Gerner: "Schröders Mann fürs Soziale droht, zum Sozialfall der rot/grünen Bundesregierung zu werden." Das schreibt "die Welt" dieser Tage über Walter Riester. Der Bundesarbeitsminister steht wieder einmal auf der Abschussliste gewisser Journalisten, und er ist jetzt am Telefon. Schönen guten Morgen nach Berlin!
Riester: Guten Morgen!
Gerner: Herr Riester, der Entwurf zur Rentenreform, der heute im Bundestag eingebracht wird, wird ohne die Anfang der Woche mit den Grünen abgesprochene Änderung vorgelegt. Ein Papier, das im Grunde schon zu Beginn Makulatur ist. Ist das nicht eine denkbar ungünstige Ausgangslage, um die Reform rasch durch den Bundestag zu bekommen?
Riester: Wenn es so wäre ja. Nur es gibt keine Änderung, die mit den Grünen beschlossen worden ist. Mit den Grünen ist beschlossen worden, dass wir durch die Zusammenfassung der vorgezogenen Auszahlung den Generationenvertrag nicht gefährden dürfen. Das darf auf keinen Fall passieren; das ist absolut richtig. Es wird dazu aber keine Änderung geben.
Gerner: Das was ausgehandelt worden ist, was in der Presse zu lesen ist, kann man schon als Nachbesserung interpretieren. Tatsache ist, dass die Front Ihrer Gegner nicht kleiner geworden ist. Der Hauptvorwurf ist, dass Sie mit dieser Reform Rentner in erste und zweite Klasse einteilen. Wer nach 2011 in Rente geht, wird hiernach deutlich weniger bekommen als zuvor. Wollen Sie diese Ungerechtigkeit?
Riester: Nein. Wir bauen ja eine kapitalgedeckte Altersvorsorge auf mit einer breiten Finanzierung. Wer ab 2011 in Rente geht, wird eine ergänzende zweite Säule haben und insgesamt mehr an Rentenzahlungen bekommen, als wenn wir nichts geändert hätten.
Gerner: Aber das zusätzliche schlimme an der Möglichkeit, die Sie nach 2011 bieten, ist ja, dass auch der Anreiz gegeben ist, dass Menschen möglichst schnell aus dem Berufsleben ausscheiden können, weil sie nach Aussage der Experten damit wesentlich weniger bekommen als zuvor. Da könnte ja die ganze Kalkulation für die die nächsten 30 Jahre über den Haufen geworfen sein?
Riester: Mit Sicherheit nicht. Das wären merkwürdige Experten. Schauen Sie, der Ausgleichsfaktor sind 0,3 Prozent pro Jahr. Wer aber ein Jahr vorgezogen in Rente geht, hat einen Abschlag von 3,6 Prozent. Wer jetzt vorgezogen geht, das wäre eine schlechte Rechnung. Diese Sache geht mit Sicherheit nicht auf.
Gerner: Kritiker vermissen aber nach wie vor von Ihnen schlagkräftige Argumente, wie Sie die Generationengerechtigkeit wieder herstellen wollen?
Riester: Wir stellen sie genau dadurch her, dass wir die Rente langfristig sichern, dass wir aber auch von der Beitragszahlung her sicherstellen, dass sie nicht nach oben geht. Wir werden erneut im nächsten Jahr den Rentenversicherungsbeitrag auf 19,1 Prozent absenken. Eine langfristige Sicherung und auch Bezahlbarkeit der Renten ist genau das, was die junge Generation braucht. Wenn wir jetzt die ergänzende Vorsorge breit unterstützen, dann haben wir eine Gesamtvorsorge, die deutlich über 70 Prozent liegt.
Gerner: Fraktionschef Struck hat Änderungen angemahnt, im Grunde schon angedeutet, dass sie kommen würden. Am Ende soll letzten Endes ein Rentenniveau über 61 Prozent, die Zahl, die bei Ihrem Modell herauskommen würde, liegen. Können Sie damit leben?
Riester: Ich muss Ihnen schon wieder widersprechen: nicht 61 Prozent, sondern 64,5.
Gerner: Auf jeden Fall das Rentenniveau. Die Zahlen gehen von 61 bis zur Zahl, die Sie nannten.
Riester: Herr Struck und ich sowie die gesamte Rechnung geht von 64,5 Prozent aus, und nur für diejenigen, die im Jahr 2030 in Rente gehen. Für die jetzigen Rentner wird sich gar nichts ändern. Es bleibt bei 70 Prozent. Für diejenigen, die in den nächsten zehn Jahren in Rente gehen, wird sich gar nichts ändern. Es bleibt bei 70 Prozent. Ich muss mal diesen Punkten widersprechen!
Gerner: Das sind die Zahlen, die durch die Presse kursieren.
Riester: Das mag ja sein; sie sind trotzdem falsch!
Gerner: Tatsache ist, dass es Kritik des linken SPD-Flügels und der Gewerkschaften an diesem Punkt gibt. Wäre es für Sie eine Schande, dort nachzubessern?
Riester: Es wäre für mich überhaupt keine Schande, aber es bedarf keiner Nachbesserung. Sie kommen mir laufend mit Nachbesserungen. Es bedarf keiner Nachbesserungen! Wir sind angetreten und haben gesagt, wir werden die Renten insgesamt langfristig sichern und anheben. Wir werden als zweites die Beiträge senken und stabilisieren. Wir werden als drittes dafür sorgen, dass Frauen, die durch Kindererziehung Unterbrechungen in der Arbeit haben, besser gestellt werden, und werden als viertes dafür sorgen, dass es keine verschämte Altersarmut gibt. Exakt diese vier Punkte bringen wir heute ins Parlament hinein und ich garantiere Ihnen: exakt diese Punkte wird die Rentenreform am Schluss haben.
Gerner: Gerhard Schröder hat Sie ja ins Kabinett geholt, damit Sie als "alter IG-Metaller" unter anderem Bindeglied zu den Gewerkschaften sein sollten. Das Gegenteil ist der Fall. Selten sind Gewerkschaften so Sturm gelaufen gegen einen Arbeitsminister. Was ist dort falsch gelaufen?
Riester: Zuerst einmal glaube ich kann man nicht von "den Gewerkschaften" sprechen. Ich bin mit den Gewerkschaften in einem ständigen Dialog und wir sind auch in den Beurteilungen gar nicht mehr sehr weit auseinander. Es gibt einige Kritikpunkte. Mit denen muss man sich auseinandersetzen. Mit denen setze ich mich auch auseinander. Man kann aber nicht sagen, dass "die Gewerkschaften" Sturm laufen.
Gerner: Und die Sache mit dem Bindeglied? Sehen Sie sich noch als Bindeglied zu den Gewerkschaften?
Riester: Ja natürlich. Ich sehe mich vor allem als ein aktiver Gewerkschafter, der ich weiterhin bin.
Gerner: Die Mehrheit im Bundestag, Herr Riester, ist nicht so groß, dass Sie lockeren Fußes dort hineingehen können.
Riester: Da habe ich jetzt auch noch drauf gewartet, dass Sie mit dem kommen. Es gibt breite Unterstützung in den Koalitionsfraktionen, und dann sprechen Sie nicht mehr von einer Mehrheit.
Gerner: Glauben Sie, dass das ganze bis zu den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg im kommenden März über die Bühne gehen kann?
Riester: Ja, das kann ich Ihnen sagen. Bis zum März wird das im deutschen Bundestag beschlossen sein, mit hoher Wahrscheinlichkeit schon Ende Januar.
Gerner: In dem Zusammenhang gibt es ja auch Mutmaßungen, dass es in der SPD deshalb zum Fall Reinhard Klimmt so still ist, weil man die Saarländer, die man bei der Abstimmung unbedingt braucht, bei der Stange halten will?
Riester: Wenn ich die ganze Früh mit Ihnen nur Mutmaßungen, Verdächtigungen und zum Teil Dinge besprechen muss, die ich laufend korrigieren muss, was bringt denn das einem Interview?
Gerner: Dann werden wir doch konkret zum Fall Reinhard Klimmt. Daran kommen wir heute Morgen nicht vorbei. Haben Sie Verständnis dafür, dass die Öffentlichkeit so hartnäckig fragt, was mit dem Mann jetzt wird?
Riester: Ja natürlich können Sie fragen, was mit dem Mann jetzt wird. Der Mann sagt auch klar, dass ihm kein Schuldvorwurf bewusst ist. Solange das so ist, muss man das auch so hinnehmen.
Gerner: Halten Sie Reinhard Klimmt im Kabinett noch für tragbar?
Riester: Ja!
Gerner: Weshalb?
Riester: Das habe ich Ihnen doch gerade gesagt. Ich nehme doch keinen aus dem Kabinett heraus, der klar sagt, dass er keinen Schuldvorwurf hat. Ursprünglich wollte er diesen Antrag gegen ihn annehmen, um endlich mal Ruhe an der Front zu haben, aber er sieht, er muss kämpfen und muss das klarstellen, und er macht das.
Gerner: Kommt Ihnen das nicht komisch vor, dass er zunächst bereit war, einen Strafbefehl anzunehmen.
Riester: Wenn Sie einmal erleben, welches Trommelfeuer von einem Teil der Medien gemacht wird, dann kommt mir manche Reaktion von Menschen nicht mehr komisch vor.
Gerner: Das war der Bundesarbeitsminister Walter Riester und mitgehört hat Friedrich Merz, der Fraktionschef der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. Schönen guten Tag auch an Sie nach Berlin!
Merz: Guten Morgen Herr Gerner.
Gerner: Herr Merz, zuletzt hat die CDU die Rentenkonsensrunden platzen lassen. Wird sie jetzt mitmachen?
Merz: Herr Gerner, wir haben die Rentenkonsensrunden nicht platzen lassen, sondern wir haben im Juni gesagt, wir haben jetzt genug miteinander geredet und jetzt wollen wir von der Bundesregierung, die die Verantwortung ja nun trägt, einen Gesetzentwurf haben. Das hat jetzt schon wieder vier Monate gedauert mit ständigen Nachbesserungen, und heute bekommen wir im Bundestag einen Gesetzentwurf eingebracht, der vom Kabinett gestern beschlossen worden ist, aber schon vorgestern von der Bundestagsfraktion der SPD in Frage gestellt worden ist, wo jetzt ohne Herrn Riester eine Arbeitsgruppe eingerichtet worden ist, die das alles noch einmal ändern und korrigieren soll. Sie sehen, wir hatten schon Recht damit, jetzt mal von der Bundesregierung zu verlangen, dass sie sagt was sie will. Wir wissen es allerdings immer noch nicht richtig.
Gerner: Diese Nachbesserungen sind ja auch mit einer Veränderungsbereitschaft seitens der SPD-Fraktion angekündigt worden. Wollen Sie sich diese Veränderungsbereitschaft konstruktiv zu Nutze machen?
Merz: Wir haben ja immer gesagt, dass wir bereit sind, auch über die Grenzen der Parteien hinweg den Versuch zu unternehmen, dieses wichtige Thema im Konsens zu lösen. Nun muss ich allerdings darauf hinweisen, der Rentenkonsens ist von den Sozialdemokraten schon im Jahre 1998 aufgelöst worden. Wir haben damals einen Rentenwahlkampf erlebt, der gegen uns geführt worden ist mit der Behauptung, ein Rentenniveau von 64 Prozent sei unanständig. Jetzt sind die Sozialdemokraten dabei, ein Rentenniveau von 64 Prozent, wahrscheinlich noch weniger, ausschließlich für die junge Generation festzuschreiben. Und alles das, was zusätzlich an Altersversorgung vorhanden sein soll, muss die junge Generation selbst ansparen. Dafür soll sie dann allerdings erst im Jahr 2002 die erste Förderung bekommen. Das ist von der ganzen Vorgehensweise und von der Art und Weise, wie das auch mit den Generationen gemacht wird, so unglaublich und es ist auch eine so grobe Verletzung der Generationengerechtigkeit, dass ich sagen muss, auf dieser Basis wird es mit uns einen Rentenkonsens nicht geben können. Wir sind nicht bereit, die gesamten Lasten der demographischen Entwicklung der Bevölkerung in unserem Land ausschließlich auf den Schultern der jungen Generation abzuladen.
Gerner: Das sagen ja auch die Kritiker Riesters auf der linken SPD-Seite. Werden Sie mit denen den Konsens suchen?
Merz: Die Kritiker, die Herr Riester in den eigenen Reihen hat, wollen die Quadratur des Kreises. Sie wollen ein höheres Rentenniveau für alle und niedrigere Rentenversicherungsbeiträge, als wir sie heute haben. Das ist eine Rechnung, die kann nicht aufgehen. Deswegen geht es hier um die Frage, wie verteilen wir die Lasten der Demographie gerecht auf die Schultern aller Generationen, und es geht zweitens um die Frage, warum ist die Bundesregierung nicht bereit, bereits im nächsten Jahr, wenn die Rentenreform in Kraft treten soll, die private zusätzliche Altersversorgung zu fördern. Das sind zwei entscheidende Punkte. Wenn an dieser Stelle die Bundesregierung bereit ist nachzubessern - nachbessern ist ja eines ihrer Wesensmerkmale -, dann sind wir bereit, auch neu nachzudenken. Zunächst einmal ist die Bundesregierung jetzt am Zuge und wir wollen wisse, was jetzt in den Bundestag eingebracht wird und was wirklich gilt.
Gerner: Ein Teil der Rentenreform ist ja im Bundesrat zustimmungspflichtig. Da wartet im Grunde auf die Union eine ähnliche Falle und auch auf Sie wie bei der Steuerreform. Damals haben Sie bei der Steuerreform auf Konfrontation gespielt und sind, wenn man das so sagen kann, grandios gescheitert. Welche Lehren haben Sie daraus gezogen? Wollen Sie es diesmal anders angehen?
Merz: Wir haben zunächst einmal, Herr Gerner, im Bundesrat sehr viel mehr durchgesetzt, als die Sozialdemokraten selber bereit gewesen wären zu akzeptieren. Ich bleibe auch bei meiner Auffassung, es wäre eine bessere Reform möglich gewesen, wenn alle von uns die Nerven behalten hätten. Aber das ist nun Geschichte. Für die Rentenreform gilt, dass nur der kleinere Teil der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nämlich der Teil, der sich mit der privaten Vorsorge und deren Förderung befasst. An dieser Stelle sind wir mit den Sozialdemokraten einig. Es war ja im übrigen auch unser Vorschlag zu sagen, dass die Versorgungslücke in der gesetzlichen Rentenversicherung durch eine private Vorsorge geschlossen werden muss. Der größere Teil des Problems liegt im nicht zustimmungsbedürftigen Teil der Rentenreform, nämlich in der Reform der eigentlichen Rente selbst. Dafür muss rot/grün selbst eine parlamentarische Mehrheit zu Stande bringen. Ich bin gespannt, wie das in den nächsten Wochen im parlamentarischen Beratungsverfahren im deutschen Bundestag weitergeht. Wir bekommen jedenfalls heute einen Gesetzentwurf eingebracht, der vorgestern schon in Frage gestellt worden ist und korrigiert worden ist. Keiner weis allerdings genau, wie er korrigiert worden ist. Auch das ist ein bisschen typisch für diese Bundesregierung.
Gerner: Herr Merz, Ihr Kommentar zum Fall Klimmt.
Merz: Sie haben ja gerade in den Verrenkungen von Herrn Riester schon gehört, wie schwierig es den eigenen Leuten fällt zu rechtfertigen, was dort passiert. In der alten Bundesregierung von Helmut Kohl, die jetzt so kriminalisiert wird auch durch den Untersuchungsausschuss, hat es nicht einen einzigen Fall gegeben, wo ein Minister einen Strafbefehl bekommen hat, und es hat nicht einen einzigen Fall gegeben, wo ein amtierender Bundesminister auf der Anklagebank saß in einem laufenden Strafverfahren. Herr Klimmt wird sich in den nächsten Wochen wie ein angeschlagener Preisboxer durch dieses Land bewegen, weil er seine Aufgabe als Verkehrsminister gar nicht mehr richtig wahrnehmen kann. Er sitzt nämlich mit dem Kopf immer auf der Anklagebank in seinem Strafverfahren. Ich halte es für eine Zumutung, dass der Bundeskanzler der Meinung ist, dass ein solcher Minister im Amt bleiben kann.
Gerner: Was sollte Gerhard Schröder tun?
Merz: Gerhard Schröder hätte schon von Anfang an seinen Verkehrsminister dem Bundespräsidenten zur Entlassung vorschlagen müssen, aber dazu hat er offensichtlich nicht die Kraft, weil er fürchtet - und Sie haben es ja eben selber gesagt -, dass ihm bei der Rentenreform die Zustimmung einiger Abgeordneter im deutschen Bundestag fehlt. Deswegen hält er krampfhaft an seinem Minister fest, der jetzt auf der Anklagebank sitzt.
Gerner: Gerhard Schröder hätte schon von Anfang an seinen Verkehrsminister dem Bundespräsidenten zur Entlassung vorschlagen müssen, aber dazu hat er offensichtlich nicht die Kraft, weil er fürchtet - und Sie haben es ja eben selber gesagt -, dass ihm bei der Rentenreform die Zustimmung einiger Abgeordneter im deutschen Bundestag fehlt. Deswegen hält er krampfhaft an seinem Minister fest, der jetzt auf der Anklagebank sitzt.
Gerner: Das halten Sie für mehr als eine Spekulation?
Merz: Ich halte das für eine ganz realistische Einschätzung der Lage. Er kann sich im Augenblick nicht leisten, einen Minister zu entlassen, weil er fürchten muss, dass große Teile der Linken in seiner eigenen Fraktion ihm dann auf dem Weg in die Rentenreform nicht mehr folgen. Das heißt der Bundeskanzler ist mit einem Bundesminister, der auf der Anklagebank sitzt, jetzt offensichtlich selbst nicht mehr handlungsfähig. Das ist kein gutes Vorzeichen für die Rentenreform.
Gerner: Der Fraktionschef der Union im Bundestag Friedrich Merz war das. Ganz herzlichen Dank nach Berlin für dieses Gespräch und noch einen schönen Tag!
Link: Interview als RealAudio
Riester: Guten Morgen!
Gerner: Herr Riester, der Entwurf zur Rentenreform, der heute im Bundestag eingebracht wird, wird ohne die Anfang der Woche mit den Grünen abgesprochene Änderung vorgelegt. Ein Papier, das im Grunde schon zu Beginn Makulatur ist. Ist das nicht eine denkbar ungünstige Ausgangslage, um die Reform rasch durch den Bundestag zu bekommen?
Riester: Wenn es so wäre ja. Nur es gibt keine Änderung, die mit den Grünen beschlossen worden ist. Mit den Grünen ist beschlossen worden, dass wir durch die Zusammenfassung der vorgezogenen Auszahlung den Generationenvertrag nicht gefährden dürfen. Das darf auf keinen Fall passieren; das ist absolut richtig. Es wird dazu aber keine Änderung geben.
Gerner: Das was ausgehandelt worden ist, was in der Presse zu lesen ist, kann man schon als Nachbesserung interpretieren. Tatsache ist, dass die Front Ihrer Gegner nicht kleiner geworden ist. Der Hauptvorwurf ist, dass Sie mit dieser Reform Rentner in erste und zweite Klasse einteilen. Wer nach 2011 in Rente geht, wird hiernach deutlich weniger bekommen als zuvor. Wollen Sie diese Ungerechtigkeit?
Riester: Nein. Wir bauen ja eine kapitalgedeckte Altersvorsorge auf mit einer breiten Finanzierung. Wer ab 2011 in Rente geht, wird eine ergänzende zweite Säule haben und insgesamt mehr an Rentenzahlungen bekommen, als wenn wir nichts geändert hätten.
Gerner: Aber das zusätzliche schlimme an der Möglichkeit, die Sie nach 2011 bieten, ist ja, dass auch der Anreiz gegeben ist, dass Menschen möglichst schnell aus dem Berufsleben ausscheiden können, weil sie nach Aussage der Experten damit wesentlich weniger bekommen als zuvor. Da könnte ja die ganze Kalkulation für die die nächsten 30 Jahre über den Haufen geworfen sein?
Riester: Mit Sicherheit nicht. Das wären merkwürdige Experten. Schauen Sie, der Ausgleichsfaktor sind 0,3 Prozent pro Jahr. Wer aber ein Jahr vorgezogen in Rente geht, hat einen Abschlag von 3,6 Prozent. Wer jetzt vorgezogen geht, das wäre eine schlechte Rechnung. Diese Sache geht mit Sicherheit nicht auf.
Gerner: Kritiker vermissen aber nach wie vor von Ihnen schlagkräftige Argumente, wie Sie die Generationengerechtigkeit wieder herstellen wollen?
Riester: Wir stellen sie genau dadurch her, dass wir die Rente langfristig sichern, dass wir aber auch von der Beitragszahlung her sicherstellen, dass sie nicht nach oben geht. Wir werden erneut im nächsten Jahr den Rentenversicherungsbeitrag auf 19,1 Prozent absenken. Eine langfristige Sicherung und auch Bezahlbarkeit der Renten ist genau das, was die junge Generation braucht. Wenn wir jetzt die ergänzende Vorsorge breit unterstützen, dann haben wir eine Gesamtvorsorge, die deutlich über 70 Prozent liegt.
Gerner: Fraktionschef Struck hat Änderungen angemahnt, im Grunde schon angedeutet, dass sie kommen würden. Am Ende soll letzten Endes ein Rentenniveau über 61 Prozent, die Zahl, die bei Ihrem Modell herauskommen würde, liegen. Können Sie damit leben?
Riester: Ich muss Ihnen schon wieder widersprechen: nicht 61 Prozent, sondern 64,5.
Gerner: Auf jeden Fall das Rentenniveau. Die Zahlen gehen von 61 bis zur Zahl, die Sie nannten.
Riester: Herr Struck und ich sowie die gesamte Rechnung geht von 64,5 Prozent aus, und nur für diejenigen, die im Jahr 2030 in Rente gehen. Für die jetzigen Rentner wird sich gar nichts ändern. Es bleibt bei 70 Prozent. Für diejenigen, die in den nächsten zehn Jahren in Rente gehen, wird sich gar nichts ändern. Es bleibt bei 70 Prozent. Ich muss mal diesen Punkten widersprechen!
Gerner: Das sind die Zahlen, die durch die Presse kursieren.
Riester: Das mag ja sein; sie sind trotzdem falsch!
Gerner: Tatsache ist, dass es Kritik des linken SPD-Flügels und der Gewerkschaften an diesem Punkt gibt. Wäre es für Sie eine Schande, dort nachzubessern?
Riester: Es wäre für mich überhaupt keine Schande, aber es bedarf keiner Nachbesserung. Sie kommen mir laufend mit Nachbesserungen. Es bedarf keiner Nachbesserungen! Wir sind angetreten und haben gesagt, wir werden die Renten insgesamt langfristig sichern und anheben. Wir werden als zweites die Beiträge senken und stabilisieren. Wir werden als drittes dafür sorgen, dass Frauen, die durch Kindererziehung Unterbrechungen in der Arbeit haben, besser gestellt werden, und werden als viertes dafür sorgen, dass es keine verschämte Altersarmut gibt. Exakt diese vier Punkte bringen wir heute ins Parlament hinein und ich garantiere Ihnen: exakt diese Punkte wird die Rentenreform am Schluss haben.
Gerner: Gerhard Schröder hat Sie ja ins Kabinett geholt, damit Sie als "alter IG-Metaller" unter anderem Bindeglied zu den Gewerkschaften sein sollten. Das Gegenteil ist der Fall. Selten sind Gewerkschaften so Sturm gelaufen gegen einen Arbeitsminister. Was ist dort falsch gelaufen?
Riester: Zuerst einmal glaube ich kann man nicht von "den Gewerkschaften" sprechen. Ich bin mit den Gewerkschaften in einem ständigen Dialog und wir sind auch in den Beurteilungen gar nicht mehr sehr weit auseinander. Es gibt einige Kritikpunkte. Mit denen muss man sich auseinandersetzen. Mit denen setze ich mich auch auseinander. Man kann aber nicht sagen, dass "die Gewerkschaften" Sturm laufen.
Gerner: Und die Sache mit dem Bindeglied? Sehen Sie sich noch als Bindeglied zu den Gewerkschaften?
Riester: Ja natürlich. Ich sehe mich vor allem als ein aktiver Gewerkschafter, der ich weiterhin bin.
Gerner: Die Mehrheit im Bundestag, Herr Riester, ist nicht so groß, dass Sie lockeren Fußes dort hineingehen können.
Riester: Da habe ich jetzt auch noch drauf gewartet, dass Sie mit dem kommen. Es gibt breite Unterstützung in den Koalitionsfraktionen, und dann sprechen Sie nicht mehr von einer Mehrheit.
Gerner: Glauben Sie, dass das ganze bis zu den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg im kommenden März über die Bühne gehen kann?
Riester: Ja, das kann ich Ihnen sagen. Bis zum März wird das im deutschen Bundestag beschlossen sein, mit hoher Wahrscheinlichkeit schon Ende Januar.
Gerner: In dem Zusammenhang gibt es ja auch Mutmaßungen, dass es in der SPD deshalb zum Fall Reinhard Klimmt so still ist, weil man die Saarländer, die man bei der Abstimmung unbedingt braucht, bei der Stange halten will?
Riester: Wenn ich die ganze Früh mit Ihnen nur Mutmaßungen, Verdächtigungen und zum Teil Dinge besprechen muss, die ich laufend korrigieren muss, was bringt denn das einem Interview?
Gerner: Dann werden wir doch konkret zum Fall Reinhard Klimmt. Daran kommen wir heute Morgen nicht vorbei. Haben Sie Verständnis dafür, dass die Öffentlichkeit so hartnäckig fragt, was mit dem Mann jetzt wird?
Riester: Ja natürlich können Sie fragen, was mit dem Mann jetzt wird. Der Mann sagt auch klar, dass ihm kein Schuldvorwurf bewusst ist. Solange das so ist, muss man das auch so hinnehmen.
Gerner: Halten Sie Reinhard Klimmt im Kabinett noch für tragbar?
Riester: Ja!
Gerner: Weshalb?
Riester: Das habe ich Ihnen doch gerade gesagt. Ich nehme doch keinen aus dem Kabinett heraus, der klar sagt, dass er keinen Schuldvorwurf hat. Ursprünglich wollte er diesen Antrag gegen ihn annehmen, um endlich mal Ruhe an der Front zu haben, aber er sieht, er muss kämpfen und muss das klarstellen, und er macht das.
Gerner: Kommt Ihnen das nicht komisch vor, dass er zunächst bereit war, einen Strafbefehl anzunehmen.
Riester: Wenn Sie einmal erleben, welches Trommelfeuer von einem Teil der Medien gemacht wird, dann kommt mir manche Reaktion von Menschen nicht mehr komisch vor.
Gerner: Das war der Bundesarbeitsminister Walter Riester und mitgehört hat Friedrich Merz, der Fraktionschef der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. Schönen guten Tag auch an Sie nach Berlin!
Merz: Guten Morgen Herr Gerner.
Gerner: Herr Merz, zuletzt hat die CDU die Rentenkonsensrunden platzen lassen. Wird sie jetzt mitmachen?
Merz: Herr Gerner, wir haben die Rentenkonsensrunden nicht platzen lassen, sondern wir haben im Juni gesagt, wir haben jetzt genug miteinander geredet und jetzt wollen wir von der Bundesregierung, die die Verantwortung ja nun trägt, einen Gesetzentwurf haben. Das hat jetzt schon wieder vier Monate gedauert mit ständigen Nachbesserungen, und heute bekommen wir im Bundestag einen Gesetzentwurf eingebracht, der vom Kabinett gestern beschlossen worden ist, aber schon vorgestern von der Bundestagsfraktion der SPD in Frage gestellt worden ist, wo jetzt ohne Herrn Riester eine Arbeitsgruppe eingerichtet worden ist, die das alles noch einmal ändern und korrigieren soll. Sie sehen, wir hatten schon Recht damit, jetzt mal von der Bundesregierung zu verlangen, dass sie sagt was sie will. Wir wissen es allerdings immer noch nicht richtig.
Gerner: Diese Nachbesserungen sind ja auch mit einer Veränderungsbereitschaft seitens der SPD-Fraktion angekündigt worden. Wollen Sie sich diese Veränderungsbereitschaft konstruktiv zu Nutze machen?
Merz: Wir haben ja immer gesagt, dass wir bereit sind, auch über die Grenzen der Parteien hinweg den Versuch zu unternehmen, dieses wichtige Thema im Konsens zu lösen. Nun muss ich allerdings darauf hinweisen, der Rentenkonsens ist von den Sozialdemokraten schon im Jahre 1998 aufgelöst worden. Wir haben damals einen Rentenwahlkampf erlebt, der gegen uns geführt worden ist mit der Behauptung, ein Rentenniveau von 64 Prozent sei unanständig. Jetzt sind die Sozialdemokraten dabei, ein Rentenniveau von 64 Prozent, wahrscheinlich noch weniger, ausschließlich für die junge Generation festzuschreiben. Und alles das, was zusätzlich an Altersversorgung vorhanden sein soll, muss die junge Generation selbst ansparen. Dafür soll sie dann allerdings erst im Jahr 2002 die erste Förderung bekommen. Das ist von der ganzen Vorgehensweise und von der Art und Weise, wie das auch mit den Generationen gemacht wird, so unglaublich und es ist auch eine so grobe Verletzung der Generationengerechtigkeit, dass ich sagen muss, auf dieser Basis wird es mit uns einen Rentenkonsens nicht geben können. Wir sind nicht bereit, die gesamten Lasten der demographischen Entwicklung der Bevölkerung in unserem Land ausschließlich auf den Schultern der jungen Generation abzuladen.
Gerner: Das sagen ja auch die Kritiker Riesters auf der linken SPD-Seite. Werden Sie mit denen den Konsens suchen?
Merz: Die Kritiker, die Herr Riester in den eigenen Reihen hat, wollen die Quadratur des Kreises. Sie wollen ein höheres Rentenniveau für alle und niedrigere Rentenversicherungsbeiträge, als wir sie heute haben. Das ist eine Rechnung, die kann nicht aufgehen. Deswegen geht es hier um die Frage, wie verteilen wir die Lasten der Demographie gerecht auf die Schultern aller Generationen, und es geht zweitens um die Frage, warum ist die Bundesregierung nicht bereit, bereits im nächsten Jahr, wenn die Rentenreform in Kraft treten soll, die private zusätzliche Altersversorgung zu fördern. Das sind zwei entscheidende Punkte. Wenn an dieser Stelle die Bundesregierung bereit ist nachzubessern - nachbessern ist ja eines ihrer Wesensmerkmale -, dann sind wir bereit, auch neu nachzudenken. Zunächst einmal ist die Bundesregierung jetzt am Zuge und wir wollen wisse, was jetzt in den Bundestag eingebracht wird und was wirklich gilt.
Gerner: Ein Teil der Rentenreform ist ja im Bundesrat zustimmungspflichtig. Da wartet im Grunde auf die Union eine ähnliche Falle und auch auf Sie wie bei der Steuerreform. Damals haben Sie bei der Steuerreform auf Konfrontation gespielt und sind, wenn man das so sagen kann, grandios gescheitert. Welche Lehren haben Sie daraus gezogen? Wollen Sie es diesmal anders angehen?
Merz: Wir haben zunächst einmal, Herr Gerner, im Bundesrat sehr viel mehr durchgesetzt, als die Sozialdemokraten selber bereit gewesen wären zu akzeptieren. Ich bleibe auch bei meiner Auffassung, es wäre eine bessere Reform möglich gewesen, wenn alle von uns die Nerven behalten hätten. Aber das ist nun Geschichte. Für die Rentenreform gilt, dass nur der kleinere Teil der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nämlich der Teil, der sich mit der privaten Vorsorge und deren Förderung befasst. An dieser Stelle sind wir mit den Sozialdemokraten einig. Es war ja im übrigen auch unser Vorschlag zu sagen, dass die Versorgungslücke in der gesetzlichen Rentenversicherung durch eine private Vorsorge geschlossen werden muss. Der größere Teil des Problems liegt im nicht zustimmungsbedürftigen Teil der Rentenreform, nämlich in der Reform der eigentlichen Rente selbst. Dafür muss rot/grün selbst eine parlamentarische Mehrheit zu Stande bringen. Ich bin gespannt, wie das in den nächsten Wochen im parlamentarischen Beratungsverfahren im deutschen Bundestag weitergeht. Wir bekommen jedenfalls heute einen Gesetzentwurf eingebracht, der vorgestern schon in Frage gestellt worden ist und korrigiert worden ist. Keiner weis allerdings genau, wie er korrigiert worden ist. Auch das ist ein bisschen typisch für diese Bundesregierung.
Gerner: Herr Merz, Ihr Kommentar zum Fall Klimmt.
Merz: Sie haben ja gerade in den Verrenkungen von Herrn Riester schon gehört, wie schwierig es den eigenen Leuten fällt zu rechtfertigen, was dort passiert. In der alten Bundesregierung von Helmut Kohl, die jetzt so kriminalisiert wird auch durch den Untersuchungsausschuss, hat es nicht einen einzigen Fall gegeben, wo ein Minister einen Strafbefehl bekommen hat, und es hat nicht einen einzigen Fall gegeben, wo ein amtierender Bundesminister auf der Anklagebank saß in einem laufenden Strafverfahren. Herr Klimmt wird sich in den nächsten Wochen wie ein angeschlagener Preisboxer durch dieses Land bewegen, weil er seine Aufgabe als Verkehrsminister gar nicht mehr richtig wahrnehmen kann. Er sitzt nämlich mit dem Kopf immer auf der Anklagebank in seinem Strafverfahren. Ich halte es für eine Zumutung, dass der Bundeskanzler der Meinung ist, dass ein solcher Minister im Amt bleiben kann.
Gerner: Was sollte Gerhard Schröder tun?
Merz: Gerhard Schröder hätte schon von Anfang an seinen Verkehrsminister dem Bundespräsidenten zur Entlassung vorschlagen müssen, aber dazu hat er offensichtlich nicht die Kraft, weil er fürchtet - und Sie haben es ja eben selber gesagt -, dass ihm bei der Rentenreform die Zustimmung einiger Abgeordneter im deutschen Bundestag fehlt. Deswegen hält er krampfhaft an seinem Minister fest, der jetzt auf der Anklagebank sitzt.
Gerner: Gerhard Schröder hätte schon von Anfang an seinen Verkehrsminister dem Bundespräsidenten zur Entlassung vorschlagen müssen, aber dazu hat er offensichtlich nicht die Kraft, weil er fürchtet - und Sie haben es ja eben selber gesagt -, dass ihm bei der Rentenreform die Zustimmung einiger Abgeordneter im deutschen Bundestag fehlt. Deswegen hält er krampfhaft an seinem Minister fest, der jetzt auf der Anklagebank sitzt.
Gerner: Das halten Sie für mehr als eine Spekulation?
Merz: Ich halte das für eine ganz realistische Einschätzung der Lage. Er kann sich im Augenblick nicht leisten, einen Minister zu entlassen, weil er fürchten muss, dass große Teile der Linken in seiner eigenen Fraktion ihm dann auf dem Weg in die Rentenreform nicht mehr folgen. Das heißt der Bundeskanzler ist mit einem Bundesminister, der auf der Anklagebank sitzt, jetzt offensichtlich selbst nicht mehr handlungsfähig. Das ist kein gutes Vorzeichen für die Rentenreform.
Gerner: Der Fraktionschef der Union im Bundestag Friedrich Merz war das. Ganz herzlichen Dank nach Berlin für dieses Gespräch und noch einen schönen Tag!
Link: Interview als RealAudio