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"Hier müssen alle helfen, das Feuer zu löschen"

Norbert Walter, Chefökonom der Deutschen Bank, verweist auf die undenkbare Alternative zum jetzt beschlossenen europäischen und avisierten nationalen Rettungsplan: einen Zusammenbruch der Banken und damit der Wirtschaft. Eine starke Regulierung müsse folgen.

Norbert Walter im Gespräch mit Dirk Müller |
    Dirk Müller: Verstaatlichung ja oder nein. Ein Thema, worüber wir reden wollen nun mit Norbert Walter, Chefökonom der Deutschen Bank. Wir hatten vor zwei Stunden Gelegenheit, mit ihm darüber in Washington zu sprechen.

    Norbert Walter: Guten Morgen!

    Müller: Herr Walter, geht es nach uns diesem Wochenende der Ankündigungen und der Beschlüsse besser?

    Walter: Das kann man gut hoffen und es sieht so aus, als ob die Märkte in Australien, in Asien auf diese Nachricht jedenfalls sehr viel besser reagiert haben, als die Märkte am Freitag waren. Es gibt also Hoffnung.

    Müller: Ist wirklich etwas passiert?

    Walter: Ja. Es gibt einen klaren Konsens zwischen den wichtigen Ländern der Welt, dass diese Situation so dramatisch ist, dass man alle Hebel in Bewegung setzen muss und gemeinsam in Bewegung setzen muss. Ich glaube, dass die Maßnahmen, die jetzt angekündigt sind, wenn sie dann politisch durch die entsprechenden Gremien sind, in der Tat geeignet sind, das Vertrauen wiederherzustellen.
    Müller: Es war viel von Gemeinsamkeit die Rede. Es war viel auch davon die Rede, dass es außergewöhnliche Maßnahmen sein müssen, die aus der Krise helfen oder die zumindest angesetzt werden müssen, um Schritte zu finden aus der Krise herauszukommen. Aber was sind im internationalen Kontext gesehen diese gemeinsamen Hebel?

    Walter: Ich glaube, dass die Engländer bei der Überlegung letzte Woche dann am Ende die richtige Orientierung gefunden haben und das auch relativ glaubwürdig und überzeugend an die anderen vermitteln konnten und dass man in Washington dann eben die entsprechenden Schritte auf den Weg brachte. Notfalls dann, wenn durch Ereignisse, die schwer abzusehen sind, Banken, deren Geschäftsmodell in Ordnung ist, die aber wegen schwieriger Wertpapiergeschäfte in Schwierigkeiten kommen, dass man denen mit Eigenkapitalhilfe seitens der staatlichen Stellen beispringt. Das wurde jetzt praktisch in allen wichtigen Ländern vereinbart. Und daneben die anderen Lösungen, die zum Teil ja schon in den USA auf den Weg gebracht waren, dann auch jetzt für Europa vorgesehen sind, dass es von den Wertpapieren, die derzeit nicht so werthaltig sind, jedenfalls was man derzeit für sie erlösen kann, dass man für sie verschiedene Regelungen findet auf der einen Seite, dass der Staat auch dort Garantien übernimmt und/oder, dass man die Bewertung dieser Wertpapiere abweichend von den jetzigen Regelungen für eine gewisse Zeit auf eine Basis stellen kann, die nicht so schnell zu großen Verlusten von Einrichtungen führen.

    Müller: Die deutsche Seite, Herr Walter, hat ja immer wieder damit argumentiert, vor allem auch Peer Steinbrück, die Deutschen sind gar nicht so anfällig wie die anderen und auf der anderen Seite wird es bei uns eine Teilverstaatlichung, eine Verstaatlichung der Banken nicht geben. Hat er damit recht?

    Walter: Da gab es einige Ursprünge für die Krise, die waren nicht bei uns zu finden. Aber die Verflochtenheit der Geschäftsbanken ist so groß und die Käufe von Wertpapieren, die hat eben auf der Basis von Hypotheken, die in den USA dann faul wurden, auch weltweit verkauft waren, haben sehr, sehr schnell bei uns auch in Banken zu entsprechenden Wirkungen geführt. Und wenn dann Banken, die vor Kurzem noch sehr robust waren, plötzlich bankrott gehen, dann sind natürlich auch deutsche Einrichtungen ganz schnell in einer außerordentlich schwierigen Lage. Und der kritischste Punkt war im Verlaufe der letzten drei Wochen dann halt eben der Untergang der Lehman Bank und dies hat doch ganz, ganz viele wachgerüttelt und klargemacht, dass auch dann, wenn der Ursprung der Krise nicht im eigenen Land liegt, die Wirkung der Krise im eigenen Land ganz schnell ankommen kann.

    Müller: War der Finanzminister politisch naiv?

    Walter: Der Finanzminister war auch nicht so gut, wie er hätte sein sollen und auch nicht so gut wie andere Bankenmanager, die diese Risiken auch nicht früh genug gesehen haben und entsprechend für sie vorsorgten. Es hat überhaupt keinen Sinn, auf irgendjemand mit Fingern zu zeigen. Die Krise ist zu dramatisch. Hier müssen alle anpacken, hier müssen alle helfen, das Feuer zu löschen.

    Müller: Aber trotzdem, Herr Walter, können wir uns fragen, inwieweit die Bundesregierung, die deutsche Politik schnell genug und angemessen genug reagiert hat. Hat die Bundeskanzlerin auch zu lange gezögert?

    Walter: Noch einmal, es hat keinen Sinn, Finger zeigen da auf die anderen, die eigenen Fehler sind da ebenso offensichtlich und es ist außerordentlich nützlich gewesen, dass im Verlaufe der letzten Woche noch einmal durchaus durch Führung auch der Engländer, die nunmehr europäischen Geist gezeigt haben, in Europa die Dinge vorangekommen sind. Da ist der französische Präsident, der ja jetzt den Auftrag hat, im Europäischen Rat Führung zu zeigen, diese Führung auch gezeigt hat. Das war ein gutes Zeichen, weltwirtschaftlich auch. In Washington war deutlich zu erkennen, dass die Krise, die mittlerweile eben auch in die Entwicklungs- und Schwellenländer überschwappt, dass man die in ihrer Problematik auch dort sieht. Auch das ist gut, auch das lässt hoffen, dass wir die Krise nun eindämmen.

    Müller: Es geht ja, Herr Walter, bei den Banken, bei diesem Rettungspaket einerseits um Beteiligung, es geht um Auflagen, es geht um härtere Regelungen und insgesamt auch um mehr Kontrolle und eben um diese Kapitalbeteiligung. Ist das eine Art Teilverstaatlichung?

    Walter: Daraus kann eine Teilverstaatlichung jedenfalls für eine gewisse Zeit werden. Das kann passieren, und das ist dann die bessere Lösung, als dass weitere Banken zusammenbrechen und damit ein Dominoeffekt entsteht. Aber es ist richtig, dass Steinbrück es deutlich gemacht hat, die Frau Bundeskanzlerin ebenso, dass dies keine Zielsetzung der Bundesregierung ist, sondern eine Notmaßnahme, eine Auffangmaßnahme und dass man natürlich danach wiederum den Versucht macht, so zügig wie möglich die Banken, die dann teilweise mit staatlichen Mitteln aufrecht erhalten werden, wieder auf Beine zu stellen, die nicht mehr durch den Staat gesteuert sind.

    Müller: Aber dieses Schlagwort der Verstaatlichung, das ist in dieser Situation kein Schlagwort, was Sie zum Schütteln bringt?

    Walter: Das ist etwas, was schüttelt, aber die Alternative ist das Schlimmere, nämlich dass unser Finanzsystem, dadurch dass wichtige, heute funktionsfähige Banken in Schwierigkeiten geraten, auch dann insgesamt gefährdet wird. Es hat keinen Sinn, dass man seine Wunschliste, seinen Weihnachtszettel dauernd im Sinn hat, wenn die Krise da ist.

    Müller: Wenn der Staat so eingreift, wie er das jetzt vorhat, wenn er so viel investiert, wie er jetzt das vorhat, ist das dann auch nicht richtig, dass er sagt, dann gehört die Bank eben zu Teilen auch mir?

    Walter: Erstens ist das so, dann hat derjenige, der Eigentümer ist, auch die Verantwortung. Aber der Staat hat nicht nur die Verantwortung, dann, wenn er Eigentümer wird. Ich glaube, dass es auch gute Gründe dafür gibt, die Regulierung von Banken anders zu gestalten, als das in der Vergangenheit der Fall war. Denn Teile dessen, was da geschehen ist, mehr in den USA als bei uns, ist eben durch ungeeignete Regulierung entstanden. Und dies gilt es zu korrigieren, damit man eine Wiederholung dieser Kalamität vermeidet.

    Müller: Danke nach Washington. Norbert Walter, Chefökonom der Deutschen Bank.