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Heldenhaft

Drei internationale Wagner-Sängerinnen und -sänger stellen sich auf aktuellen Solo-CDs vor.

Von Frank Kämpfer | 03.07.2005
    * Musikbeispiel: Wagner - aus: "Tristan und Isolde"

    Liebe als utopische Seins-Form, nicht gegenwartsfähig in liebesfeindlichen Gefilden. Nicht lebbar denn anders als ein Vorgriff, als Projektion, als Grenzüberschreitung. Isolde, Tristan. Tristan, Isolde. Die Frauenfigur hat sich dem Liebesansinnen ihres Königs entzogen. Der, den sie liebt, ist ein Staatsfeind; Bisheriges hat er hinter sich gelassen, er bewegt sich an der Grenze zwischen dem Leben und dem, was danach kommt, zwischen dem wahrscheinlichen Tod und dem utopisch Ersehnten.

    Wagners Musikdrama "Tristan und Isolde" ist je nach Zeitgeist und Zugriff verschieden zu deuten. Deborah Polaski interpretiert die weibliche Titelfigur weniger als eine von ungestümen Emotionen gejagte Heroin - sondern vielmehr als Partnerin, die nicht mehr nur Stichwortgeberin ist für die Männer, sondern eine Gleichwertige darstellt im Diskurs um Liebe, Tod, menschliches Sein.

    Die amerikanische Sopranistin arbeitet dabei die leisen, lyrischen Momente heraus. Sie meistert die mittleren und tiefen Passagen vorzüglich und gibt der berühmten Opernfigur ein modifiziertes Gesicht. Polaski, die Anfang der 80er Jahre an kleineren deutschen Bühnen wie Freiburg, Karlsruhe und Darmstadt begann, hat diese Partie bereits viele Male gesungen - in ihrer von übrigens gemächlichem Tempo geprägten Karriere auch in Bayreuth, und dort so oft wie keine zweite Hochdramatische seit 90 Jahren.

    Vorliegende CD - im Superaudioformat produziert - resultiert allerdings aus der Arbeit Deborah Polaski’s am Teatro del Liceu in Barcelona. Die Sopranistin sang hier die Isolde im Sommer 2002 unter der Stabführung von Bertrand de Billy, der hier auf der CD das Rundfunksinfonie-Orchester aus Wien dirigiert. Und auch die Dritte im Bunde war in Barcelona dabei - die gebürtige Schweizerin Heidi Brunner, die hier die Brangäne darstellt. Die an Duo-Szenen reiche Highlight-CD beleuchtet Wagner’s Oper aus der Perspektive der Frauen: es singt eine Isolde darauf ganz ohne Tristan, die ihre innigste Ambition im Duett mit Brangäne durchlebt oder - wie hier im berühmten Finale - allein.

    * Musikbeispiel: Wagner - aus: "Tristan und Isolde"

    Deborah Polaski singt Szenen aus Wagners Tristan - die SACD wurde mit dem RSO Wien unter Bertrand de Billy produziert und ist beim deutschen Label OEHMS classics erschienen.

    Wagnergesang mit modernem Verständnis verkörpert in gewisser Hinsicht auch der noch junge Finne Tommi Hakala. Sein leichter schlanker Bariton prädestinierte ihn, vor kurzem an der Leipziger Oper die Partie des Wolfram in Wagners "Tannhäuser" zu singen. Zweifellos ist dies keine Figur, die Extreme birgt oder stimmlich erfordert. Im Lied an den Abendstern allerdings kann Hakala überzeugend beweisen, dass auch ein Highlight auf ernste, ernstzunehmende Art interpretiert werden kann - auch wenn der Theaterkontext ganz fehlt. Der folgende Musikausschnitt findet sich auf einer höchst solide gearbeiteten Solo-CD, auf der sich der Gewinner des BBC Singers of the World 2003 in Cardiff allerdings hauptsächlich als Sänger italienischen Repertoires vorstellt, für den Wagner bisher nur einen Einzelfall darstellt.

    * Musikbeispiel: Wagner - aus "Tannhäuser"

    Tommi Hakala und das Philharmonische Orchester von Tampere unter Erik Klas mit Wolframs "Lied an den Abendstern". Die Porträt-CD des jungen Finnen bietet des Weiteren Bariton-Arien von Mozart, Verdi, Gounod und Puccini und ist beim finnischen Label Ondine erschienen.

    Zuletzt eine Wagner-Interpretin, die zu den langjährigen Stars an einem osteuropäischen Opernhaus zählt: an der Budapester Staatsoper. Mária Temesi, geboren in Szeged, debütierte hier 1982 viel versprechend in der Rolle der Elsa in Wagners Lohengrin. Opernbetrieb und Wagner-Verständnis, wie sie die junge Sopranistin hier erlebte, waren anfangs sehr traditionell. Der Unterricht bei Ilona Adorján aus Cluj und die Verehrung für Maria Callas taten das ihre dazu. Andererseits hat Mária Temesi neun Jahre an deutschen Bühnen gesungen und in der szenischen Arbeit vor allem mit Regisseurin Christine Mielitz in Dresden und an der Komischen Oper Berlin ein neues Verständnis als Sänger/Darstellerin kennen gelernt. Erfahrungen waren dies, die ihrem Engagement als Sieglinde wie als Brünnhilde beim neuen, modernen Budapester Ring Mitte der 90er Jahre zu Gute kamen. - Inzwischen nämlich hat Musiktheaterregie auch Ungarn erreicht und alter Wagner-Konvention ist neuen Herangehensweisen gewichen.

    Temesis Solo-CD gleicht einer Rückschau. Die mit Klangkörpern des Ungarischen Rundfunks unter Yuri Simonov eingespielten Titel erinnern ein gut Teil Budapester Operngeschichte - es sind neu eingespielte Highlights aus jenen Partien, in denen Mária Temesi in 25 Jahren an der Donau brillierte. - Hier als Beispiel Brünnhilde’s ergreifend-aufstörender Schlussgesang aus Wagners Götterdämmerung.

    * Musikbeispiel: Wagner - aus: "Götterdämmerung"

    Richard Wagner - "Tristan und Isolde - Highlights"
    Solistinnen: Deborah Polaski
    Heidi Brunner
    Orchester: Rundfunksinfonie-Orchester Wien
    Leitung: Bertrand de Billy
    Label: OEHMS classics
    Labelcode: LC 12424
    Bestellnr.: CD OC 602

    "Tommi Hakala - Berühmte Bariton-Arien"
    Solist: Tommi Hakala
    Orchester: Philharmonisches Orchester Tampere
    Leitung: Erik Klas
    Label: Ondine
    Labelcode: LC 3572
    Bestellnr.: CD Ode 1048-2

    "Wagner Heroines"
    Solist: Mária Temesi
    Orchester: Ungarisches Rundfunk-Sinfonieorchester
    Leitung: Yuri Szimonov
    Label: Hungaroton
    Labelcode: LC 01181
    Bestellnr.: HCD 32317