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Hekmatyar in Kabul
Die Rückkehr eines Kriegsherrn

Einer der berüchtigsten Kriegsherren in der Geschichte Afghanistans ist nach gut 20 Jahren im Exil wieder in Kabul: Gulbuddin Hekmatyar. Im Bürgerkrieg hatte er die Hauptstadt wochenlang mit Raketen beschießen lassen, Tausende starben. In Afghanistan verfolgt man seinen Wiedereinzug mit gemischten Gefühlen.

Von Silke Diettrich | 05.05.2017
    Gulbuddin Hekmatyar, Führer der Hizb-e-Islami of Afghanistan, bei einer Rede in Laghman, der östlichen Provinz in Afghanistan, am 29. April 2017.
    Gulbuddin Hekmatyar, Führer der islamischen Hizb-e-Islami. Für seine Kriegsverbrechen will er nicht um Entschuldigung bitten. Den Einsatz ausländischer Truppen im Land kritisiert er. (imago/Zuma)
    Eine Gruppe von jungen Männern steht am Straßenrand, unter ihren Armen klemmen zahllose Poster, die sie an Strommasten befestigen. Jetzt säumen unzählige Fotos die staubige Straße in Kabul, mit dem Konterfei von Gulbuddin Hekmatyar. Haji Nazir ist mit dem Werk sichtlich zufrieden: "Die Rückkehr von Hekmatyar nach Afghanistan ist eine Ehre für unser Land. Wir hoffen, dass nun endlich Frieden einkehrt."
    Kriegsfürst mit langer Vergangenheit
    Ein frommer Wunsch. Denn der Name Gulbuddin Hekmatyar ist erst im Februar dieses Jahres von der UN-Terrorliste gestrichen worden. Er ist ein Kriegsfürst mit einer langen Vergangenheit.
    Erst kämpfte er gegen die Sowjets im Land. Ausgestattet mit viel Geld aus den USA und Saudi-Arabien war er der bestfinanzierte Anführer der Mudschaheddin. Als dann der Bürgerkrieg in Afghanistan ausbrach, ließ Hekmatyar die Hauptstadt wochenlang mit Raketen beschießen.
    "Geplündert, vergewaltigt, gemordet"
    Die Kabuler Familien hätten ihre geliebten Angehörigen, die dabei gestorben sind, nicht vergessen, sagt Sediq Zaliq, er ist Dozent an der afghanischen Universität: "Die Menschen in Kabul können sich noch gut an die dunklen Zeiten des Bürgerkrieges erinnern, an dem Hekmatyar und andere Parteien beteiligt waren. Sie erinnern sich auch noch daran, dass damals 70.000 Einwohner von Kabul getötet wurden. Wenn Hekmatyar immer noch an die Macht der Gewalt glaubt und den Menschen die gleiche Katastrophe aufdrängt wie damals, wäre das fatal."
    Hekmatyars Männer hatten in der Stadt geplündert, vergewaltigt, gemordet. Daher sein Beiname: "Der Schlächter von Kabul".
    Friedensvertrag mit der afghanischen Regierung
    Nach dem Sturz der Taliban war Hekmatyar Anführer einer der brutalsten Widerstandsgruppen gegen die neue afghanische Regierung und die internationalen Truppen im Land.
    Gut 20 Jahre war er im Exil, letzten Herbst hat er einen Friedensvertrag mit der afghanischen Regierung unterschrieben. Darauf könne man auch vertrauen, sagt Abdul Hafiz, er ist Abgeordneter im afghanischen Parlament:
    "So wie ich Herrn Hekmatyar kenne, sieht es so aus: Wenn er mit Krieg Erfolg hätte und so seine persönlichen Ziele erreichen könnte, würde er jetzt nicht herkommen, um Frieden zu schließen."
    Islamistischer Hardliner und Kriegsverbrecher
    Hekmatyar ist ein islamistischer Hardliner. Er lehnt es entschieden ab, sich für die Kriegsverbrechen, die ihm zur Last gelegt werden, zu entschuldigen. Die Hoffnung der afghanischen Regierung ist, dass ein Zusammenschluss mit Hekmatyar auch den radikalislamischen Taliban zeigt, dass Frieden möglich ist.
    Dass ausgerechnet dieser Kriegsfürst, der auch mit den Taliban uneins war, dafür der Richtige sei, bezweifelt Abdul Ghafoor, der in Kabul lebt: "Dass Hekmatyar jetzt wieder hier ist, ist eine weitere Sorge und ein weiterer Schmerz für uns. Von dieser Regierung können wir eh nichts erwarten. Wenn die wirklich Frieden nach Afghanistan bringen will, muss sie Frieden schließen mit den Taliban und mit dem Islamischen Staat. Hekmatyar hat nicht mehr genügend Anhänger und er hat hier einen schlechten Ruf."
    Hekmatyar sieht Einsatz von US-Truppen kritisch
    Am Samstag sprach Hekmatyar das erste Mal nach seinem Exil in der afghanischen Öffentlichkeit. Er nannte den Kampf gegen die Taliban sinnlos und unrechtmäßig.
    Kritisch sieht der ehemalige Kriegsfürst den Einsatz der ausländischen Truppen im Land. Die USA habe selbst mit 150.000 Soldaten nichts in Afghanistan erreicht. Sie sollten wissen, dass dieser blutige Krieg keinerlei Erfolge für das Land gebracht habe.