Durak: Nun ist es ja nicht ohne Grund, dass es so verschiedene Hilfsorganisationen sind, jede mit ihrer eigenen Geschichte. Ist diese Aktion vielleicht der Anfang vom Ende der Eigenständigkeit dieser Organisationen?
Roßbach: Auf gar keinen Fall. Das ist genau der Punkt, auf den wir von Anfang an Wert gelegt haben. Jede Organisation ist eigenständig. Jede hat ihre eigenen Prinzipien, wobei wir natürlich in der Durchführung einem gleichen Standard unterliegen. Was wir aber wollten ist, zu zeigen, dass wir in wirklichen Krisensituationen zusammenstehen können. Wenn wir ohnehin schon in den Ländern zusammenarbeiten, warum dann nicht die Energien poolen, und warum nicht dem Spender den Service leisten und zu sagen: Schau an, hier ist ein Spendenkonto. Das ist unsere Art der Verteilung. Hier sind die beteiligten Organisationen, zum Beispiel bei der Flut sind nicht alle neun von uns beteiligt, sondern nur sieben. Dann sagen wir auch: Die sind beteiligt, und die führen das durch. Wir sind transparent.
Durak: Aber der Spender hat doch auch bisher nicht ohne Grund einer ganz bestimmten Hilfsorganisation geholfen. Nun verliert sich das irgendwie im Gesichtslosen.
Roßbach: Das ist auch eine Frage, mit der wir uns auseinandersetzen. Sie können sicher sein, dass gerade auch CARE natürlich seine Spender, gerade die treuen Spender behalten möchte. Wir haben gesagt: Wir möchten nur dann zusammenstehen, wenn es wirklich eine Dimension der Not, die dieses Zusammenstehen rechtfertigt. Die Spender, die den einzelnen Organisationen spenden wollen, sollen das tun. Bitte. Das ist überhaupt gar keine Frage. Aber wir merken als Organisation selber, dass bei Aufrufen Leute etwas spenden, die eben keine originären Spender sind, und denen bieten wir die Möglichkeit an, sich jetzt nicht mehr bei vielen verschiedenen Konten auskennen zu müssen, sondern sozusagen ein Konto.
Durak: Das heißt aber, dass es dann neben den vorhandenen Spendenkonten Ihrer Organisation noch ein weiteres, nämlich das Sammelkonto, das heißt der Spender kann an CARE Deutschland spenden oder auch an die Aktion selber. Das trägt ja auch ein bisschen zur Verwirrung bei.
Roßbach: Es ist so: Wir haben eine Katastrophe. Die Hälfte der Organisationen arbeitet in dem jeweiligen Land, in der jeweiligen Katastrophe. Dann können wir uns bereitstellen. Dann machen wir einen Rundruf bei dem Vorstand und werden dann zu Spenden aufrufen. Und ab dem Zeitpunkt des Aufrufs bis 14 Tage wird nur noch das Konto 10 20 30 genannt, und die anderen Konten werden proaktiv und offensiv nicht beworben.
Durak: Sie haben auch offensichtlich Lehren aus der Vergangenheit gezogen. Wie viel an Verwaltungsaufwand muss denn sonst eine Organisation wie die Ihre oder eine vergleichbare von Spendengeldern abziehen?
Roßbach: Also wir sind alle bemüht - und ich denke, da werden die Kollegen auch einstimmig zustimmen -, dass wir die Verwaltungskosten so niedrig wie möglich halten. Wir wollen so viel wie möglich aus den Spenden machen.
Durak: Wie ist es denn bei Ihnen?
Roßbach: Wir sind im Augenblick bei 9 Prozent, aber mit der Öffentlichkeitsarbeit, die Sie ja auch fairerweise mit dazu rechnen müssten und den Ausgaben, die wir haben für Mailings, also Briefwurfsendungen, kommen Sie auf ca. 12 bis 15 Prozent. Es hängt natürlich von den Gesamteinnahmen im Jahr ab.
Durak: Und liegen Sie da im Mittelfeld oder an der Spitze?
Roßbach: Da liegen wir schon im guten unteren Mittelfeld. Das TZI hat da auch Zahlen rausgegeben. Die sind in ganzen anderen Bereichen, wo sie sozusagen sich im guten Mittelfeld bewegen. Und ich glaube, die anderen Organisationen machen das auch so. Was ja normalerweise dazu kommt ist, dass Sie Ihre Spender informieren - das versuchen Sie natürlich auch über die Presse -, dass Sie aber auch Briefwurfsendungen raussenden, und das kostet ja alles Geld. Unsere Idee war: Wenn wir uns jetzt bündeln und die Medien auch bereit sind und sagen: Gut, es ist eine Katastrophe. Da möchten wir auch gerne helfen. Dann sprechen wir doch mit einer Stimme und müssen sozusagen diese anderen Maßnahmen gar nicht durchführen.
Durak: Die beteiligten Organisationen wie die Ihre hätten ja noch ein größeres Bündel schnüren können, wenn sie die anderen großen Hilfsorganisationen miteingebunden hätten. Die wollten nicht, oder Sie wollten nicht. Ist das ein Zeichen für die Konkurrenz unter Ihnen?
Roßbach: Ja, das mag sein. Also wir haben, seitdem wir die Gespräche geführt haben und uns klar war, dass wir so ein Verein hier in Deutschland gründen wollen, mit allen beteiligten Organisationen gesprochen. Wir haben auch Anfang August nochmals eingeladen in einer größeren Runde nicht nur die benannten Organisationen, sondern darüber hinaus andere Nothilfeorganisationen, die im Arbeitsstab Humanitäre Hilfe des Auswärtigen Amtes zusammengeführt sind. Einige davon sind auch gekommen. Ich kann Ihnen ehrlich gesagt die Gründe nicht nennen von unseren Kollegen. Dann müssen sie auch gefragt werden. Aber es kann sein, dass unser Konzept in dieser Art ihnen doch nicht zusagt.
Durak: Dann müsste man in der Tat die anderen danach fragen. Wird sich das ausweiten auf die Entwicklungszusammenarbeit in anderen Ländern?
Roßbach: Nein, das ist streng getrennt. Was wir hier machen, ist in der Tat ein Zusammenführen bei den Katastrophen - das sieht man auch bei der Flut -, wo man wirklich alle Kräfte mobilisieren muss. In der Entwicklungszusammenarbeit muss man ganz andere Projektabläufe vor Augen haben und ganz andere Zeiträume. Hier geht es um die schnelle effiziente Hilfe und möglichst umfassend den Bedürftigen zu helfen. In der Entwicklungszusammenarbeit ist die Hilfe zwar auch umfassend, aber auf einem anderen Zeithorizont gesehen.
Durak: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio