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Henkel: Mehrzahl der Manager wird moderat bezahlt

Der ehemalige Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Hans-Olaf Henkel, hat die Debatte um die Höhe der Managergehälter kritisiert. Im internationalen Vergleich werde die überwältigende Mehrzahl der deutschen Unternehmensführer vernünftig bezahlt, sagte Henkel.

Moderation: Jürgen Zurheide |
    Jürgen Zurheide: Die Managergehälter sorgen für heftige Aufregungen. Soll oder muss die Politik sich da einmischen oder ist das, wenn die Politik sich denn einmischt, nicht mehr als billiger Populismus? Das ungefähr ist die Spannbreite der Diskussion. Über diese Thema wollen wir reden und dazu begrüße ich am Telefon Hans-Olaf Henkel, den früheren Präsidenten des BDI, guten Morgen, Herr Henkel.

    Hans-Olaf Henkel: Guten Morgen.

    Zurheide: Herr Henkel, zunächst einmal, ärgern Sie sich eigentlich, dass Sie schon 1995 bei IBM als Europachef ausgeschieden sind, weil Sie heute vermutlich in dem Job ein Vielfaches von dem verdienen würden, was Sie damals bekommen haben?

    Henkel: Ich ärgere mich nicht, aber das ist völlig richtig, was Sie sagen, heute wird wesentlich mehr gezahlt für solche Positionen als noch vor 20 Jahren.

    Zurheide: Ist denn das gerechtfertig? Das ist ja die Frage, die im Moment viele bewegt. Ich habe jetzt eine Studie gelesen, dass vor zehn Jahren die Geschäftsführung oder Vorstände rund fünf Prozent des Gewinnes bekommen haben, inzwischen sollen es zehn sein. Das würde heißen, eine Verdoppelung. Kann man das ökonomisch rechtfertigen?

    Henkel: Nein, so stimmt diese Relation auch nicht. Die ist absurd, denn stellen Sie sich vor, es gibt ja auch mal ein Unternehmen, das Verlust schreibt und auch dann muss ja einen Vorstand irgendwie bezahlen. Dann wäre der Prozentsatz also aberwitzig. Aber ich glaube trotzdem, dass an der Diskussion ein bisschen was dran ist, weil wir in der Tat ein paar schwarze Schafe haben und die vermitteln einem das Bild, als sei die ganze Herde schwarz. Und das ist das verhängnisvolle an der derzeitigen Diskussion. Es ist ja keine Neiddiskussion, die auf Deutschland beschränkt ist, denn ähnlich wird ja auch in Amerika oder Großbritannien diskutiert. Aber da konzentriert man sich immer auf bestimmte Fälle. Also es gibt ja bei uns auch ein paar Fälle. Nehmen wir mal an Daimler-Chrysler damals, Jürgen Schrempp, und man hätte ihn sozusagen nennen müssen. Aber was mich so ein bisschen beunruhigt und betrübt ist, dass sowohl der Bundespräsident als auch die Bundeskanzlerin immer von den Managergehältern spricht und das ist kein Thema der Managergehälter, denn die überwältigende Mehrzahl der deutschen Manager werden im internationalen Vergleich vernünftig, ja man kann sogar sagen, moderat bezahlt.

    Zurheide: Auf der anderen Seite taucht ja da die Frage auf, was ist denn der Maßstab für das, was Manager wirklich verdienen? Also verdienen jetzt nicht im Sinne, was sie bekommen, sondern was sie verdienen würden. Viele sagen, bei den Aktien respektiven bei den Aktienoptionen, das sei nicht der richtige Maßstab, weil das zu falschem auch ökonomischen Verhalten verleiten kann. Wie sehen Sie das?

    Henkel: Das hängt davon ab, also ich sehe das nicht so, weil die Aktienoptionen eigentlich – das Ziel der Aktienoptionen ist eigentlich eine langfristige Perspektive einzunehmen, denn man kann ja eine Option nur nach einer gewissen Anzahl von Jahren ausüben – das heißt, der ursprüngliche Zweck dieser Option war ja gerade mal sicherzustellen, dass man keine 90 Tages- oder nur eine Einjahresperspektive hat, sondern über mehrere Jahre hinweg und das ist eigentlich ein vernünftiges Instrument. Wenn es allerdings, ich komme noch mal auf den Fall Schrempp zurück, unglücklicher Weise so läuft, dass er sie, als er den Laden an die Wand gefahren hat, noch eine Menge Optionen bekam und als er dann langsam wieder begann, zu sanieren, sie dann ausübte, dann muss ich sagen, ist die Kritik irgendwie gerechtfertigt, aber das ist kein Thema für die Politik, wie Sie am Anfang fragten. Das ist wirklich ein Thema der jeweiligen Aufsichtsräte und man sollte den jeweiligen Aufsichtsratsvorsitzenden, beziehungsweise das Komitee, was sich mit der Belohnung oder der Bezahlung der Vorstände befasst und da sind ja auch Arbeitnehmervertreter übrigens drin, den sollte man an den Ohren ziehen.

    Zurheide: Jetzt ist die Frage, reicht das, dem einen oder anderen an den Ohren zu ziehen? Damit sind wir bei diesem Kernpunkt, denn Sie stimmen ja offensichtlich zu, dass die Beispiele die natürlich breit diskutiert werden – eines haben Sie genannt, andere könnte man hinzufügen – das die zu einem Vertrauensverlust in der Bevölkerung führen und damit auch eigentlich den Wirtschaftsstandort endlich schädigen oder mindestens das Vertrauen in Marktwirtschaft.

    Henkel: Ja, sie tun es dann und das haben Sie, glaube ich, sehr gut ausgedrückt, sie tun es dann, wenn man verallgemeinert, und genau das passiert. Wenn man sagt, alle deutschen Vorstände werden zu hoch bezahlt oder das ist alles ungerecht, dann, in der Tat kommt dieses Gefühl auf und was jetzt passiert ist ein, ja ich würde mal sagen ein Teufelskreis. Das sind die gleichen Politiker, die zunächst einmal mit diesen falschen Verallgemeinerungen eine Stimmung aufbauen, die tatsächlich dann in die Richtung geht, dass sie dann sagen, ja die Stimmung ist jetzt da, jetzt muss ich ein Gesetz machen. Und das ist nach meiner Meinung nicht gerechtfertig. Also hier braucht der Politiker überhaupt nichts zu tun. Übrigens darf ich daran erinnern, dass der Unterschied zwischen dem niedrigst bezahlten und höchstbezahlten Chef zum Beispiel bei der Post sehr hoch ist und innerhalb der deutschen DAX-Unternehmen und wenn der Staat wirklich meint, dass das ungerecht ist, dann kann der Staat doch bei dem Vorsitzenden des Vorstandes der Post was tun, denn er ist ja da auch noch Großaktionär. Aber ich habe noch niemals gehört, dass er selbst bei den Unternehmen, für die er selbst direkt verantwortlich ist, und wo er die Aktienmehrheit hat, dass er da irgendwas unternommen hat. Also bevor er da mit Gesetzen kommt, kann er erst mal da eingreifen, wo er selbst heute schon Einfluss hat.

    Zurheide: Ich will noch mal auf den Ausgangspunkt zurückkommen, vielleicht die Managervergütung insgesamt. Ich habe kürzlich ein altes Interview gefunden von Günter Gaus mit Hermann Josef Abs, dem Chef der Deutschen Bank. Das war in den 60er Jahren, da wurde Abs gefragt, wie viel er denn verdient und er sagte, das 30 bis 40-fache des durchschnittlichen Verdienstes bei der Deutschen Bank. Bei Ackermann weiß man heute, das ist bis zum 400-fachen gegangen. Da taucht natürlich schon die Frage auf: Ist jetzt Ackermann zehn mal so gut wie Hermann Josef Abs, war immerhin eine Legende der deutschen Wirtschaft. Oder ist das auch ein falscher Maßstab aus Ihrer Sicht?
    Henkel: Na ja, also die Maßstäbe haben sich natürlich alle so ein bisschen verändert. Man darf nicht vergessen – das ist nicht sehr populär, was ich jetzt sage, aber Sie kennen mich ja – im internationalen Vergleich, wenn Sie jetzt mal das Gehaltsniveau der deutschen Beschäftigten international vergleichen, dann kann man klar und deutlich sagen, dass der deutsche Arbeitnehmer an der Spitze steht. Da gibt es vielleicht den Norweger und dann ab und zu mal einen Schweizer, aber im Prinzip werden die Arbeitnehmer im internationalen Vergleich in der deutschen Industrie spitzenmäßig bezahlt, während der Vorstand deutscher Unternehmen sich nicht in der Spitzengruppe international befindet. Also, auch hier kann man sagen, so ungerecht ist das nicht. Im Übrigen muss man darauf hinweisen, dass diese Personen ja alle den Spitzensteuersatz bezahlen, also man könnte auch auf dem Standpunkt stehen, bezahlt sie doch ordentlich, dann müssen sie eine Menge Steuern zahlen und dann können wir über diese Steuern wieder ein paar mehr Sozialbedürftige finanzieren. Also, auch darf ich darauf hinweisen, es ist ja nicht der Steuerzahler, der das bezahlt, sondern es ist der Eigentümer. Es ist keine Diskussion zwischen dem Beschäftigten und dem Vorstand, sondern die Diskussion ist Teil der Eigentümer einiges von seinem Gewinn mit seinen Vorständen. Dort gehört die Diskussion hin und ich finde es moralisch nicht anrüchig, wenn es Eigentümer gibt, die steinreich sind und die sagen, ich möchte etwas von meinem Reichtum meinem tollen Vorstandsvorsitzenden abgeben. Allerdings, wenn es eine Flasche ist, dann führt das natürlich zu Verärgerungen und die teile ich dann manchmal auch.

    Zurheide: Sollten die dann zum Beispiel auch haften, dieses Manager? Weil der Eigentümer haftet ja immer mit seinem Kapital. Daraus rechtfertig man, dass er möglicherweise mehr bekommt für sein Eigenkapital. Müssten Manager mehr haften?

    Henkel: Na ja, sie haften in der Theorie gegen grobe Verletzungen ihrer Pflichten und Betrug und so was und sind natürlich, wie wir auch wissen, teilweise dagegen auch versichert. Ja, natürlich könnte man das jetzt auch einführen, aber dann haben Sie ein Problem, denn dann würden Sie kaum noch jemanden finden, denn er hätte dann die Haftung aber das enorme Risiko, die positive Möglichkeit sein Kapital zu verzehnfachen, wie sie es jetzt bei der Familie Piech sehen im Falle Porsche, hat doch dann ein Angestellter gar nicht. Also ich finde, das sollte man nicht durcheinander bringen. Meine feste Überzeugung ist, der Gesetzgeber hat hier nichts zu suchen. Diese Diskussion kann man gar nicht zu einem vernünftigen Ende führen, wenn der Gesetzgeber etwas ändern wollte, denn dann kommt die Frage nach den Fußballspielern und nach den Formel-1-Rennfahrern und nach den Opernsängern und nach den Dirigenten. Ja, ist es denn gerechtfertig, dass Miroslav Klose hundert Mal so viel verdient wie der Mittelstürmer von meinem Verein, dem FC St. Pauli? Also, wir kommen in Teufels Küche.