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Hilfe gegen Parasiten
Hummeln behandeln sich mit Nikotin-Nektar

Um Fressfeinde abzuschrecken, bilden Pflanzen verschiedene Chemikalien - eine davon ist Nikotin. Eine US-Studie legt nahe, dass mit Darmparasiten infizierte Hummeln gezielt den Nektar solcher Pflanzen trinken. Die Chemikalien helfen den Insekten offenbar gegen ihre Krankheit. Diese Erkenntnis könnte in Zukunft gegen das Bienensterben eingesetzt werden.

Von Joachim Budde | 18.02.2015
    Auf einem Feld bei Rerik (Mecklenburg-Vorpommern) beginnt der Raps am 10.04.2014 zu blühen. Nach einem milden Winter und einem relativ warmen Frühlingsanfang beginnt die Rapsblüte in diesem Jahr einige Zeit früher. Foto: Bernd Wüstneck/dpa
    Die Biologieprofessorin vom Dartmouth College in Hanover im US-Bundesstaat New Hampshire hat mit Kollegen untersucht, ob Hummeln in ihrer Umgebung Hilfe gegen die Parasiten finden könnten. (picture alliance / ZB / Bernd Wüstneck)
    Wenn Hummeln auf Blüten landen, versorgen sie sich dort nicht nur mit Nahrung. Sie hinterlassen zuweilen auch Krankheitserreger, sagt Dr. Leif Richardson von der University of Vermont.
    "Bei manchen Besuchen hinterlassen die Hummeln Kot und infizieren den Nektar und die Blütenblätter mit Bakterien oder Parasiten. Die nächste Hummel, die dort landet, steckt sich damit an."
    Erreger schwächt die Tiere
    Auf diesem Weg verbreiten sie auch den Darmparasiten Crithidia bombi. Die Hummeln tragen ihn in ihr Nest und verteilen ihn dort an ihre Schwestern. Der Erreger schwächt die Tiere.
    Dabei hätten die Tiere schon ohne solche Parasiten genügend Schwierigkeiten, sagt Rebecca Irwin.
    "Weltweit besteht die Sorge, dass Hummeln weniger werden. Dahinter stecken viele Faktoren, aber besonders gravierend ist, glaube ich, dass Bauern auf riesigen Flächen nur noch eine Pflanze anbauen, und dass natürliche Lebensräume der Insekten bebaut werden. Daneben spielen Krankheiten eine große Rolle. Eine ganze Reihe von Parasiten werden ganz allgemein mit dem Bienenrückgang in Zusammenhang gebracht."
    Positive Auswirkung auf Bienen
    Die Biologieprofessorin vom Dartmouth College in Hanover im US-Bundesstaat New Hampshire hat mit Kollegen untersucht, ob die Hummeln in ihrer Umgebung Hilfe gegen die Parasiten finden könnten. Der Gedanke dahinter: Pflanzen stellen giftige Chemikalien her, um Fressfeinde abzuschrecken, zum Beispiel Nikotin, auf Basis dessen auch der Mensch Pflanzenschutzmittel entwickelt hat, sagt Leif Richardson.
    "Das Paradoxe ist: Diese Gifte kommen auch in Nektar und Pollen vor, obwohl die doch Bestäuber anlocken sollen. Wir haben uns deshalb gefragt: Könnten die Chemikalien Bienen nützen? Bei Wirbeltieren hat man schon positive Einflüsse auf Krankheiten nachgewiesen. Darum haben wir künstlichen Nektar hergestellt und mit acht verschiedenen Chemikalien versetzt. Vier von ihnen hatten einen negativen Effekt auf den Parasiten und damit eine positive Wirkung auf die Hummeln."
    Reduktion der Darmparasiten
    Im Labor der Biologen zeigte das Alkaloid Anabasin die größte Wirkung. Es reduzierte die Zahl der Darmparasiten um mehr als 80 Prozent. Auch Nikotin erwies sich als wirkungsvoll. Beide Stoffe entstehen in Tabak. Ebenfalls effektiv waren Catalpol aus dem Trompetenbaum sowie Thymol, das in Oregano, Thymian und Bohnenkraut vorkommt.
    "In einem weiteren Experiment in freier Wildbahn haben wir beobachtet, dass Hummeln mit dem Darmparasiten häufiger Nektar vom Trompetenbaum tranken als gesunde. Das werten wir als Beleg dafür, dass die Hummeln diese Chemikalien suchen und sich selbst behandeln, wenn sie krank sind."
    Schon jetzt säen manche Bauern Hecken und Blütenstreifen um ihre Felder herum, damit Bienen einen besseren Lebensraum und das ganze Jahr über Nahrung finden, sagt Rebecca Irwin.
    "Eine Folgerung aus dieser Studie ist: Diese Blütenstreifen sollten nicht nur den ganzen Sommer über blühende Pflanzen bieten, sondern die Bienen außerdem mit Chemikalien versorgen und ihnen dabei helfen, Infektionen abzuwehren."
    Dann böten diese Blumenstreifen den Bienen blühende Medizinschränkchen.