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Hell wie 10.000 Sonnen

Technik. - Am Paul-Scherrer-Institut bei Zürich haben Solarforscher jetzt einen Sonnensimulator in Betrieb genommen, der auf einem Fleck zehntausendmal soviel Energie konzentrieren kann, wie die Sonne einstrahlt. Mit der Anlage wollen die Wissenschaftler zunächst Fragen der Wasserstoffherstellung mit Hilfe des Sonnenlichts untersuchen. Aber auch für Materialwissenschaft und andere Forschungen soll sie dienen.

Von Thomas Wagner | 04.11.2005
    Hinter der halbtransparenten Schutzwand sieht er aus wie ein riesiger Weihnachtsbaum mit zehn großen Kristallkugeln, die man allerdings in der Mitte durchgeschnitten hat. Doch die vermeintlichen Christbaumkugeln entpuppen sich beim genaueren Hinsehen als riesige Xenon-Lampen, die jeweils mit einem großen Parabolspiegel umgeben sind.

    "Wir haben im Zentrum des Brennflecks eine Konzentration, die der Konzentration von 10.000 Sonnen entspricht. Also das ist 10.000 Mal ein Kilowatt pro Quadratmeter, also zehn Megawatt pro Quadratmeter Flussdichte, die auf diesen Brennfleck fällt."

    Das Licht aller zehn Xenon-Lampen, weiß Toni Meier vom Labor für Solartechnik am Schweizerischen Paul-Scherrer-Institut, wird durch die Parabolspiegel auf einer Fläche von wenigen Quadratzentimetern gebündelt. Nur so läßt sich diese hohe Leistung erreichen - 10.000 Mal so hoch wie die Leistung eines gewöhnlichen Sonnenstrahls, wenn er auf der Erde auftrifft. Damit ist der Solarsimulator in der Nähe von Zürich die stärkste künstliche Sonne der Welt. Im Gegensatz zu herkömmlichen Solaröfen, die das natürliche Sonnenlicht bündeln, hat die "künstliche Sonne" aus Sicht der Wissenschaft einige Vorteile. Meier:

    "Wir können dann kontrolliert unsere Experimente durchführen, unter kontrollierten Bedingungen. Das heißt: Wir sind nicht abhängig vom Wetter, von der Sonnenscheindauer. Sondern wir können Tag und Nacht Experimente durchführen. Es gibt uns die Möglichkeit, unsere Kapazität zu erweitern. Wir können mehr Forschung machen. Wir können auch auswärtige Benutzer in unseren Anlagen forschen lassen. Das sind eigentlich zwei Hauptgründe."

    Zu forschen gibt es mit dem neuen Solarsimulator genug. Hauptsächlich geht es dabei um die Frage: Wie läßt sich die Solarenergie, die praktisch unbegrenzt zur Verfügung steht, so speichern, dass man sie zu jeder Zeit an jedem beliebigen Ort nutzen kann ? Am Paul-Scherrer-Institut laufen unter dieser Fragestellung Versuche, wie sich aus Solarenergie Wasserstoff als Energieträger gewinnen läßt. Dabei erscheint das vermeintlich einfachste Verfahren, nämlich die Aufspaltung von Wasser unter hohen Temperaturen in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff, als denkbar ungeeignet. Christian Wieckert beschäftigt sich am Paul-Scherrer-Institut mit solaren Verfahrenstechniken:

    "Das ist ein Prozess, der äußerst schwierig ist. Zum einen braucht man sehr hohe Temperaturen oberhalb von 3000 Grad. Und zum anderen erhält man dann eine Mischung aus Wasserstoff und Sauerstoff als Produkt, die explosiv ist, die auch sehr schwer zu trennen ist. Man müßte praktisch den Wasserstoff abtrennen vom Sauerstoff bei hohen Temperaturen. Und das ist ein äußerst schwieriger Prozess."

    Doch es geht auch einfacher. Davon sind die Schweizer Wissenschafter fest überzeugt. Sie erproben zur Wasserstoffgewinnung ein zweistufiges Verfahren. Dabei wird die gebündelte Solarenergie zunächst dazu genutzt, um das in der Natur reichlich vorkommende Zinkoxid aufzuspalten in Zink und Sauerstoff. Christian Wieckert:

    "Das wird also aus Zinkoxid, das ist also ein spezielles Zinkerz auch, hergestellt, indem dann einfach bei hoher Temperatur diese Zinkoxyd zerfällt. Und man kann dann das Zink, das dabei entsteht, aus dem Abgas auskondensieren und hat dann dieses Zink, was dann einen Energieinhalt hat, den man zum Beispiel dazu nutzen kann, um Wasserstoff aus dem Zink wieder herzustellen."

    Dabei wird Wasserdampf über das Zink geleitet. Das bindet den Sauerstoff wieder an sich: Als Restprodukte entstehen Zinkoxid und reiner Wasserstoff, so wie man ihn beispielsweise zum Betrieb einer Brennstoffzelle benötigt. Die Vorteile des Verfahrens sind offenkundig: Die Prozesstemperaturen sind viel niedriger, es entsteht zudem kein gefährliches Knallgasgemisch, der Wasserstoff muss von keinem anderen Gas getrennt werden. Und: Das energiehaltige Zink, das man für den Prozess benötigt, läßt sich durch Sonnenenergie gewinnen. Der Verfeinerung dieses Verfahrens dient unter anderem der neue Solarsimulator - ein zukunftsträchtiges Forschungsfeld, findet Christian Wieckert vom Paul-Scherrer-Institut:

    "Davon gehen wir aus. Wir haben diesen Prozess ausgewählt aus einer Vielzahl von Varianten, die in Frage kommen, und sind der Meinung, dass er sehr vielversprechend ist. Wir sind jetzt dabei, zum ersten Mal in einer Pilotanlage eine vereinfachte Variante von diesem Prozess zu studieren und sind schon der Meinung, dass das sehr vielversprechend aussieht."

    Parallel erforschen die Schweizer Experten die Möglichkeit, aus dem durch Solarenergie gewonnenen reinen Zink direkt elektrische Energie zu gewinnen. Dabei erfolgt die Reaktion des Zink mit Sauerstoff in einem elektrolytischen Prozess, bei dem Strom freigesetzt wird. Winzige Zinkbatterien, die beispielsweise in Hörgeräten im Einsatz sind, funktionieren bereits nach diesem Prinzip. Mit dem neuen Solarsimulator wollen die Wissenschaftler Zinkbatterien mit erheblich höheren Kapazitäten entwickeln. Daneben, so Christian Wieckert, eröffnet dieses "größte Solarium der Welt" ganz in der Nähe von Zürich neue Perspektiven auch in der Materialforschung:

    "Man kann ja auch diese Anlage nutzen, um Materialuntersuchungen zu machen, Materialuntersuchungen bei sehr hohen Temperaturen. Man kann diese Lampen plötzlich einschalten und mit sehr hohen Temperaturgradienten arbeiten, was auch bei Materialforschungsfragen sehr interessant ist: Also Thermoschock, Beständigkeit von Materialien untersuchen und so weiter."