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Hermenau plädiert für Tunnellösung

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende im sächsischen Landtag, Antje Hermenau, hat die Entscheidung des UNESCO-Welterbekomitees zum Elbtal begrüßt. Die Bürgerinitiative für eine Tunnellösung werde nun neuen Auftrieb bekommen, sagte Hermenau. Die Politikerin wertete die Entscheidung des Gremiums zudem als Aufforderung an Bundeskanzlerin Angela Merkel, in dem Streit zu vermitteln.

Moderation: Friedbert Meurer | 04.07.2008
    Friedbert Meurer: Die Stadt Dresden erhält noch einmal einen Aufschub von einem Jahr. Das Welterbe-Komitee der Unesco hat bei seiner Tagung in Quebec in Kanada entschieden: Die Elbflusslandschaft in Dresden bleibt noch mal für ein Jahr auf der roten Liste der bedrohten Stätten und nach einem Jahr müssen die Bauarbeiten für die Waldschlösschenbrücke eingestellt sein und außerdem muss das, was seit November schon aufgebaut worden ist, bis dahin abgerissen sein. Sonst wird Dresden als zweite Stätte der Welt überhaupt von der Liste ganz gestrichen. Am Telefon begrüße ich nun Antje Hermenau. Sie ist die Vorsitzende der Grünen im sächsischen Landtag. Guten Morgen Frau Hermenau.

    Antje Hermenau: Guten Morgen Herr Meurer.

    Meurer: Freuen Sie sich über die Entscheidung?

    Hermenau: Ja, ich freue mich. Ich freue mich deswegen, weil zum Beispiel die Bürgerinitiative gestärkt worden ist, die mehr als 40.000 Unterschriften für eine Tunnellösung gesammelt haben. Das ist ja auch der Kompromiss, den die Unesco selber favorisiert. Und ich finde es auch richtig, dass die Unesco sich nicht den Schwarzen Peter zuschieben lässt. Frau Merkel hat zum Beispiel immer davon gesprochen, das sei eine kommunale Angelegenheit. Das ist ja eine unglaubliche Verniedlichung und Verharmlosung des Problems. Ich bin der Meinung, dass die Unesco recht daran tut, Frau Merkel mit zu verhaften und zu sagen, sie muss im Rahmen der Bundestreue dafür sorgen, dass das Land Sachsen und die Stadt Dresden kooperieren.

    Meurer: Wieso ist das keine kommunale Angelegenheit?

    Hermenau: Es wird immer der Bürgerentscheid vorgeschoben und dann heißt es immer, das läge daran, dass eben die Dresdener dort mit einem Bürgerentscheid eine Brücke bauen wollen. Aber der Punkt ist ja, dass das Land Sachsen automatisch mit drin ist in dem völkerrechtlichen Vertrag, den Deutschland mit den anderen Staaten der Welt abgeschlossen hat. Deswegen finde ich kann sich Frau Merkel mit einer kommunalen Angelegenheit nicht herausreden, sondern es geht um die Glaubwürdigkeit des Landes Deutschland innerhalb der kulturpolitischen Vereinbarungen weltweit.

    Meurer: Kann sich die Stadtspitze auch über die Entscheidung freuen? Es hätte ja auch passieren können, dass die Unesco jetzt schon sagt aus, vorbei, Dresden wird von der Liste genommen.

    Hermenau: Ich glaube, dass sich die Politiker in Dresden, die die Brücke gerne bauen wollen, sehr gefreut hätten, wenn die Unesco so gehandelt hätte, denn dann hätten sie sagen können, die Unesco ist Schuld. Aber dieses Schwarze-Peter-Spiel lässt sich die Unesco wie gesagt nicht gefallen. Ich habe ja selber am letzten Wochenende auf einem Elbhangfest in Dresden, wo viele, viele Dresdener waren, gespürt, wie traurig viele waren, wie fassungslos, und das überträgt sich eben auch offensichtlich auf die vielen Kulturliebhaber weltweit, die auch gewisse Fassungslosigkeit zeigen. Ich möchte mal wissen, was der deutsche Bildungsbürger an Massenprotesten und Massendemonstrationen machen würde und Briefe und Mails schreiben an die ägyptische Regierung, wenn die zum Beispiel irgendwas um die Pyramiden herumbauen würden oder dergleichen.

    Meurer: Was werden Sie denn jetzt in diesem einen Jahr tun, um doch noch die Brücke zu verhindern?

    Hermenau: Die Bürgerinitiative wird neuen Auftrieb bekommen und die Tunnellösung weiter versuchen zu favorisieren und die Stadt zu überreden, das zu machen. Da wäre auch der Rückbau der Pfeilerpfosten mit dabei. Auf der anderen Seite glaube ich, dass es wichtig ist, dass zum Beispiel andere Weltstätten-Bewerber sich noch mal zu Wort melden und auf Dresden mit einwirken. Zum Beispiel im Rheintal steht ja auch die Debatte, ob eine Brücke gebaut wird oder der Titel erhalten wird, und das Rheintal sagt nein, der Titel ist wichtiger. Man könnte auch von Regensburg lernen. Die haben eine Brücke gebaut, aber eben klassisch, dass sie auch hinein passt. Also da ist viel möglich. Man kann noch mal ins Gespräch kommen und ich denke das muss auch sein. Außerdem hängen viele Gerichtsverfahren an. Die Naturschützer haben geklagt, weil es ja auch ein besonderes Biotop ist. Das ist ja eine der wenigen städtischen unverbauten Flusslandschaften, die wir in Deutschland insgesamt noch haben, und das ist natürlich auch ein Biotop für bestimmte seltene Pflanzen, vor allen Dingen Tierarten.

    Meurer: Nun muss man andererseits sagen, über 60 Prozent haben damals bei dem Bürgerentscheid gesagt, wir wollen die Brücke haben. Zählt für Sie dieser Bürgerwille nichts?

    Hermenau: Der Bürgerentscheid war vor vielen Jahren und inzwischen ist er Anfang dieses Jahres in seiner Bindungswirkung ausgelaufen. Das war im Februar diesen Jahres. Es gibt inzwischen eine Unterschriftensammlung von über 40.000 Unterschriften auch der Bürger Dresdens die sagen, dass uns das wichtig ist. Ich finde man kann sich treu bleiben und trotzdem auf Entwicklung nicht verzichten. Das würde bedeuten: Man nimmt den Bürgerentscheid ernst und macht eine Querung, eine Verkehrsquerung an der Elbe an dieser Stelle. Aber man macht sie eben so, dass der Titel nicht verloren geht, und das ist der Tunnel.

    Meurer: Waren die Gegner zu wenig kompromissbereit gewesen? Hätte man eine ganz besonders filigrane Variante für die Brücke finden können?

    Hermenau: Diese filigrane Variante ist ein Märchen. Das ist eine Schimäre. Man hat an den Brückenpfeilern unten am Fußende einen Stutzen weggenommen und hielt das für das filigrane Modell. Die hiesigen Zeitungen haben die zwei Brückenentwürfe wie ein Fixierbild untereinander abgebildet und haben gesagt "finden sie die Unterschiede" wie diese berühmten Spielchen in den Zeitungen, weil man eben keinen Unterschied sehen konnte. Die ganze Brücke an sich ist eine Behinderung der Sichtachse. Es geht so nicht. Man muss es unter die Erde verlegen. Das machen viele andere Städte auch so: Prag, Hamburg. Ist doch kein Problem!

    Meurer: Die Sachsen gelten als verbindlich, als eher ruhig. Warum tobt dort in Dresden ein Kulturkampf?

    Hermenau: Na ja, ich glaube das sind noch so Nachwehen aus den 90er Jahren, als vielen ostdeutschen Bürgern, eben auch Dresdenern klar wurde: Wenn du wirtschaftlich mit dem Rücken an die Wand kommen willst, dann musst du ganz schön grob sein. Das ist sozusagen die neue Zeit. Das haben auch viele verinnerlicht. Dann haben wir in Dresden aber ein sehr starkes Kulturbürgertum und dieses Bildungs- und Kulturbürgertum war immer gegen die Brücke und hat ein besonderes Verhältnis zum barocken Gesamtbild der Stadt und auch zum Erbe, das Dresden darstellt. Dieser Kulturkampf hat dann im Prinzip jetzt auch getobt.

    Meurer: Antje Hermenau, die Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im sächsischen Landtag, heute Morgen im Deutschlandfunk. Frau Hermenau, schönen Dank und auf Wiederhören!
    Mit schwerer Technik wird in Dresden am östlichen Ufer der Elbe am Fundament für die Waldschlösschenbrücke gearbeitet.
    Rückbau? Am östlichen Ufer der Elbe wird bereits an der Waldschlösschenbrücke gearbeitet. (AP)