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Henkel: Halte nichts von Doppelspitzen

Der ehemalige BDI-Präsident Hans-Olaf Henkel sieht die neue Doppelspitze der Deutschen Bank mit dem Inder Anshu Jain und dem Deutschen Jürgen Fitschen kritisch. Seine persönliche Erfahrung ist, "dass das meistens nicht besonders gut geht". Im Gegenzug hält er Josef Ackermanns Einzug in den Aufsichtsrat für einen "genialen Schachzug".

Hans-Olaf Henkel im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 26.07.2011
    Tobias Armbrüster: Bei der Deutschen Bank, dem führenden deutschen Finanzinstitut, steht offenbar das Ende einer Ära bevor. Der Aufsichtsrat hat beschlossen, dass die Bank künftig von einer Doppelspitze geführt werden soll. Wenn im kommenden Jahr Josef Ackermann seinen Posten als Vorstandsvorsitzender aufgibt, dann werden der Investment-Banker Anshu Jain und der Deutschland-Chef der Bank Jürgen Fitschen das Ruder übernehmen.
    Am Telefon kann ich jetzt mit Hans-Olaf Henkel sprechen, er ist Buchautor und ehemaliger Chef des BDI. Schönen guten Tag, Herr Henkel.

    Hans-Olaf Henkel: Hallo! Schönen guten Tag, Herr Armbrüster.

    Armbrüster: Herr Henkel, Anshu Jain - viele Leute hören diesen Namen heute zum ersten Mal und wundern sich vielleicht -, ein Mann mit indischem Namen an der Spitze der mächtigsten deutschen Bank, ein Mann noch dazu, der nicht Deutsch spricht. Ist das ein Gezeitenwechsel in der deutschen Finanzwirtschaft?

    Henkel: Ach, ich halte die Entwicklung für gut, und so neu ist sie ja auch nicht. Man darf nicht vergessen: Es gab schon eine Reihe von ausländischen Chefs großer deutscher DAX-Unternehmen, ich erinnere an Professor Siehle, einem Österreicher, der mal die Firma Henkel geleitet hat. An der SAP-Spitze stehen heute auch zwei Ausländer und von Herrn Piech wissen wir ja schon seit Jahren, dass er erfolgreich Volkswagen führt, und auch Siemens wird heute von einem Österreicher geleitet. Also ich finde das normal in der Globalisierung und ich finde es gut.

    Armbrüster: Aber Anshu Jain spricht nicht Deutsch. Wie wichtig ist das?

    Henkel: Ja, das ist natürlich nicht so schön wie jemand, der auch Deutsch spricht. Auf der anderen Seite müssen wir klar erkennen, dass die Geschäftssprache, die internationale Geschäftssprache sowieso Englisch ist, und ich sehe da keinen großen Nachteil drin.

    Armbrüster: Das heißt, wird im Vorstand der Deutschen Bank schon heute Englisch gesprochen?

    Henkel: Das kann ich nicht beurteilen, das weiß ich nicht. Ich weiß, dass es in einigen deutschen DAX-Firmen immer mal wieder Perioden gegeben hat, wo man tatsächlich in Vorstandssitzungen auch Englisch gesprochen hat, und ich vermute mal, das wird immer öfter auch der Fall sein. Wir dürfen nicht vergessen: Indien ist inzwischen das zweitgrößte Land, es ist ein Riesenfaktor in vielen Branchen, zum Beispiel in der Informationstechnik, wo ich mich ganz gut auskenne, und ein aufstrebendes Land. Eigentlich können wir froh darüber sein und auch ein bisschen stolz, dass es möglich war, an der Spitze dieses traditionellen Instituts einen Inder demnächst zu haben. Auf der anderen Seite möchte ich auch mal sagen: Es ist natürlich auch schön, wenn entsprechend viele Deutsche an der Spitze ausländischer Firmen stehen würden, und das ist leider nicht der Fall. Da haben wir im Augenblick nur Klaus Kleinfeld anzubieten, der auch Alcoa in den Vereinigten Staaten führt.

    Armbrüster: Woran liegt das denn, dass deutsche Spitzenkräfte nicht so oft in ausländischen Unternehmen an die Spitze kommen?

    Henkel: Ja, es gibt Vorbehalte in allen Ländern, das muss man sagen. Die gab es in Deutschland, die gibt es auch in den Vereinigten Staaten. Ich selbst habe mein Leben lang für ein amerikanisches Unternehmen gearbeitet und habe es bis zur Position des Vizepräsidenten geschafft. Aber man machte mir dann doch ziemlich schnell klar, dass ich niemals als Deutscher die Chance haben würde, an die Spitze des Unternehmens zu kommen. Das ist nun schon 15 Jahre her, die Geschichte. Ich glaube, es ändert sich überall, und ich halte das wirklich auch für eine sehr gesunde Entwicklung.

    Armbrüster: Die Deutsche Bank stellt Anshu Jain nun einen zweiten Mann zur Seite. Heißt das, dass man dort doch auch etwas vorsichtig noch ist und Anshu Jain sozusagen nicht allein an die Spitze lassen will?

    Henkel: Das mag sein. Ich persönlich, muss ich Ihnen sagen, halte von Doppelspitzen überhaupt nichts. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir mal zwei Bundeskanzler hätten, oder zwei Dirigenten, die gleichzeitig versuchen, ein Orchester zu dirigieren, oder zwei Fußball-Trainer. Und meine persönliche Erfahrung - ich habe das schon öfter beobachtet - ist, dass das meistens nicht besonders gut geht. Also ich halte das nicht für glücklich.
    Auf der anderen Seite muss man eines sagen: Ich halte es für einen wirklich genialen Schachzug, dass man Herrn Ackermann gebeten hat, nun den Aufsichtsratsvorsitz zu übernehmen. Das wird viele dieser Probleme, die normalerweise auftauchen könnten, wahrscheinlich im Keim ersticken können.

    Armbrüster: Aber viele Kritiker sagen, dass damit ja, mit diesem Schritt genau, gegen die Regeln verstoßen wird, dass der Vorstandschef künftig den Aufsichtsrat leiten soll. Wie schwer ist dieser Regelverstoß?

    Henkel: Es ist ja kein Regelverstoß, wenn man sich von der Hauptversammlung 25 Prozent der Stimmen holt, die dem dann zustimmen. Das ist ja eine Voraussetzung. Das heißt, die Deutsche Bank hat durchaus die Möglichkeit, im Regelwerk das zu veranstalten. Dafür ist ja dieses Quorum von 25 Prozent auch geschaffen.

    Armbrüster: Aber, Herr Henkel, kann der Aufsichtsrat denn noch kritisch urteilen, wenn er künftig ausgerechnet vom ehemaligen Vorstandschef geleitet wird?

    Henkel: Das hängt immer davon ab. In diesem Falle möchte ich sagen, das ist durchaus möglich. Wir haben ja im Vorfeld auch über die Presse immer wieder erfahren, dass es an Kritik innerhalb dieses Aufsichtsrats auch nicht gemangelt hat. Man hat gegenseitig sich die Meinung gesagt und wohl auch dem Vorstand gegenüber. Und ich persönlich halte es angesichts der besonderen Entwicklung und Bedeutung der Deutschen Bank auch für richtig, in diesem Falle Herrn Ackermann in diese Position zu bekommen, denn er ist ja - übrigens ist er auch schon Ausländer; das darf man auch nicht vergessen; er ist ja auch kein Deutscher, sondern Schweizer - auch ein Ratgeber der Politik, und ich glaube, in dieser Situation - wir haben ja immer noch mit der Euro-Krise, mit Verschuldungskrisen und mit Finanzkrisen zu kämpfen - ist er nach meiner Meinung ein unverzichtbarer Ratgeber.

    Armbrüster: Aber die Frage ist doch: Ist er überhaupt, kann er unabhängig sein gegenüber dem künftigen Vorstand als ehemaliger Vorstandschef?

    Henkel: Also ich habe das Gefühl, dass er seine Unabhängigkeit immer wieder bewiesen hat, sowohl innerhalb des Unternehmens, als auch gegenüber der Politik, und seine Unabhängigkeit hat ihn ja, wie wir alle wissen, auch öfter mal in Schwierigkeiten gebracht. Ich erinnere mich vor allen Dingen an seine Aussage damals, auf Staatshilfe verzichten zu wollen. Und Sie werden sich vielleicht daran erinnern, ich tue es jedenfalls, dass er für diese Aussage kritisiert wurde - er hätte eigentlich dafür gelobt werden müssen -, dass er dem deutschen Steuerzahler nicht auf die Tasche fällt. Also ich glaube, da machen Sie sich mal gar keine Gedanken. Das hängt immer von der Situation und der Person ab. Bei der Person Ackermann habe ich nicht die geringsten Bedenken.

    Armbrüster: Letzte Frage, noch mal zurückkommend auf Anshu Jain. Der kommt aus dem Investment-Banking. Ist er vertraut mit dem harten Finanzgeschäft in der Londoner City? Wird sich die Deutsche Bank unter ihm verändern?

    Henkel: Mit Sicherheit, und das ist wahrscheinlich auch nötig. Jeder Wechsel an der Spitze sollte ja auch zu einer Anpassung des Unternehmens führen. Die Situationen ändern sich, die Abhängigkeit vom Investment-Banking der Geldinstitute ist dramatisch gewachsen und umgekehrt ist auch die Abhängigkeit der Realwirtschaft von den Leistungen dieser Personen immer abhängiger geworden. Also ich nehme an, dass aus der Deutschen Bank in zunehmendem Maße ein internationales, global agierendes Geldhaus wird, und das ist eigentlich auch gut für die Deutschen, dass wir dann ein solches Institut haben, was in der großen Liga der internationalen Geldhäuser mitspielen kann.

    Armbrüster: Das Investment-Banking hat ja vor allem durch die Finanzkrise so ein bisschen ein etwas verruchtes Image bekommen. Ist das jetzt vorbei?

    Henkel: Nein! Ich muss Ihnen sagen, ich war genauso enttäuscht von der Leistung dieser Kollegen, wobei wir wissen müssen, darauf lege ich noch mal Wert: Die Deutsche Bank ist nicht in diese Schwierigkeiten geraten. Die Deutsche Bank ist dem Steuerzahler nicht auf die Tasche gefallen und die Deutsche Bank hat sich hervorragend in der Finanzkrise geschlagen. Anderen ist es nicht gelungen, insofern muss man hier ein bisschen vor der Sippenhaftung auch warnen.

    Armbrüster: Hier bei uns im Interview war das Hans-Olaf Henkel, der ehemalige Chef des BDI. Besten Dank, Herr Henkel, für das Gespräch!

    Henkel: Bitte schön!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.