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Hellenbroich: "Man kann effektiver arbeiten"

Angesichts der Terrorgefahr hat Heribert Hellenbroich, ehemaliger Präsident des BND und des Bundesamtes für Verfassungsschutz, gefordert, das Bundeskriminalamt, der Bundesnachrichtendienst und das Bundesamt für Verfassungsschutz müssten enger zusammenarbeiten. Die föderale Struktur Deutschlands sei bei der Verbrechensbekämpfung hinderlich. Um effektiver arbeiten zu können, müsse das Kompetenzgerangel zwischen Bund und Ländern beendet werden, betonte Hellenbroich.

    Durak: Ist denn Europa gegenüber Terroristen tatsächlich so schutzlos, wie es der stellvertretende israelische Ministerpräsident Peres gestern in einem Zeitungsinterview beschrieben hat? Er sagt, Europa braucht eine eigene Sicherheitsarchitektur, einen gemeinsamen europäischen Nachrichtendienst und eine eigene Antiterroreinheit. Der Westen sei einfach zu wenig gemeinsam gerüstet gegen die islamistisch-terroristische Gefahr. Wie sieht das mit Blick auf die deutschen Verhältnisse Heribert Hellenbroich? Er ist ehemals Präsident des BND und auch des Bundesamtes für Verfassungsschutz gewesen. Herr Hellenbroich, der Terroranschlag in Deutschland, auf den viele mit Angst schauen, obwohl es ihn gar nicht gibt. Er ist kaum auszuschließen, aber wie wahrscheinlich ist er?

    Hellenbroich: Ja, wie gesagt, nicht auszuschließen. Wir sind zwar nicht unbedingt in der Bedrohungskette drin wie eben die USA, Großbritannien und vielleicht noch Dänemark und Italien. Aber das heißt nicht, dass wir hier so eine Insel der Ruhe wären, sondern wir müssen durchaus davon ausgehen, dass die Bedrohungslage auch für uns hier in Deutschland besteht.

    Durak: Hat Peres Recht, wenn er meint, wir bräuchten einen gemeinsamen europäischen Nachrichtendienst, eine eigene europäische Antiterroreinheit, die in allen EU-Ländern sozusagen auf Abruf tätig werden kann?

    Hellenbroich: Das ist, glaube ich, eine ziemliche Spekulation oder eine Illusion, so etwas herzurichten. Sie wissen, dass die Europäische Union aus souveränen Staaten besteht, und gerade Nachrichtendienste sind ein sehr empfindliches Instrument, auf das kein Land verzichten will. Also das ist eine ziemlich illusorische Geschichte, das brauchen wir auch nicht. Allerdings brauchen wir einen engeren Verbund unter den Nachrichtendiensten Europas. Es gibt natürlich schon gemeinsame Konferenzen und ähnliches, aber jedes Land wacht eifersüchtig darüber, dass die eigenen Befugnisse nicht angetastet werden. Es spielen auch eine große Rolle der Quellenschutz. Das heißt, jedes Land muss sehen, dass die Quellen, die es hat, nicht öffentlich werden. Das ist ja logisch. Also ich halte das nicht für notwendig, aber - das ist das Problem - wir müssten auf nationaler Ebene, wie es in anderen Ländern schon der Fall ist - siehe Frankreich -, etwas enger zusammenrücken, das Bundeskriminalamt, der Bundesnachrichtendienst und das Bundesamt für Verfassungsschutz. Es gibt zwar gemeinsame Lagezentren, aber es muss verdichtet werden.

    Durak: Der Bundesinnenminister hätte gerne sehr viel mehr Befugnisse für das BKA. Stimmen Sie ihm da zu?

    Hellenbroich: Absolut. Bisher, ich übertreibe es mal ein bisschen, ist das Bundeskriminalamt eine Sammelstelle, aber hat im präventiven Bereich keine eigentlichen Befugnisse, von der Strafverfolgung abgesehen, und das müsste erweitert werden.

    Durak: Wenn wir so eine gemeinsame Koordination für Europa schaffen sollten, eventuell irgendwann einmal nützlicher ausbauen, ist das föderale System in Deutschland - die Polizeibefugnisse der Länder, das Bundeskriminalamt dort, es gibt ja Streit zwischen all diesen Diensten - eher hinderlich?

    Hellenbroich: Das muss man schon so sagen. Ich nehme jetzt das Beispiel Verfassungsschutz. Sie wissen, wir haben das Bundesamt und wir haben 16 eigene Landesbehörden für Verfassungsschutz. Das ist eine föderale Struktur, die wohl einmalig auf der Welt ist. Es ist sehr hinderlich in der Arbeit, das sage ich ganz klar. Das ist ein Relikt aus der Besatzungszeit. Damals haben die Briten verlangt, dass die Bundesrepublik sich föderativ strukturiert. Aber ich denke, das ist überholt, und wir müssen darüber nachdenken, jedenfalls den Verfassungsschutz zu konzentrieren.

    Durak: Welchen Nutzen bringt das konkret?

    Hellenbroich: Nun, das bringt zunächst konkret, dass diese ständigen Kompetenzrangeleien zwischen Bund und Ländern, die ich ja nun lange genug kennen gelernt habe, wegfallen. Man kann effektiver arbeiten. Ein Beispiel: Das Bundesamt kann jetzt nicht so ohne Weiteres in Bayern oder Schleswig-Holstein observieren. Es muss sich mit dem jeweiligen Land zusammensetzen, und das hält auf, das ist schwerlich. Also ich halte es für nachdenkenswert, jedenfalls den Verfassungsschutz sehr viel konzentrierter zu organisieren.

    Durak: Brauchen wir schärfere Sicherheitsgesetze?

    Hellenbroich: Da sehe ich eigentlich keinen Anlass für. Das Einzige ist jetzt vielleicht die Telefonüberwachung. Sie wissen, dass gerade Großbritannien im Vorfeld jetzt dieser Anschläge sehr weiträumig und breit gefächert abgehört hat. Ich glaube, da müssten wir noch ein bisschen etwas daran tun, auch diese Möglichkeiten bei uns zu schaffen.

    Durak: Wie weit wollen Sie denn da gehen? Es gibt ja heute in Karlsruhe das Urteil zur präventiven Telefonüberwachung, für Niedersachsen zwar, aber andere Bundesländer schauen sehr aufmerksam da hin.

    Hellenbroich: Ja, das muss man abwägen. Ich habe jetzt irgendwo auch gelesen, die Bundesrepublik muss präventiv tätig werden, aber bitte keine Überwachung. Das schließt sich gegenseitig aus. Also da müssten die Möglichkeiten doch breiter gefächert werden. Ich verlange nicht, dass jetzt jeder Bundesbürger ohne jeden Anlass überwacht wird, um Gottes Willen, aber dass die Voraussetzungen zur Anordnung einer Überwachung etwas gelockert werden, halte ich schon für richtig. Es ist schade. Der Bürger erwartet natürlich, dass seine Rechte gewahrt werden, aber wir sind in einer Bedrohungssituation.

    Durak: Wer soll entscheiden, wann präventiv abgehört wird?

    Hellenbroich: Das müsste man gesetzlich festlegen, den Rahmen, wo man abhören kann, weiterzufassen. Bisher ist es sehr streng. Es müssen konkrete Dinge vorliegen usw., und das ist nun mal in diesem Fall nicht immer so gewährleistet.

    Durak: Es gibt ja einige Bundesländer, die tun das bereits und werden deshalb kritisiert. Deshalb gibt es in Karlsruhe heute das Urteil.

    Hellenbroich: Das ist so. Man wehrt sich, man will nicht überwacht werden, auf der anderen Seite verlangt man den Schutz der Bevölkerung und größere Sicherheit, und da sage ich, je gespannter die Bedrohungslage - und in dieser Situation befinden wir uns -, desto eher muss auf diese Möglichkeiten zurückgegriffen werden. Das heißt ja nicht, dass wahllos abgehört werden soll, sondern es müssen schon Momente vorliegen, aber eben in einem breiteren Maße, als es jetzt geschieht.

    Durak: Was halten Sie vom Gedanken, die Bundeswehr im Inneren für den Antiterrorkampf einzusetzen? Heute wird berichtet, erste SPD-Parlamentarier würden sich doch eher der Idee zuwenden. Bisher gibt es ja ein striktes "Nein" von dort.

    Hellenbroich: Ich würde auch sagen, die Bundeswehr ist nicht darauf trainiert, intern Antiterrorismus zu betreiben usw. Die Bundeswehr hat die äußere Sicherheit zu gewährleisten. Ich denke, dass unsere Polizei in der Lage ist, hier ausreichend reagieren zu können.

    Durak: Besten Dank für das Gespräch.