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Henriette Reker vor Gericht
Kein Problem mit Konfrontation

Erstmals seit der Messerattacke, sind Henriette Reker und ihr Angreifer aufeinandergetroffen. Im Oberlandesgericht Düsseldorf schilderte die Kölner Oberbürgermeisterin auf der Zeugenbank den Tathergang. Eine Entschuldigung des Angeklagten lehnte sie ab.

Von Vivien Leue | 29.04.2016
    Die Oberbürgermeisterin von Köln, Henriette Reker, spricht vor einem Verhandlungssaal des Oberlandesgerichts in Düsseldorf mit Journalisten. Reker sagt hier als Zeugin im Prozess gegen einen Mann aus, der sie mit einem Messer schwer verletzt hatte.
    Die Oberbürgermeisterin von Köln, Henriette Reker, spricht vor einem Verhandlungssaal des Oberlandesgerichts in Düsseldorf mit Journalisten. Reker sagt hier als Zeugin im Prozess gegen einen Mann aus, der sie mit einem Messer schwer verletzt hatte. (dpa-Bildfunk / Rolf Vennenbernd)
    Ruhig und konzentriert wirkte Henriette Reker, als sie auf der Zeugenbank das Attentat schilderte, das sie auch das Leben hätte kosten können.
    Frank S. sei an ihrem Wahlkampfstand auf sie zugekommen, habe sie freundlich lächelnd nach einer Rose gefragt und ihr dann – völlig unvermittelt – in den Hals gestochen.
    Mittlerweile weiß man, dass das Messer eine 30 Zentimeter lange Klinge hatte, dass es 10 Zentimeter tief in Rekers Hals eindrang, die Luftröhre durchtrennte und einen Brustwirbel fast zerteilte. Nach Rekers Worten sagten ihr ihre Ärzte mehrmals, wie viel Glück sie gehabt habe und wie knapp das Messer die Halsschlagader verfehlte.
    Keine Angst vor Begegnung mit dem Täter
    Dass die Kölner Oberbürgermeisterin heute zum ersten Mal seit der Tat ihren Angreifer wiedersah, schien sie allerdings nicht aufzuwühlen, wie sie kurz vor dem Prozess sagte:
    "Ich wusste ja auch nicht, wie das heute Morgen sein würde, aber die Konfrontation mit dem Attentäter im Gerichtssaal ist für mich kein Problem. Ich gehe davon aus, dass es nicht so lange dauern wird."
    Gut eine Stunde dauerte ihre Aussage letztlich, an deren Ende die Verteidigung fragte, ob der Angeklagte ein paar entschuldigende Worte an Frau Reker richten dürfe. Die 59-Jährige lehnte ab: Das sei jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, sagte sie und es war das erste Mal, dass ihre Stimme leicht versagte.
    Schlimme Alpträume in der Nacht
    Ansonsten schilderte sie offen, dass sie – blutend am Boden liegend – das Gefühl hatte, ihr sei die Kehle durchgeschnitten worden und dass sie hoffte, nicht querschnittsgelähmt zu sein. Sie komme aber, sagte Reker, psychisch ganz gut mit den Ereignissen zu recht, nur nachts quälten sie manchmal schlimme Alpträume.
    Der Angeklagte hatte schon letzte Woche die Tat aus seiner Sicht geschildert. Sein Anwalt Christof Miseré erklärte dazu:
    "Wir gehen davon aus, dass es sich letztlich um eine gefährliche Körperverletzung handelt. Die erste Frage ist, ob ein Tötungsvorsatz überhaupt vorlag. Er sagt Nein."
    Angriff gegen Flüchtlingspolitik und Willkommenskultur
    Stattdessen, so sagte Frank S. vor Gericht aus, habe er mit dem Angriff lediglich zeigen wollen, dass die aktuelle Flüchtlingspolitik und Willkommenskultur, für die auch Frau Reker stand, falsch seien. Auf Nachfrage des Gerichts hatte der 44-Jährige Reker dann allerdings als scheinheilige linksradikale Schickeria-Ideologin bezeichnet.
    Die Bundesanwaltschaft ist ohnehin überzeugt davon, dass der Angeklagte Henriette Reker ganz bewusst ausgewählt hat und "dass er Frau Reker töten wollte, einmal um zu verhindern, dass sie Oberbürgermeisterin wird, und er wollte ein Zeichen setzen gegen die von ihm für falsch erachtete Flüchtlingspolitik."
    So Bundesanwalt Lars Otte. Letztlich wird es also darum gehen, ob der Staatsschutzsenat am Oberlandesgericht Düsseldorf die Tat als versuchten Totschlag oder versuchten Mord wertet. Für den Angeklagten stehen im letzten Fall bis zu 15 Jahre Haft im Raum.
    Für Henriette Reker wird es wohl der einzige Auftritt vor Gericht gewesen sein. Sie sagte heute:
    "Ich bin froh, wenn ich dann meine Arbeit am Schreibtisch im Rathaus in Köln wieder aufnehmen kann. Es wird keine Einschränkungen geben bei meinen Terminen, die heute noch da sind."
    Und so war es dann auch. Reker fuhr nach ihrer Aussage zurück in ihr Büro und stellte nur wenige Stunden später zusammen mit Kardinal Rainer Maria Woelki in Köln ein Projekt zur Flüchtlingsunterbringung vor.