Sandra Schulz: Der Angriff auf den Passauer Polizeichef Alois Mannichl gibt weiter Rätsel auf. Nach dem Anschlag hatten sich die Ermittler ja auf die rechte Szene konzentriert. Nun ermittelt sie wieder in alle Richtungen und nach allem, was öffentlich bekannt ist, ohne heiße Spur. Von Merkwürdigkeiten sprach zuletzt - so jedenfalls von der "Süddeutschen Zeitung" zitiert - die Staatsanwaltschaft. Das Thema spielt jedenfalls mittelbar eine Rolle bei der Klausur der CSU-Landtagsfraktion in Wildbad Kreuth - mit einer Pointierung, über die wir zuletzt im Dezember sprachen, direkt nach dem Anschlag auf Mannichl, und davor auch immer wieder, seitdem das Bundesverfassungsgericht das Verfahren vor fünf Jahren eingestellt hatte. Soll die Bundesregierung einen neuen Anlauf starten für ein zweites NPD-Verbotsverfahren? - Im Studio jetzt der Jurist und Deutschlandfunk-Chefredakteur Stephan Detjen. Wohin führt diese Debatte?
Stephan Detjen: Frau Schulz, ich kann das auch nicht sagen, wohin sie noch führen wird, ob sie noch vor das Bundesverfassungsgericht führen wird. Ich glaube, wenn Sie danach fragen, nicht, dass es zu einem neuen Verbotsverfahren kommen wird. Ich glaube eher, dass sich da die doch sehr schwergewichtigen Bedenken gegen einen solchen Anlauf durchsetzen werden. Aber man kann sicherlich heute, auf den Tag genau einen Monat nach dieser Tat, sagen, wohin sie in dieser Zeit bisher geführt hat, nämlich ins Ungewisse. Sie haben das ja gesagt. Zumindest von der Gewissheit, mit der in den ersten Tagen nach der Tat behauptet wurde, man wisse, dass es sich da um einen rechtsextremen Anschlag aus der Neonazi-Szene handle, von dieser Gewissheit ist nichts mehr geblieben. Sie haben die letzten Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft zitiert. Auch das bayerische Landeskriminalamt, das die Ermittlungen ja übernommen hat, sagt, es bleibe nicht mehr als die reine Möglichkeit eines rechtsextremen Hintergrundes.
Schulz: Und wenn wir jetzt konkret auf den Fall Mannichl blicken und die NPD-Verbotsdebatte, die sich ja daran anknüpft, sind das politische Reflexe?
Detjen: Man kann sicherlich deutlich sehen, dass hier Reflexe am Werk sind in der Reaktion auf solche Taten, die einen rechtsextremen Hintergrund nahelegen könnten. Das haben wir ja auch nicht zum ersten Mal erlebt. Denken Sie etwa an den Fall aus dem sächsischen Sebnitz aus dem Herbst des Jahres 2000, als man aufdeckte, dass ein Junge dort in einem Schwimmbad ertrunken wurde. In den ersten Berichten hieß es, er sei von Rassisten ertränkt worden. Das hat sich in Luft aufgelöst. Das ist eigentlich auch das Erschreckende, dass man daraus wenig gelernt hat. Es sind hier Reflexe im Gang, aber es sind sicherlich nicht nur politische Reflexe. Da wirken vielfältige Kräfte zusammen, politische Reflexe, mediale Reflexe, gesellschaftliche Reaktionen.
Schulz: Wir können und wollen jetzt die rechte Szene natürlich noch nicht freisprechen. Die Ermittlungen laufen noch. Aber vielleicht schon vorab: die Zweifel, die jetzt aufgetaucht sind, welchen Schaden geben sie dem Kampf gegen Rechts?
Detjen: Ich glaube, man muss zunächst mal festhalten, dass hier natürlich auch ein ganz höchst persönlicher Schaden für den Passauer Polizeidirektor Alois Mannichl droht, der ja mittlerweile nicht nur Opfer dieser Tat ist, sondern persönlich zum Objekt von wild wuchernden Spekulationen geworden ist. Aber ein Schaden droht sicherlich auch für rechtsstaatliche Verfahren, für die Instrumente des Staates im Kampf gegen politischen Extremismus und Gewalttäter, namentlich eben für das Bundesverfassungsgericht, das sich ganz ähnlich wie am Anfang des letzten NPD-Verbotsverfahrens im Sommer 2000 einem enormen politischen Druck ausgesetzt sieht, einer öffentlichen Diskussion, die jenseits rechtlicher Argumente und Plausibilitäten geführt wird.
Schulz: Und wie kritisch müssen wir uns auseinandersetzen mit den Reflexen, auf die Sie auch schon angespielt haben, in den Medien, bei uns?
Detjen: Ich habe das natürlich dieser Tage auch selber noch mal angeschaut, wie wir im Deutschlandfunk über diesen Fall berichtet haben - insbesondere in unseren Nachrichten. Ich bin darauf gestoßen, dass wir da in unserer Sprache immer sehr sorgfältig waren, abgewogen haben, wo es sich um Verdachtsmomente handelt, wo etwas bestätigt ist, wo etwas nicht bestätigt ist. Aber natürlich haben auch wir in unserer eigenen Berichterstattung das gespiegelt, was sich in der Politik, was sich in der übrigen Medienlandschaft, was sich in unserer Gesellschaft in der Reaktion auf die Berichte aus Passau Ende letzten Jahres abgespielt hat.
Schulz: Einschätzungen heute Morgen von Deutschlandfunk-Chefredakteur und Jurist Stephan Detjen. Danke schön!
Stephan Detjen: Frau Schulz, ich kann das auch nicht sagen, wohin sie noch führen wird, ob sie noch vor das Bundesverfassungsgericht führen wird. Ich glaube, wenn Sie danach fragen, nicht, dass es zu einem neuen Verbotsverfahren kommen wird. Ich glaube eher, dass sich da die doch sehr schwergewichtigen Bedenken gegen einen solchen Anlauf durchsetzen werden. Aber man kann sicherlich heute, auf den Tag genau einen Monat nach dieser Tat, sagen, wohin sie in dieser Zeit bisher geführt hat, nämlich ins Ungewisse. Sie haben das ja gesagt. Zumindest von der Gewissheit, mit der in den ersten Tagen nach der Tat behauptet wurde, man wisse, dass es sich da um einen rechtsextremen Anschlag aus der Neonazi-Szene handle, von dieser Gewissheit ist nichts mehr geblieben. Sie haben die letzten Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft zitiert. Auch das bayerische Landeskriminalamt, das die Ermittlungen ja übernommen hat, sagt, es bleibe nicht mehr als die reine Möglichkeit eines rechtsextremen Hintergrundes.
Schulz: Und wenn wir jetzt konkret auf den Fall Mannichl blicken und die NPD-Verbotsdebatte, die sich ja daran anknüpft, sind das politische Reflexe?
Detjen: Man kann sicherlich deutlich sehen, dass hier Reflexe am Werk sind in der Reaktion auf solche Taten, die einen rechtsextremen Hintergrund nahelegen könnten. Das haben wir ja auch nicht zum ersten Mal erlebt. Denken Sie etwa an den Fall aus dem sächsischen Sebnitz aus dem Herbst des Jahres 2000, als man aufdeckte, dass ein Junge dort in einem Schwimmbad ertrunken wurde. In den ersten Berichten hieß es, er sei von Rassisten ertränkt worden. Das hat sich in Luft aufgelöst. Das ist eigentlich auch das Erschreckende, dass man daraus wenig gelernt hat. Es sind hier Reflexe im Gang, aber es sind sicherlich nicht nur politische Reflexe. Da wirken vielfältige Kräfte zusammen, politische Reflexe, mediale Reflexe, gesellschaftliche Reaktionen.
Schulz: Wir können und wollen jetzt die rechte Szene natürlich noch nicht freisprechen. Die Ermittlungen laufen noch. Aber vielleicht schon vorab: die Zweifel, die jetzt aufgetaucht sind, welchen Schaden geben sie dem Kampf gegen Rechts?
Detjen: Ich glaube, man muss zunächst mal festhalten, dass hier natürlich auch ein ganz höchst persönlicher Schaden für den Passauer Polizeidirektor Alois Mannichl droht, der ja mittlerweile nicht nur Opfer dieser Tat ist, sondern persönlich zum Objekt von wild wuchernden Spekulationen geworden ist. Aber ein Schaden droht sicherlich auch für rechtsstaatliche Verfahren, für die Instrumente des Staates im Kampf gegen politischen Extremismus und Gewalttäter, namentlich eben für das Bundesverfassungsgericht, das sich ganz ähnlich wie am Anfang des letzten NPD-Verbotsverfahrens im Sommer 2000 einem enormen politischen Druck ausgesetzt sieht, einer öffentlichen Diskussion, die jenseits rechtlicher Argumente und Plausibilitäten geführt wird.
Schulz: Und wie kritisch müssen wir uns auseinandersetzen mit den Reflexen, auf die Sie auch schon angespielt haben, in den Medien, bei uns?
Detjen: Ich habe das natürlich dieser Tage auch selber noch mal angeschaut, wie wir im Deutschlandfunk über diesen Fall berichtet haben - insbesondere in unseren Nachrichten. Ich bin darauf gestoßen, dass wir da in unserer Sprache immer sehr sorgfältig waren, abgewogen haben, wo es sich um Verdachtsmomente handelt, wo etwas bestätigt ist, wo etwas nicht bestätigt ist. Aber natürlich haben auch wir in unserer eigenen Berichterstattung das gespiegelt, was sich in der Politik, was sich in der übrigen Medienlandschaft, was sich in unserer Gesellschaft in der Reaktion auf die Berichte aus Passau Ende letzten Jahres abgespielt hat.
Schulz: Einschätzungen heute Morgen von Deutschlandfunk-Chefredakteur und Jurist Stephan Detjen. Danke schön!