht so 160 Kilometer. Die Erdbeben, die dort entstehen, sind aber sehr, sehr stark und können in Bukarest, aber auch in weiten Teilen des übrigen Rumäniens große Schäden anrichten Deshalb gilt Bukarest als eine der von Erdbeben am stärksten betroffenen Städte nicht nur in Europa, sondern auf der ganzen Welt....
... so Mircea Radulian, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Geowissenschaften Rumäniens. Drei schwere Beben mit Stärken von über 7,5 auf der Richterskala pro Jahrhundert, dazu jedes Jahr mindestens ein mittelschweres Beben - die Bewohner der rumänischen Hauptstadt müssen täglich damit rechnen, dass die Erde unter ihren Füßen aufs neue wackelt. Das allerdings hat vor rund acht Jahren auch deutsche Wissenschaftler auf den Plan gerufen. Experten vom Geophysikalischen Institut der Universität Karlsruhe, wo der DFG-Sonderforschungsbereich "Starkbeben" angesiedelt ist, arbeiten mit den rumänischen Forschern zusammen. Eines der Ziele: Die Entwicklung eines Frühwarnsystems für die Region Bukarest. "Sistem de Avertizare Seismica in Timp Real" nennen die Wissenschaftler vor Ort jene Anlage, die im Falle eines Starkbebens zumindest die schlimmsten Auswirkungen abmildern soll. Professor Gheorghe Marmureanu, Leiter des Bukarester Institutes:
Wir haben in den Bohrlöchern oberhalb des Spannungsgebietes seismische Messinstrumente installiert, die selbst kleinste Erdbewegungen sofort registrieren können. Diese Bohrlöcher sind 32 Meter tief. Dabei befinden sich die Sensoren jeweils am oberen und am unteren Ende eines Bohrloches. Das ist wichtig: Stellen Sie sich vor: Da fliegt einmal ein Flugzeug drüber. Auch das kann ja zu Vibrationen, zu Erschütterungen führen. Doch über den Sensor am unteren Ende wissen wir, dass das kein Beben ist. Die Daten dieser Sensoren werden dann über spezielle Leitungen sofort in unsere Zentrale hierher nach Bukarest gesendet.
Aufgrund der Entfernung des Epizentrums dauert es knapp unter einer Minute zwischen der Alarmmeldung, die sofort vorliegt, und dem Eintreffen der ersten Schockwellen - eine Minute, die nach dem Szenario des neuen Systems ausreichen muss, um lebensrettende Vorbeugemaßnahmen einzuleiten: Stopp der U-Bahn, Schließen von Gasleitungen, Stopp von Aufzügen. Das heißt aber auch: Alle diese Systeme müssen mit der Erdbebenzentrale verbunden und von dort gesteuert werden.
Nach dem derzeitigen Stand ist das Ganze lediglich ein Experiment. Wir können derzeit noch nicht von einer Sekunde zur anderen damit beginnen, beispielsweise den öffentlichen Nahverkehr zu stoppen oder die Einstellung von Operationen im Krankenhaus zu veranlassen. Wir müssen unser System so optimieren, dass wir uns im Falle eines Falles wirklich sicher sein können, dass ein Alarm vorliegt. Aber das System an sich ist in Ordnung, das ist eine sinnvolle Sache.
Das Bukarester Frühwarnsystem, an dem die deutschen und rumänischen Experten derzeit noch feilen, ist europaweit einzigartige. Allerdings lässt es sich auch nicht so ohne weiteres auf andere Erdbebengebiete übertragen.
Wenn das Epizentrum des Bebens näher an der Oberfläche der Erdkruste liegt, also so acht, zehn, zwölf Kilometer tief und sich die Schockwellen so mit acht Kilometer pro Sekunde fortbewegen, dann haben Sie in der Regel nur zwei Sekunden Zeit, zu reagieren.
Zwei Sekunden sind aber viel zu wenig, um irgendwelche Maßnahmen einzuleiten. Deshalb funktioniert das in Bukarest entwickelte System auch nur für die spezielle Anwendung in Rumänien, wo das Epizentrum genau lokalisiert ist und sich ungewöhnlich tief im Erdinneren befindet. Nur dadurch gewinnen die Forscher mit ihrem Verfahren genügend Zeit zwischen dem Eintreffen der Alarmmeldung und dem Ergreifen von Notmaßnahmen. Wann das Bukarester System aber soweit entwickelt sind, dass von der Alarmwarte im Institut aus tatsächlich unmittelbar U-Bahnen gestoppt und Gasleitungen geschlossen werden können, steht noch in den Sternen. Derzeit befindet sich das Alarmmeldesystem im Dauertest. Im Rechner, in dem die Daten verarbeitet werden, befinden sich Referenzaufzeichnungen vergangener Erdbeben, mit denen ein Abgleich erfolgt. Erst wenn sich die Experten sicher sind, dass Fehlalarme so gut wie ausgeschlossen werden können, lässt sich ernsthaft über eine Verknüpfung beispielsweise mit den städtischen Energieversorgungssystemen nachdenken - eine Aufgabe, die den Erdbebenforschern aus Bukarest noch sehr viel Arbeit abverlangt.