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Hilfe vom Abschluss bis zum Job

Fehlende Disziplin, Belastbarkeit, wenig selbstbewusstes Auftreten: die Soft Skills von Lehrlingen lassen oft zu wünschen übrig. Der Verein "Paten für Arbeit" in Essen vermittelt deshalb Paten an Jugendliche. Sie begleiten sie von der Schule zur Ausbildung und idealerweise bis zum ersten Job.

Von Udo Feist | 08.05.2010
    "Ich bin als Informationselektroniker, Schwerpunkt für Geräte- und Systemtechnik, tätig. Darunter kann man sich halt den alten Radio- und Fernsehtechniker vorstellen."

    Alexander ist 20 und im zweiten Lehrjahr. Sein Betrieb hat 20 Beschäftigte, davon zwei Auszubildende. Sie installieren und warten Überwachungs- und Sicherheitstechnik, also etwa Kameras und Aufzeichnungsgeräte. Sein Pate ist der Wasserbauingenieur Christian Weiß. Der 47-Jährige ist schon seit 20 Jahren im Job und begleitete schon mehrere Jugendliche, gab Lebens- und Berufserfahrung weiter, wie er das nennt. Alexanders Pate ist er seit 2007, dessen letztem Jahr auf der Hauptschule.

    "Ich hab einfach erwartet, dass er durchaus mehr Dummheiten in der Jugend gemacht hätte, die da so gar nicht aufgetreten waren … durchaus da Umgang mit Drogen, Alkohol oder sonstige Straffälligkeiten, die bei ihm Gott sei Dank in keinster Weise bislang aufgetreten sind. Das ist also durchaus bei anderen Jugendlichen anders, kann man durchaus sagen."

    Oft wegen schwieriger familiärer Verhältnisse oder wegen des Migrationshintergrunds. Da stimme bei Alexander aber alles, auch Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit seien kein Problem, nur am Durchhaltevermögen beim Berufsschulstoff hapere es. Seine Stärke sei sein großes Technikinteresse. Elektronische Geräte faszinierten Alexander schon als Kind. Ob er die Ausbildung auch ohne Paten gefunden hätte, fragt er sich manchmal selbst. Die Begleitung zu Bewerbungsgesprächen war jedenfalls hilfreich.

    "… ich finde, wenn man da jetzt alleine ist, man ist gerade erst aus der Schule und stellt sich dann da vor, das ist für einen, ja, etwas sehr Spannendes und gleichermaßen hat man auch ein bisschen Angst, dass man sich nicht verspricht."

    Sein Pate gab ihm schon Tipps für die Bewerbungsmappe, und bei der Vorstellung war der es oft, der die Übersicht behielt.

    "Dass dann eben einer dabei ist, der für einen einspringt und manchmal sagt, ja, der ist hier auch noch drin qualifiziert, der hat die und die Vorlieben, hat auch das und das schon mal gemacht habt, im technischen Bereich oder sonstwo, um dem eben ein bisschen noch die Schulter zu halten, um hinter dem zu stehen, um dem zu helfen, das wäre ja alleine so nicht möglich."

    Das Verhältnis zum Paten nennt er freundschaftlich. So wirken die Beiden auch, als sie die Räume des Vereins "Paten für Arbeit" in Essens Innenstadt betreten. Sonst treffen sie sich entweder bei Alexander zu Hause oder in einem Café, zweimal in der Woche, für eine halbe Stunde oder länger, je nachdem, was anliegt.

    "Aber ein Hauptthema ist sicherlich das Durchhaltevermögen in betrieblichen Dingen, aber auch in schulischen Dingen, da die Sache nicht auf die leichte Schulter zu nehmen, sondern da wirklich auch das große Ziel im Auge zu behalten, auch die Prüfungen möglichst erfolgreich zu bestehen."

    Es fehlt der Biss, am Berufsschulstoff dran zu bleiben.

    "Dass ich jetzt ein bisschen lernfaul bin, okay, da gab es schon mal ein bisschen auf den Hinterkopf, aber sonst ... einfach nur, dass es heißt: Jung, guck mal da, dass du gute Noten bekommst, weil ist ja auch für einen selber besser, dass man mit guten Noten dasteht, ne."

    An Einsicht fehlt es nicht, aber manchmal jemand, der erklärt.

    "Man hat nicht großartig jemanden, der einem das so gut zeigen kann. Das musst du jetzt so rechnen oder so, das ist halt meist nur in der Schule, da kriegt man das einmal vermittelt, und ist dann zu Hause und muss die Sachen noch mal machen, und das ist dann, finde ich, ein bisschen anders."

    Der Pate wies ihn auf kostenlose Nachhilfe für Berufsschüler hin. Zweimal die Woche geht er jetzt zu einem Elektronikkurs, wo er Schaltungen durchrechnet und mit Bauteilen umsetzt. Der Pate als Ansprechpartner sorgt für Stabilität und Ansporn, auch im Betrieb. Manchmal ruft der Meister den Paten an und es gibt ein klärendes Gespräch. Unbegleitete Berufsschulkollegen rutschen da viel eher ab.

    "Dass die oftmals in der Schule fehlen oder auch nicht zum Betrieb kommen, sondern da eben einen Krankenschein einreichen oder sonst was …"

    Alexander hingegen schaut manchmal schon in die Zukunft. Pilot würde er gern, weiß aber genau, dass er da noch eine Menge für tun müsste.

    "Eigentlich ein Traum, also ich bin immer noch am überlegen, ob ich das überhaupt schaffen könnte, 118 was mich am meisten reizt im Moment, ist erst mal die Ausbildung zu Ende bekommen, aber dann auch auf jeden Fall noch das Abitur zu machen und auf jeden Fall noch was zu studieren."

    Einige einstige Patenkinder haben sogar das geschafft. Aber bereits eine abgeschlossene Ausbildung ist ein großer Erfolg, sagt Felicitas von Moltke vom Verein "Paten für Arbeit".

    "Jeder Jugendliche ist es wert, dass ihm geholfen wird, wenn er es alleine nicht kann, und unsere Jugendlichen, die wollen ja auch, dass man ihnen hilft, und ich find es schon erstaunlich, wenn so ein 15-, 16-Jähriger für sich selber erkennt, er schafft es nicht alleine, aber er möchte raus, er möchte etwas weitermachen, er möchte Perspektiven entwickeln, ... und wenn man dann jetzt noch überlegt, dass er bereit ist, Hilfe von einem völlig Fremden anzunehmen, ich glaube, das würde manchem Erwachsenen recht schwerfallen."