Christoph Heinemann: Horst Metz hat einen schweren Gang vor sich. Der Finanzminister des Freistaates Sachsen wird am Nachmittag im Landtag eine Regierungserklärung zur Schieflage der Landesbank abgeben, die zwar noch Sachsen LB heißt, in der aber längst Schwaben und Badener das Sagen haben, denn seit Montag ist die Landesbank Baden-Württemberg treuhänderisch Eigentümerin der Sachsen LB.
Antje Hermenau ist Fraktionschefin der Grünen im sächsischen Landtag. Guten Morgen!
Antje Hermenau: Guten Morgen!
Heinemann: Frau Hermenau, die Bank ist verkauft. Was erwarten Sie jetzt von der Debatte?
Hermenau: Ich gehe davon aus, dass wir jetzt aufklären, wer woran Schuld gehabt hat. Es ist ja nicht von Ungefähr, dass man einfach mal so eine Landesbank verkauft.
Heinemann: Aber der Ministerpräsident hat doch die Fraktionsvorsitzenden – außer denjenigen der NPD – am vergangenen Sonntag informiert. Wissen Sie nicht schon alles?
Hermenau: Natürlich wissen wir noch gar nichts. Wir wissen nur, dass es der Bank so schlecht ging, dass sie am Montag, als die Märkte öffneten, Pleite zu gehen drohte. Und deshalb musste man sie ja einen Tag vorher unter Dach und Fach bringen, damit sie eben nicht Pleite gehen kann.
Heinemann: Es war ein bisschen auffallend, dass vor dem Termin mit dem Ministerpräsidenten Alle gewettert haben und die Erklärungen hinterher ziemlich weichgespült klangen. Welche Erkenntnis hat für die neue Tonlage gesorgt?
Hermenau: Ich bin eh’ schon vorsichtiger reingegangen als die anderen, die immer gleich von Rücktritt sprechen bei jeder Gelegenheit. Das kann man auch nicht inflationär machen. Nun es ist so, dass es keine Alternative gab. Die Sachsen LB wäre Pleite gegangen in dieser Woche und das wäre viel schlimmer geworden für den sächsischen Steuerzahler, als jetzt diese Verkaufslösung an die Landesbank Baden-Württemberg ist.
Heinemann: Wer ist denn Ihrer Meinung nach daran Schuld?
Hermenau: Das wird sich noch herausstellen, aber es kristallisiert sich schon einiges heraus. Die Sachsen LB hatte einen Verwaltungsrat. Das ist so ähnlich wie ein Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft. Der hätte eigentlich sehr genau auf das Risikogeschäft gucken müssen. Jetzt behaupten einige Mitglieder des Verwaltungsrates sogar, sie wären belogen oder nicht informiert worden. Dabei gab es offensichtlich vierteljährlich einen Bericht, wo auch tabellarisch mit angefügt waren die Informationen über die Geschäfte in Dublin.
Heinemann: Gibt es denn Belege dafür, dass das Kontrollgremium wirklich fehlerhaft gehandelt hat?
Hermenau: Das wird sich finden, aber wenn diese vierteljährlichen Kontrollmitteilungen gekommen sind, dann muss es ja wohl so gewesen sein, dass die Mitglieder entweder nicht auf der Sitzung waren, oder aber dass sie das nicht gelesen haben, oder aber dass sie keine Fragen gestellt haben.
Heinemann: Oder aber dass sie nicht verstanden haben, was da auf dem Papier stand?
Hermenau: Auch das ist eine Möglichkeit.
Heinemann: Was folgt daraus?
Hermenau: Nun ja, der Verwaltungsrat wird nicht mehr weiter großartig für die Sachsen LB tätig sein. Das wird ja jetzt alles abgewickelt. Insofern muss man also sehen, wie dann die neuen Gremien zu besetzen sind, wenn wir Anteile bei der Landesbank Baden-Württemberg erwerben, falls wir uns nicht den Kaufpreis auszahlen lassen.
Heinemann: Welche Risiken beinhaltet der Verkauf noch?
Hermenau: Na ja, es ist noch nicht ganz klar, ob wirklich alle Risiken im Vorfeld aufgedeckt worden sind. Da muss man also mal gucken, was noch kommen kann. Bisher schließen aber alle, die schon mal reingeschaut haben in die Bücher, aus, dass noch mal ein ganz großer Klopfer kommt. Ich hoffe, dass es auch wirklich so ist, denn die Sachsen LB ist noch nicht endgültig verkauft. Sie ist erst mal nur treuhänderisch unter Dach und Fach und bis zum 31.12. hat die Landesbank Baden-Württemberg ja im Prinzip auch noch ein Rückgaberecht.
Heinemann: Was heißt großer Klopfer: also ab welchem Betrag?
Hermenau: Wir reden hier von mindestens dreistelligen Millionenbeträgen, vielleicht sogar Milliardenbeträgen.
Heinemann: Aber genau kann man das noch nicht sagen?
Hermenau: Nein, kann man nicht sagen.
Heinemann: Noch mal zur Kompetenz der mit der Aufsicht beauftragten. Die ließ offenbar zu wünschen übrig?
Hermenau: Ich weiß ja nicht, was die in dem Verwaltungsrat getrieben haben. Zumindest hat dieser Verwaltungsrat, der vielleicht, glaube ich, vierteljährlich zusammensaß, noch mal Unterausschüsse gehabt, zum Beispiel einen Kreditausschuss und solche Sachen. Operatives Geschäft wurde da gemacht. Ich gehe davon aus, dass diejenigen, die in diesen Ausschüssen waren, viel mehr mit dem Geschäft beschäftigt gewesen sind. Die müssten zumindest mal nachgefragt haben, und da ist zum Beispiel auch der Wirtschaftsminister dabei, der Herr Jurk von der SPD.
Heinemann: Die "Dresdener Neuesten Nachrichten" berichten jetzt, dass nach dem Verkauf der Sachsen LB möglicherweise auch die Zerschlagung der Sachsen-Finanzgruppe drohe. Dieser SFG gehören acht regionale Sparkassen und die Sachsen LB eben auch an und – das ist vielleicht das Pikante – die Gruppe ist ein Kind des früheren sächsischen Finanzministers Georg Milbradt. Rechnen Sie mit dieser Zerschlagung?
Hermenau: Das kommt darauf an, welche Aufgaben die in Zukunft zu erfüllen hat. Also, bei der Sachsen LB hat sie jedenfalls keine großen Aufgaben mehr zu erfüllen und sie sollte ja eigentlich in einer Holding die Sachsen LB begleiten, wenn sie eine Fusion mit der WestLB macht, die jetzt übrigens selbst in Schwierigkeiten geraten ist. Also die bisherigen Ziele sind nicht mehr auflösbar und es ist die Frage, ob man die Sachsen-Finanzgruppe erhält, oder man sie wieder auflöst.
Heinemann: Wie beantworten Sie diese Frage?
Hermenau: Ich bin mir noch nicht sicher. Ich glaube aber, tendiere eher dazu zu sagen: Wir werden sie wohl nicht mehr brauchen in Zukunft. Die Sachsen LB ist jetzt eine Filiale der Landesbank Baden-Württemberg.
Heinemann: Der Finanzminister wird heute eine Regierungserklärung abgeben vor dem Landtag. Wäre das nicht eigentlich Aufgabe des Regierungschefs?
Hermenau: Ich habe mich sehr gewundert, dass sich der Ministerpräsident hinter der nun erkennbar schwachen Figur des Finanzministers versteckt, der offensichtlich in den letzten Tagen und Wochen doch auch über die Grenze seiner Leistungsfähigkeit beansprucht worden ist. Ich habe keine Erklärung dafür.
Heinemann: Was heißt "über die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit" für die politische Zukunft von Horst Metz?
Hermenau: Na ja, wenn man einen solchen Notfall nicht ordentlich hinkriegt und der Chef herkommen muss, um in einer Nacht- und Nebelaktion die Bank zu verkaufen, damit man nicht ganz Pleite geht, glaube ich hat man sein Amt nicht im Griff.
Heinemann: Wer, der Chef oder der Untergebene?
Hermenau: Ich glaube, der Finanzminister.
Heinemann: Der Chef nicht?
Hermenau: Der Finanzminister – das muss man ja wissen – ist ja auch der Chef des Verwaltungsrates, über den wir so lange gesprochen haben. Ich glaube schon, dass der Chef des Verwaltungsrates eine besondere Aufsichtspflicht hat.
Heinemann: Also Antje Hermenau fordert den Rücktritt des Finanzministers?
Hermenau: Sagen wir so: Ich denke, er ist gut beraten, wenn er die Bank noch an die Baden-Württemberger übergibt und sich dann wohl verdient seinem Lebensfeierabend widmet.
Heinemann: Gilt das auch für den Ministerpräsidenten?
Hermenau: Das ist eine interessante Frage. Der Ministerpräsident ist sowieso immer für alles verantwortlich. In der Sache selbst hier hat er ja vor allen Dingen dann eingegriffen, als es um den Verkauf der Landesbank ging. Ich glaube, dass Ministerpräsident Milbradt dem Land nicht gut tut. Das Land ist in einer Dauerkrise.
Heinemann: Wackelt sein Stuhl?
Hermenau: Ich glaube nicht, denn die sächsische Union hat überhaupt niemanden, der ihn ersetzen könnte und das ist das Problem.
Heinemann: Die Sachsen gelten als die Cleverless der neuen Länder. Die Schlagzeilen der letzten Wochen und Monate sind eher unerfreulich, Stichworte – Sie haben es glaube ich eben schon angesprochen oder angedeutet – die Waldschlösschenbrücke, mutmaßliche Korruption oder Aktenaffäre, Mügeln, jetzt die Sachsen LB. Wie hoch ist der Ansehensverlust des Freistaates?
Hermenau: Der ist enorm. Das wird völlig unterschätzt von den Leuten der Union hier in Sachsen. Die blicken da einfach nicht über den Tellerrand. Aber wir haben hier im Prinzip eine politische Dauerkrise in Sachsen. Die kommt mal stärker und mal weniger stark zum Tragen, aber das Vertrauen nicht nur der Leute hier in Sachsen selbst in die Regierung ist erschüttert, sondern eben auch das Vertrauen außerhalb. Und das ist ja einfach mal hier ein wichtiger Wirtschaftsinvestitionsstandort und da ist Vertrauen das A und O. Es gab so einen ungeschriebenen Vertrag zwischen den Sachsen und ihrem MP, der vielleicht ein bisschen kantig und nicht so beliebt ist, nämlich dass er solide wirtschaftet und das Geld zusammenhält. Genau in diesem Vertrauen ist jetzt alles zusammengebrochen.
Heinemann: Und das sagen ausgerechnet Sie, die ja als Grüne gelten, die sich eine Koalition mit der CDU durchaus vorstellen kann oder konnte zumindest?
Hermenau: Mit dieser CDU eben nicht. Diese CDU ist sozusagen in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts hängen geblieben. Die sächsische CDU ist unmodern, sie ist starr, unbeweglich und sie ist auch nicht in der Lage, aus ihrer Selbstherrlichkeit der ersten Jahre herauszufinden.
Heinemann: In welcher Koalition wollten Sie denn mitregieren, wenn nicht mit der CDU?
Hermenau: Ja, das ist eine gute Frage für Sachsen, weil es nämlich hier ganz wenig Möglichkeiten gibt. Aber trotzdem kann man mit dieser CDU keine moderne neue Politik für dieses Land entwerfen. Man kann nur ein altes "weiter so" machen und dafür sind wir uns ehrlich gesagt zu schade.
Heinemann: Mit welchen Alternativen könnte man sonst rechnen, wenn man sich mal die Umfrageergebnisse anschaut? Die CDU, die einst mit fast zwei Dritteln Mehrheit den Freistaat regierte, ist in den Umfragen jetzt auf 37 Prozent gefallen. Die SPD – so rechnet das Institut forsa – bewegt sich bei 8 Prozent. Bleibt Sachsen regierbar?
Hermenau: Das ist eine gute Frage. Die stelle ich mir jetzt auch jeden Tag inzwischen in dieser Krise. Es ist nicht ganz klar, wenn die sächsische Union nicht die Kurve kriegt und nicht begreift, dass sie eine demokratische Verantwortung hat, die weit über das hinausgeht, was sie in den letzten Jahren hier an Regierungstätigkeit geliefert hat, steuert Sachsen in der Tat auf eine Demokratiekrise zu.
Heinemann: Was folgt daraus?
Hermenau: Eine gewisse Ratlosigkeit und die Hoffnung, dass es besser wird.
Heinemann: Sagt Antje Hermenau, die Fraktionsvorsitzende der sächsischen Grünen. Dankeschön für das Gespräch und auf Wiederhören!
Hermenau: Danke.
Antje Hermenau ist Fraktionschefin der Grünen im sächsischen Landtag. Guten Morgen!
Antje Hermenau: Guten Morgen!
Heinemann: Frau Hermenau, die Bank ist verkauft. Was erwarten Sie jetzt von der Debatte?
Hermenau: Ich gehe davon aus, dass wir jetzt aufklären, wer woran Schuld gehabt hat. Es ist ja nicht von Ungefähr, dass man einfach mal so eine Landesbank verkauft.
Heinemann: Aber der Ministerpräsident hat doch die Fraktionsvorsitzenden – außer denjenigen der NPD – am vergangenen Sonntag informiert. Wissen Sie nicht schon alles?
Hermenau: Natürlich wissen wir noch gar nichts. Wir wissen nur, dass es der Bank so schlecht ging, dass sie am Montag, als die Märkte öffneten, Pleite zu gehen drohte. Und deshalb musste man sie ja einen Tag vorher unter Dach und Fach bringen, damit sie eben nicht Pleite gehen kann.
Heinemann: Es war ein bisschen auffallend, dass vor dem Termin mit dem Ministerpräsidenten Alle gewettert haben und die Erklärungen hinterher ziemlich weichgespült klangen. Welche Erkenntnis hat für die neue Tonlage gesorgt?
Hermenau: Ich bin eh’ schon vorsichtiger reingegangen als die anderen, die immer gleich von Rücktritt sprechen bei jeder Gelegenheit. Das kann man auch nicht inflationär machen. Nun es ist so, dass es keine Alternative gab. Die Sachsen LB wäre Pleite gegangen in dieser Woche und das wäre viel schlimmer geworden für den sächsischen Steuerzahler, als jetzt diese Verkaufslösung an die Landesbank Baden-Württemberg ist.
Heinemann: Wer ist denn Ihrer Meinung nach daran Schuld?
Hermenau: Das wird sich noch herausstellen, aber es kristallisiert sich schon einiges heraus. Die Sachsen LB hatte einen Verwaltungsrat. Das ist so ähnlich wie ein Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft. Der hätte eigentlich sehr genau auf das Risikogeschäft gucken müssen. Jetzt behaupten einige Mitglieder des Verwaltungsrates sogar, sie wären belogen oder nicht informiert worden. Dabei gab es offensichtlich vierteljährlich einen Bericht, wo auch tabellarisch mit angefügt waren die Informationen über die Geschäfte in Dublin.
Heinemann: Gibt es denn Belege dafür, dass das Kontrollgremium wirklich fehlerhaft gehandelt hat?
Hermenau: Das wird sich finden, aber wenn diese vierteljährlichen Kontrollmitteilungen gekommen sind, dann muss es ja wohl so gewesen sein, dass die Mitglieder entweder nicht auf der Sitzung waren, oder aber dass sie das nicht gelesen haben, oder aber dass sie keine Fragen gestellt haben.
Heinemann: Oder aber dass sie nicht verstanden haben, was da auf dem Papier stand?
Hermenau: Auch das ist eine Möglichkeit.
Heinemann: Was folgt daraus?
Hermenau: Nun ja, der Verwaltungsrat wird nicht mehr weiter großartig für die Sachsen LB tätig sein. Das wird ja jetzt alles abgewickelt. Insofern muss man also sehen, wie dann die neuen Gremien zu besetzen sind, wenn wir Anteile bei der Landesbank Baden-Württemberg erwerben, falls wir uns nicht den Kaufpreis auszahlen lassen.
Heinemann: Welche Risiken beinhaltet der Verkauf noch?
Hermenau: Na ja, es ist noch nicht ganz klar, ob wirklich alle Risiken im Vorfeld aufgedeckt worden sind. Da muss man also mal gucken, was noch kommen kann. Bisher schließen aber alle, die schon mal reingeschaut haben in die Bücher, aus, dass noch mal ein ganz großer Klopfer kommt. Ich hoffe, dass es auch wirklich so ist, denn die Sachsen LB ist noch nicht endgültig verkauft. Sie ist erst mal nur treuhänderisch unter Dach und Fach und bis zum 31.12. hat die Landesbank Baden-Württemberg ja im Prinzip auch noch ein Rückgaberecht.
Heinemann: Was heißt großer Klopfer: also ab welchem Betrag?
Hermenau: Wir reden hier von mindestens dreistelligen Millionenbeträgen, vielleicht sogar Milliardenbeträgen.
Heinemann: Aber genau kann man das noch nicht sagen?
Hermenau: Nein, kann man nicht sagen.
Heinemann: Noch mal zur Kompetenz der mit der Aufsicht beauftragten. Die ließ offenbar zu wünschen übrig?
Hermenau: Ich weiß ja nicht, was die in dem Verwaltungsrat getrieben haben. Zumindest hat dieser Verwaltungsrat, der vielleicht, glaube ich, vierteljährlich zusammensaß, noch mal Unterausschüsse gehabt, zum Beispiel einen Kreditausschuss und solche Sachen. Operatives Geschäft wurde da gemacht. Ich gehe davon aus, dass diejenigen, die in diesen Ausschüssen waren, viel mehr mit dem Geschäft beschäftigt gewesen sind. Die müssten zumindest mal nachgefragt haben, und da ist zum Beispiel auch der Wirtschaftsminister dabei, der Herr Jurk von der SPD.
Heinemann: Die "Dresdener Neuesten Nachrichten" berichten jetzt, dass nach dem Verkauf der Sachsen LB möglicherweise auch die Zerschlagung der Sachsen-Finanzgruppe drohe. Dieser SFG gehören acht regionale Sparkassen und die Sachsen LB eben auch an und – das ist vielleicht das Pikante – die Gruppe ist ein Kind des früheren sächsischen Finanzministers Georg Milbradt. Rechnen Sie mit dieser Zerschlagung?
Hermenau: Das kommt darauf an, welche Aufgaben die in Zukunft zu erfüllen hat. Also, bei der Sachsen LB hat sie jedenfalls keine großen Aufgaben mehr zu erfüllen und sie sollte ja eigentlich in einer Holding die Sachsen LB begleiten, wenn sie eine Fusion mit der WestLB macht, die jetzt übrigens selbst in Schwierigkeiten geraten ist. Also die bisherigen Ziele sind nicht mehr auflösbar und es ist die Frage, ob man die Sachsen-Finanzgruppe erhält, oder man sie wieder auflöst.
Heinemann: Wie beantworten Sie diese Frage?
Hermenau: Ich bin mir noch nicht sicher. Ich glaube aber, tendiere eher dazu zu sagen: Wir werden sie wohl nicht mehr brauchen in Zukunft. Die Sachsen LB ist jetzt eine Filiale der Landesbank Baden-Württemberg.
Heinemann: Der Finanzminister wird heute eine Regierungserklärung abgeben vor dem Landtag. Wäre das nicht eigentlich Aufgabe des Regierungschefs?
Hermenau: Ich habe mich sehr gewundert, dass sich der Ministerpräsident hinter der nun erkennbar schwachen Figur des Finanzministers versteckt, der offensichtlich in den letzten Tagen und Wochen doch auch über die Grenze seiner Leistungsfähigkeit beansprucht worden ist. Ich habe keine Erklärung dafür.
Heinemann: Was heißt "über die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit" für die politische Zukunft von Horst Metz?
Hermenau: Na ja, wenn man einen solchen Notfall nicht ordentlich hinkriegt und der Chef herkommen muss, um in einer Nacht- und Nebelaktion die Bank zu verkaufen, damit man nicht ganz Pleite geht, glaube ich hat man sein Amt nicht im Griff.
Heinemann: Wer, der Chef oder der Untergebene?
Hermenau: Ich glaube, der Finanzminister.
Heinemann: Der Chef nicht?
Hermenau: Der Finanzminister – das muss man ja wissen – ist ja auch der Chef des Verwaltungsrates, über den wir so lange gesprochen haben. Ich glaube schon, dass der Chef des Verwaltungsrates eine besondere Aufsichtspflicht hat.
Heinemann: Also Antje Hermenau fordert den Rücktritt des Finanzministers?
Hermenau: Sagen wir so: Ich denke, er ist gut beraten, wenn er die Bank noch an die Baden-Württemberger übergibt und sich dann wohl verdient seinem Lebensfeierabend widmet.
Heinemann: Gilt das auch für den Ministerpräsidenten?
Hermenau: Das ist eine interessante Frage. Der Ministerpräsident ist sowieso immer für alles verantwortlich. In der Sache selbst hier hat er ja vor allen Dingen dann eingegriffen, als es um den Verkauf der Landesbank ging. Ich glaube, dass Ministerpräsident Milbradt dem Land nicht gut tut. Das Land ist in einer Dauerkrise.
Heinemann: Wackelt sein Stuhl?
Hermenau: Ich glaube nicht, denn die sächsische Union hat überhaupt niemanden, der ihn ersetzen könnte und das ist das Problem.
Heinemann: Die Sachsen gelten als die Cleverless der neuen Länder. Die Schlagzeilen der letzten Wochen und Monate sind eher unerfreulich, Stichworte – Sie haben es glaube ich eben schon angesprochen oder angedeutet – die Waldschlösschenbrücke, mutmaßliche Korruption oder Aktenaffäre, Mügeln, jetzt die Sachsen LB. Wie hoch ist der Ansehensverlust des Freistaates?
Hermenau: Der ist enorm. Das wird völlig unterschätzt von den Leuten der Union hier in Sachsen. Die blicken da einfach nicht über den Tellerrand. Aber wir haben hier im Prinzip eine politische Dauerkrise in Sachsen. Die kommt mal stärker und mal weniger stark zum Tragen, aber das Vertrauen nicht nur der Leute hier in Sachsen selbst in die Regierung ist erschüttert, sondern eben auch das Vertrauen außerhalb. Und das ist ja einfach mal hier ein wichtiger Wirtschaftsinvestitionsstandort und da ist Vertrauen das A und O. Es gab so einen ungeschriebenen Vertrag zwischen den Sachsen und ihrem MP, der vielleicht ein bisschen kantig und nicht so beliebt ist, nämlich dass er solide wirtschaftet und das Geld zusammenhält. Genau in diesem Vertrauen ist jetzt alles zusammengebrochen.
Heinemann: Und das sagen ausgerechnet Sie, die ja als Grüne gelten, die sich eine Koalition mit der CDU durchaus vorstellen kann oder konnte zumindest?
Hermenau: Mit dieser CDU eben nicht. Diese CDU ist sozusagen in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts hängen geblieben. Die sächsische CDU ist unmodern, sie ist starr, unbeweglich und sie ist auch nicht in der Lage, aus ihrer Selbstherrlichkeit der ersten Jahre herauszufinden.
Heinemann: In welcher Koalition wollten Sie denn mitregieren, wenn nicht mit der CDU?
Hermenau: Ja, das ist eine gute Frage für Sachsen, weil es nämlich hier ganz wenig Möglichkeiten gibt. Aber trotzdem kann man mit dieser CDU keine moderne neue Politik für dieses Land entwerfen. Man kann nur ein altes "weiter so" machen und dafür sind wir uns ehrlich gesagt zu schade.
Heinemann: Mit welchen Alternativen könnte man sonst rechnen, wenn man sich mal die Umfrageergebnisse anschaut? Die CDU, die einst mit fast zwei Dritteln Mehrheit den Freistaat regierte, ist in den Umfragen jetzt auf 37 Prozent gefallen. Die SPD – so rechnet das Institut forsa – bewegt sich bei 8 Prozent. Bleibt Sachsen regierbar?
Hermenau: Das ist eine gute Frage. Die stelle ich mir jetzt auch jeden Tag inzwischen in dieser Krise. Es ist nicht ganz klar, wenn die sächsische Union nicht die Kurve kriegt und nicht begreift, dass sie eine demokratische Verantwortung hat, die weit über das hinausgeht, was sie in den letzten Jahren hier an Regierungstätigkeit geliefert hat, steuert Sachsen in der Tat auf eine Demokratiekrise zu.
Heinemann: Was folgt daraus?
Hermenau: Eine gewisse Ratlosigkeit und die Hoffnung, dass es besser wird.
Heinemann: Sagt Antje Hermenau, die Fraktionsvorsitzende der sächsischen Grünen. Dankeschön für das Gespräch und auf Wiederhören!
Hermenau: Danke.