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Hickel: In Spanien haben vor allem die Banken versagt

Die Idee, die spanischen Banken zu rekapitalisieren, sei zwar richtig, sagt der Finanzwissenschaftler Rudolf Hickel. Zudem brauche es aber schärfere Regeln für die Geldhäuser und eine europaweite Reform der Finanzmärkte, die maßgeblich die Schuld an der Krise tragen.

Rudolf Hickel im Gespräch mit Sandra Schulz | 11.06.2012
    Sandra Schulz: Gedrängt habe ihn niemand, er habe die Kredite durchgesetzt. So wird der spanische Ministerpräsident Rajoy zitiert. Und das ist eine durchaus überraschende Darstellung, denn schon seit der vergangenen Woche hatten viele in Brüssel und in den europäischen Hauptstädten mit diesem Schritt gerechnet. Widerspruch und Dementis kamen aber immer wieder aus Madrid. Seit dem Wochenende ist jetzt klar: Auch Spanien wird nach Griechenland, Irland und Portugal Hilfen aus Europa in Milliardenhöhe in Anspruch nehmen. Die genaue Summe ist noch unklar, bis zu 100 Milliarden stehen bereit, 40 Milliarden werden es wohl mindestens. Und darüber wollen wir in den kommenden Minuten sprechen, am Telefon begrüße ich den Finanzwissenschaftler Professor Rudolf Hickel vom Institut Arbeit und Wirtschaft an der Uni Bremen, Autor des Buches "Zerschlagt die Banken". Guten Morgen!

    Rudolf Hickel: Schönen guten Morgen, Frau Schulz.

    Schulz: Herr Hickel, die spanischen Banken sind jetzt also gerettet mit europäischen Milliarden. Also alles gut in Europa?

    Hickel: Nein, so kann man das nicht sagen. Man muss, glaube ich, zwei Dinge unterscheiden. Das erste: Worum geht es eigentlich bei der Rettung? Wir haben in Spanien im Gegensatz zu Griechenland eine Schuldenkrise beziehungsweise eine Krise des Staates, die vor allem Folge der Bankenkrise ist, also der Tatsache, dass die Banken Immobilienkredite vergeben haben, die jetzt zusammengebrochen sind, und die Hilfe konzentriert sich auf eine Rekapitalisierung, wie man so schön sagt, der Banken. Das heißt also auf gut Deutsch: Die Abschreibungen und Wertberichtigungen müssen finanziert werden, damit die Banken nicht zusammenbrechen. Das ist das eine.
    Das andere ist, dass die Art des Zustandekommens dieses Hilfspakets wirklich zeigt, dass die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union, vor allem im Euro-Land, überhaupt nicht gegeben ist. Wenn am Samstag der Finanzminister Schäuble erklärt, es sei jetzt eine vernünftige Lösung gefunden worden, dann muss man sagen, auf solche Fälle, die ja lange bekannt waren, wie Spanien mit der Bankenkrise, ist im Grunde genommen das Euro-System, sind auch die Rettungsfonds nicht vorbereitet. Hier zeigen sich Defizite und da müssen ganz, ganz schnell Konsequenzen gezogen werden.

    Schulz: Aber Europa hat sich ja gerade handlungsfähig gezeigt und das ist mit Erleichterung auf der ganzen Welt aufgenommen worden. Es wird auch mit einer Beruhigung der Finanzmärkte gerechnet. Inwiefern war Europa da handlungsunfähig?

    Hickel: Insgesamt muss man doch sagen, es war doch geradezu peinlich, wie die Story abgelaufen ist. Einerseits war immer die Rede vom patriotischen Stolz der Spanien, die im Grunde genommen nur eine Bankenrettung wollten und keine unmittelbaren Mittel aus dem ESM, also aus dem Rettungsfonds, weil sie dann natürlich sofort auch der von vor allem der Bundeskanzlerin vertretenen scharfen Konditionierungspolitik, also Einsparpolitik unterliegen. Das war schon einigermaßen dramatisch.
    Und das Zweite ist: Ich meine, die Formulierungen, die jetzt am Wochenende über die Medien laufen, wenn man genauer hinsieht, sind sie doch sehr oberflächlich, um nicht zu sagen sogar peinlich. Warum? – Da wird gesagt, die Finanzmärkte müssen beruhigt werden. Was ist das für eine Formulierung? Wir haben bei der Bankenkrise es damit zu tun, dass die Banken versagt haben, vor allem auch die spanischen Banken, dass der Staat – das muss man kritisch hinzufügen -, der spanische Staat das auch zugelassen hat. Wir müssen nicht die Finanzmärkte beruhigen, sondern wir müssen jetzt Konsequenzen ziehen, damit das an den Finanzmärkten nicht mehr passiert, und ich finde, Barnier, der zuständige Kommissar, Binnenkommissar in der EU, hat das richtig formuliert: Wir brauchen einen europaübergreifenden Einlagensicherungsfonds, wir brauchen vor allem Aufsicht, damit so etwas nicht mehr passiert. Das heißt also, Spanien ist im Unterschied zu Griechenland der erste Krisenfall, an dem sich zeigt, dass die Finanzmärkte maßgeblich die Schuld haben an diesem Fehlverhalten, an dieser Fehlentwicklung, und deshalb müssen die Finanzmärkte diszipliniert werden, nicht beruhigt werden, sondern diszipliniert werden. Das sind Forderungen, die jetzt dringend diskutiert werden müssen. Man sieht – ich bin ja ein großer Förderer des Rettungsfonds, weil der Rettungsfonds macht jetzt Spanien unmittelbar unabhängig, das ist ganz wichtig, von den Kapitalmärkten, die sonst sich jetzt horrende Zinssätze durchsetzen würden. Das verhindert der Rettungsfonds, aber der Rettungsfonds muss gleichzeitig verbunden werden mit einer grundlegenden Reform, und zwar einer europaweiten Reform beziehungsweise zumindest innerhalb der Euro-Länder einer Reform der Finanzmärkte.

    Schulz: Können Sie uns noch mal erklären, um den Schritt zurück vielleicht noch mal zu machen, die Erkenntnisse, die Sie uns jetzt hier schildern, die sind ja allesamt nicht neu. Die Lehman-Pleite liegt ja schon fast vier Jahre zurück. Wieso ist jetzt in Europa überhaupt wieder eine Bankenkrise entstanden?

    Hickel: Das kann man sehr gut erklären, weil hier sich zeigt, dass in Spanien vor allem die Banken versagt haben. Die Banken haben natürlich Immobilienkredite vergeben, die im Grunde genommen nicht die Werthaltigkeit haben, die angenommen worden ist. Übrigens hat der Staat da auch eine Schuld, ich habe es schon gesagt. Er hat es zugelassen, dass die Immobilienkredite vergeben werden. Und jetzt sehen wir an dieser Stelle: Wenn man Schuldenkrisen bekämpft, dann hat man eben auch die Schuldenkrisen zu bekämpfen, die zurückzuführen sind darauf, dass Banken im Grunde genommen dieses Unwesen getrieben haben, und wir haben ja eine Latte von Vorschlägen, Beispielsweise wenn jetzt die Eigenkapitalregelungen kommen von Basel III, die ja ab 2013 einsetzen. Die sehen zum Beispiel zurecht eine Verschärfung vor, dass wenn beispielsweise künftig eine spanische Bank einen Kredit vergibt, vor allem einen Immobilienkredit, dass sie dann erheblich mehr Eigenkapitalvorsorge betreiben muss. Das heißt also, wenn der Kredit zusammenbricht, wenn er sich nicht halten lässt, wenn er sich als faul erweist, dass dann die Bank selber in der Lage ist, den Kredit zu vergeben. Oder am besten wäre es, dass die Regeln so scharf sind, dass die Bank gar nicht mehr auf die Idee kommt, im Rahmen ihres Geschäftsmodells solche unseriösen Geschäfte zu betreiben.

    Schulz: Wobei umgekehrt, wenn wir es richtig verstanden haben, die spanischen Banken durchaus, abgesehen von der geplatzten Immobilienblase, auch in Bedrängnis gekommen sind, eben durch diese neuen und jetzt verschärften Eigenkapitalvorschriften. Ist die Krise da sozusagen zu einer Falle geworden?

    Hickel: Nein, das glaube ich nicht. Natürlich ist es klar, dass das die Banken jetzt erst mal belastet hat. Da stimme ich Ihnen zu, Frau Schulz. Aber entscheidend ist doch die Ursache. Die Ursache ist, dass hier völlig unkontrolliert ein Bankensystem eine Kreditblase aufbauen konnte, die jetzt ganz brutal geplatzt ist, und jetzt ist die Frage, wie kommt man da raus, und da ist natürlich die Idee, jetzt die Banken zu rekapitalisieren, richtig, denn wenn die Banken zusammenbrechen, dann ist Spanien ja als viertgrößte Volkswirtschaft innerhalb der Europäischen Union und vor allem als eine Volkswirtschaft, die ökonomisch ja gar nicht so schlecht dasteht, dann würde Spanien zusammenbrechen. Man muss auch am heutigen Morgen noch mal sagen, dass die Ökonomie in Spanien im Vergleich zu anderen Ländern innerhalb des Euro-Landes recht gut dasteht. Wir haben eigentlich 2005 noch sogar Überschüsse gehabt, das heißt keine Verschuldung, sondern Überschüsse im Haushalt. Die Staatsschuldenquote ist auch noch vergleichbar verträglich. Wir haben eigentlich nur – und das ist wieder interessant, das wirft jetzt das Licht wieder auf den Fiskalpakt und auf die Debatte in Deutschland, vor allem der Bundeskanzlerin -, wir haben im Grunde genommen den Einbruch in dem Moment, als Spanien sich entschließen musste beziehungsweise gezwungen wurde, ein massives Sparprogramm durchzusetzen. Da haben wir den Einbruch der Wirtschaft. Im April ist die Industriewirtschaft um acht Prozent eingebrochen. Und da sieht man: Sparpakete alleine sind falsch, sie verschärfen sogar das Problem, sondern – und damit sind wir mitten in der Debatte – Spanien ist auch ein Beispiel dafür, dass wir endlich ein Konzept brauchen, so wie es Frau Lagarde gefordert hat, sie spricht vom Masterplan, wir brauchen endlich ein mittelfristiges Konzept zur Stärkung der Ökonomien. Das ist die beste, wenn ich es mal so formulieren darf, Waffe gegen die Spekulationsgeschäfte derer, die versuchen, aus der Krise jetzt auch noch Profite zu schlagen, nämlich die Spekulanten-Hedgefonds und wie sie alle heißen.

    Schulz: Und das werden wir auch gleich weiter diskutieren im Interview dann mit Finanzminister Wolfgang Schäuble hier im Deutschlandfunk ab 7:15 Uhr. Das war der Finanzwissenschaftler Professor Rudolf Hickel heute hier in den "Informationen am Morgen". Haben Sie herzlichen Dank dafür.

    Hickel: Schönen Dank, Frau Schulz.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.