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Herzchirurgie
Ein Kunstherz für Kinder

Wenn ein Kind auf ein Spenderherz warten muss, wird die Zeit häufig mit einem Kunstherz überbrückt. Wiegt der junge Patient weniger als 20 Kilogramm, liegt die Pumpe mitsamt dem Antrieb außerhalb des Körpers. Das bedeutet ein Leben im Krankenhaus.

Von Isabel Fannrich-Lautenschläger | 24.12.2013
    Das erste Kunstherz für ein Kind hat 1990 das Deutsche Herzzentrum Berlin implantiert. Mittlerweile ist dies nichts Ungewöhnliches mehr; jedes Jahr bekommen rund 20 Kinder in ganz Deutschland eine derartige mechanische Pumpe. Sie unterstützt das Herz dabei, Blut in den Körper zu befördern – und entlastet es damit zugleich.
    Die meisten dieser Kinder sind erst nach der Geburt am Herzen erkrankt: Der Herzmuskel hat sich entzündet, manchmal ist er dadurch vernarbt oder das Herz zu schwach.
    "Kinder, die davon betroffen sind, sind zum Teil sehr jung: Säuglinge, oder nur ein oder zwei Jahre alt. Und ein anderer Alterspeak ist in dem Jugendalter. Diese Kinder nehmen die größte Gruppe ein von Patienten, die wir behandeln, etwa 70 Prozent."
    Es gibt aber auch, fährt Oliver Miera, Kinderkardiologe am Deutschen Herzzentrum Berlin fort, junge Patienten mit angeborenen Herzfehlern. Manche von ihnen sind bereits mehrfach operiert worden, und sie warten auf ein Spenderherz. Weil das heute lange dauern kann, setzen ihnen die Ärzte solange ein Kunstherz ein:
    "Während wir in den 90er Jahren noch Wartezeiten hatten, die sich im Bereich von ein bis zwei Wochen im Durchschnitt bewegten, ist jetzt der Median, das heißt, die Hälfte der Kinder wartet länger als drei Monate auf ein Herz. Und das stellt die Familie natürlich vor große Herausforderungen. Es ist mittlerweile sogar so, dass wir für einige Kinder wesentlich längere Unterstützungszeiten zu verzeichnen haben: Wir haben ein Kind, das 842 Tage am Kunstherz warten musste, mit so einem System, was außerhalb des Körpers sich befindet."
    Insbesondere bei kleinen Kindern schränkt das Kunstherz das Alltagsleben stark ein. Wiegt der junge Patient weniger als 20 Kilogramm, liegt die Pumpe mitsamt dem Antrieb außerhalb des Körpers. Dieser Apparat ist so groß, dass er ihn nicht mit nach Hause nehmen kann, zumal das Kind mehrmals täglich untersucht wird. Es muss – häufig mitsamt Familie – im Krankenhaus leben.
    Dagegen erhalten Kinder, die mehr als 20 Kilo wiegen und mindestens fünf Jahre alt sind, ein ähnliches System wie Erwachsene: Ihnen wird die Pumpe ins Herz implantiert und über einen Schlauch, der aus der Bauchdecke führt, mit der außenliegenden Steuerelektronik und Batterien verbunden. Mit einer Tasche vor dem Bauch oder einem Rucksack können sie Fahrrad fahren, laufen und zur Schule gehen.
    Für die meisten bedeutet das Kunstherz eine Übergangsstation bis zur Transplantation. Nur ein kleiner Teil erholt sich mit seiner Hilfe etwa von einer Herzmuskelentzündung, sagt Oliver Miera, Oberarzt auf der Kinder-Intensivstation:
    "Es gibt ein primäres Ziel, und das ist die Kinder aus einer kritischen Situation, wo sie sterben müssten, zu befreien, und eine Perspektive zu entwickeln. Jedes Kind, was irgendwie eine Chance hat, von dem Kunstherz wieder los zu kommen und mit dem eigenen Herz weiter zu leben, das ist natürlich unser erstes Streben. Das kommt aber wie gesagt nur bei etwa 15 Prozent der Kinder in Frage. In den ersten zwei Monaten kann man meistens heraus finden, ob ein Abgehen von der Maschine möglich ist. Die anderen warten auf eine Transplantation."
    Je länger ein Kind mit einem Kunstherzen auf eine Transplantation warten muss, desto höher ist das Risiko. In der Pumpe können sich Gerinnsel bilden, die Stelle, an der die Schläuche durch die Haut treten, kann sich infizieren; außerdem erleiden ein Viertel der Kinder einen Schlaganfall. Die meisten erholen sich zwar davon, aber bei manchen bleibt selbst nach der Transplantation eine Lähmung bestehen.
    Die Herzchirurgen hoffen, dass im Zuge der Miniaturisierung Pumpe mitsamt Batterie und Steuerelektronik kleiner werden. Bei erwachsenen Patienten könnten Kunstherzen dann nicht nur völlig im Körper verschwinden – sondern auch auf Dauer dort bleibe, um das lange Warten auf ein Spenderorgan zu umgehen. Anders bei Kindern: Hier hofft Oliver Miera...
    "...auf eine Miniaturisierung der Systeme, das heißt, dass die Pumpen kleiner werden. Dass wir auch die kleinen Kinder unter 20 Kilogramm mit kleinen Pumpen versorgen können. Dass nur noch kleine Schläuche aus der Haut austreten, dass wir auch diese Kinder nach Hause lassen. Und der zweite große Wunsch, den wir haben, ist, dass wir eine hohe Spenderbereitschaft haben für Herztransplantationen, um den Kindern, die am Kunstherz sind, die Wartezeit zu verkürzen."