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"Hier verfehlt die Satire ihr Ziel"

In Pakistan gibt es neue Ausschreitungen wegen des Mohammed-Films und auch in Deutschland werden Protestkundgebungen angekündigt. Die Satirezeitschrift "Titanic" plant unterdessen ein Titelbild mit einer Kritkatur des Propheten. Der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbands hält das nicht für eine gute Idee.

Michael Konken im Gespräch mit Christoph Heinemann | 21.09.2012
    Logo der Satirezeitschrift Titanic
    Logo der Satirezeitschrift Titanic (picture alliance / dpa / Robert Fishman)
    Christoph Heinemann:: Die "Titanic" möchte die Buchautorin und Ehefrau eines ehemaligen deutschen Staatsoberhauptes in den Armen eines islamischen Kriegers zeigen. Am Telefon ist Michael Konken, der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes. Guten Tag.

    Michael Konken: Schönen guten Tag.

    Heinemann: Herr Konken, können Sie über das angekündigte Titelblatt der "Titanic" lachen?

    Konken: Gut, ich habe es noch nicht gesehen, aber in Anbetracht dessen, was im Moment so passiert, glaube ich nicht, dass ich darüber lachen kann, weil meines Erachtens hier auch die Satire ihr Ziel verfehlt. Satire soll uns auf Themen aufmerksam machen, die in der Öffentlichkeit noch nicht richtig diskutiert werden, soll uns aufrütteln, mit einem Thema umzugehen. Das ist Sinn und Zweck der Satire. Wir haben die öffentliche Diskussion und das, was sich im Moment in Frankreich abgespielt hat und was uns eventuell in Deutschland bevorsteht, hat, glaube ich, ein anderes Ziel. Man vermeldet in Frankreich stolz, dass alle Hefte ausverkauft seien, das kann nur Auflagengründe haben und ich glaube, die "Titanic" springt hier auf einen Mainstream auf, um wieder auf ihr Heft, das ich sehr schätze, das muss ich sagen, aufmerksam zu machen. Aber das ist, glaube ich, hier das falsche Thema.

    Heinemann: Wobei "Charlie Hebdo", die Exemplare offenbar gezielt aufgekauft wurden. – Noch mal zurück: Was müsste abgebildet sein auf der "Titanic", damit auch Ihr Zwerchfell vibriert?

    Konken: Ich glaube, dieses Thema ist mittlerweile so in der Öffentlichkeit diskutiert, dass man dieses Thema jetzt nicht noch durch die Satire behandeln muss. Die Satire hat natürlich ihr Ziel und Satire darf auch weit gehen und wir müssen uns auch in anderen Religionen damit abfinden, dass hier auch einmal die Religion angegriffen wird, dass hier über Themen diskutiert wird und somit überspitzt wird. Das ist Aufgabe der Satire, damit müssen wir in einer Demokratie umgehen können, das ist auch richtig so. Das ist ein Stilmittel, das wir auch sehr schätzen im Journalismus. Aber man muss natürlich auch die Grenzen kennen, man muss aufpassen, dass man Persönlichkeitsrechte nicht verletzt, dass man nicht religiöse Empfindungen verletzt. Das sind die Grenzen, die man beachten muss, die allerdings jeder Journalist auch für sich selbst entscheiden muss, wie weit er hier zu gehen hat, vielleicht auch in Diskussionen mit anderen Kolleginnen und Kollegen. Hier haben wir in der Vergangenheit Grenzen auch immer wieder diskutiert, aber jeder Einzelfall muss anders bewertet werden.

    Heinemann: Sollten Journalisten von Satiremagazinen mit Scheren im Kopf arbeiten?

    Konken: Das ist das Problem. Wir dürfen uns natürlich nicht jetzt durch Drohungen, durch Angriffe beeinflussen lassen, weil da habe ich schon das Gefühl, dass wir da künftig vielleicht mit der Schere im Kopf arbeiten. Das wäre völlig falsch, weil das unsere Pressefreiheit beeinträchtigen könnte, unsere Entscheidung, was wir veröffentlichen. Das darf nicht das Kriterium sein. Das Kriterium darf hier einfach oder muss hier das sein, was ich angesprochen habe, dass wir darauf achten, dass wir unsere Grenzen, die wir ethisch auch immer diskutieren, dass wir die auch einhalten.

    Heinemann: Herr Konken, aber greifen nicht gerade auch Sie zur Schere, wenn Herr Fischer sagt, Satire ist ein journalistisches Medium, das auch tagesaktuell reagieren muss?

    Konken: Ja, okay! Aber Satire setzt man dann ein, wenn wir über andere Genres im Journalismus nicht mehr die Öffentlichkeit erreichen. Wir wollen mit unseren Veröffentlichungen die öffentliche Diskussion anregen, damit sich die Öffentlichkeit mit Themen beschäftigt, und wenn wir das nicht mit der normalen Nachricht schaffen, nicht mit dem Kommentar schaffen, dann greift man eben zur Glosse, dann greift man zur Satire. Das ist in diesem Fall nicht mehr erforderlich, weil seit der Veröffentlichung des Films dieses Thema in aller Munde ist, überall diskutiert wird, auf sachlicher Ebene diskutiert wird, das ist auch richtig so, und insofern müssen wir es nicht noch einmal überspitzt in die Öffentlichkeit bringen.

    Heinemann: Inzwischen warnt auch der Bundesaußenminister vor dem angekündigten Titelblatt einer Satirezeitschrift. Ist Deutschland, ist Europa vielleicht erpressbar?

    Konken: Ich hoffe nicht, weil das unsere Pressefreiheit einschränken würde. Das wäre wirklich ein Thema, wenn jetzt in aller Welt diese Auseinandersetzungen dazu führen, dass wir künftig solche Themen nicht mehr behandeln. Dann wäre es falsch, dann wäre unsere Pressefreiheit eingeschränkt, für die wir wirklich seit Jahrzehnten kämpfen, ja aus historischen Gründen gerade in Deutschland kämpfen. Das wäre ein falsches Signal. Insofern müssen wir natürlich auch vorsichtig sein, was die Politik gerade so macht. Die Politik überlegt, wie man einschränken kann, wie man hier auch Einfluss nehmen kann auf den Journalismus. Wir Journalisten entscheiden selbst für die Öffentlichkeit, was wir tun, was wir veröffentlichen. Das darf uns auch nicht dann die Schere im Kopf bringen.

    Heinemann: Dann loten wir Grenzen aus. Unlängst hat die "Titanic" den Papst lächerlich gemacht, das Oberhaupt immerhin der Katholischen Kirche. Der Mohammed-Film verunglimpft den islamischen Propheten. Worin besteht der Unterschied?

    Konken: Gut, jeder Fall ist für sich zu entscheiden. Die Veröffentlichung des Papstes war natürlich grenzwertig, das haben wir auch sehr kritisch überall diskutiert. Wir haben es aber in der Satire, in der Kunstfreiheit zugelassen. Mittlerweile ist die Klage ja auch zurückgezogen worden, der Presserat wird sich im nächsten Monat höchst wahrscheinlich damit noch einmal beschäftigen. Wir wissen nicht, wie er entscheiden wird, aber das ist grenzwertig, da verfließen die Grenzen, da muss man im Einzelfall immer überlegen.
    Hier sehe ich es etwas anders, weil gerade die "Titanic" mit der Papst-Problematik ein Thema noch mal hochbrachte, was in der Öffentlichkeit unterzugehen schien. Dies ist bei der Mohammed-Karikatur eben nicht der Fall. Das Thema wird diskutiert, der Film wird diskutiert und hier ist es, glaube ich, eher auch das Problem, dass hier gewisse politische, ganz rechte Kreise versuchen, sich das zu ihrem Thema zu machen. Das haben wir diskutiert und das, was Satiremagazine hier machen, gibt dem auch noch ein wenig den Populismus.

    Heinemann: Nun kann aber auch der Eindruck entstehen, dass man den Papst mit Dreck bewerfen darf, während beim Islam ein ängstlicher Westen den Schwanz einzieht.

    Konken: Nein, das darf natürlich kein Kriterium sein. Für mich ist immer das Kriterium, zu überlegen, wie schaffen wir es, durch ein Stilmittel eine Diskussion in die Öffentlichkeit zu bringen, schaffen wir es mit einer normalen Berichterstattung, das war in der Papst-Diskussion nicht mehr der Fall, deswegen hat man es durch Satire dargestellt. Ich sage aber, auch da war es sehr grenzwertig, was dargestellt wurde. Das haben wir auch intensiv diskutiert und beim nächsten Mal wird man höchst wahrscheinlich anders an eine solche Karikatur herangehen. In der Mohammed-Berichterstattung haben wir die Diskussion in der Öffentlichkeit, insofern, meine ich, dass hier Satire nicht mehr an der Tagesordnung war in der Berichterstattung.

    Heinemann: Grundsätzlich, Herr Konken: Wie sollten Staaten, in denen die Meinungsfreiheit herrscht – Sie haben daran erinnert, dass dieses Recht erkämpft wurde, diese Freiheit, für die viele Menschen gestorben sind -, wie sollten solche Staaten reagieren, wenn sie von außen unter Druck gesetzt werden?

    Konken: Wir dürfen uns nicht unter Druck setzen lassen. Wir müssen jetzt so weitermachen, wobei ich davon ausgehe, dass natürlich auch bei einzelnen Journalisten künftig die Schere im Kopf sein wird. Das ist immer die Folge. Natürlich lässt man sich davon auch ein wenig beeinflussen und überlegt künftig, was man damit auslöst. Insofern kann ich eigentlich nur hoffen, dass wir uns dadurch nicht beeinflussen lassen, dass wir künftig weiter Presse- und Meinungsfreiheit so auch veröffentlichen, wie wir es gelernt haben, dass wir frei damit umgehen in einer Demokratie, und wir müssen allerdings Verständnis auch für diejenigen haben, die vielleicht in demokratischen Überlegungen noch nicht so weit sind und damit nicht so umgehen können. Wir gehen mit Religionen – und natürlich sind auch andere Religionen immer wieder betroffen, die Papst-Karikatur hat es gezeigt – anders um, wir gehen damit souveräner um, wir diskutieren es. Das kann man natürlich nicht überall in der Welt so verlangen, da wo die Demokratie noch nicht fortgeschritten ist.

    Heinemann: Zum Beispiel in China. Beim EU-China-Gipfel haben die Gäste gestern die Selbstverständlichkeiten der freien Berichterstattung ausgehebelt. Die Chinesen wollten nur von ihnen genehmen Journalisten befragt werden und die Übertragung der Ausführungen des chinesischen Ministerpräsidenten Wen wurde abgebrochen. Sind Sie sicher, dass Europa nicht erpressbar ist?

    Konken: Das ist ein glatter Verstoß gegen die Pressefreiheit, damit versucht man, Europa zu erpressen, dagegen müssen wir auch laut vorgehen und dagegen muss auch die Politik vorgehen, denn die Politik verteidigt letztlich auch die Presse- und Meinungsfreiheit in der Welt. Wenn das jetzt zum Handeln wird, dass man so wie China umgeht, dann hat die Presse- und Meinungsfreiheit verspielt, das dürfen wir uns nicht gefallen lassen. Die haben wir hart erkämpft und für die müssen wir jeden Tag zu jeder Stunde neu kämpfen.

    Heinemann: Michael Konken, der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Konken: Bitte schön!


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