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Hilfsprogramm
Regierung plant Rekordschulden gegen die Corona-Krise

150 Milliarden Euro Neuverschuldung statt Schuldenbremse - Bundesfinanzminister Olaf Scholz will mit einem enormen Hilfsprogramm in der Corona-Krise gegensteuern. So sollen Härten für Lohnempfänger abgefedert und ein Ausverkauf deutscher Firmen verhindert werden.

Von Theo Geers | 20.03.2020
Bundesfinanzminister Olaf Scholz, SPD, l und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, CDU, r bei einer Pressekonferenz zum Thema Corona und wirtschaftliche Auswirkungen in der Bundespressekonferenz in Berlin, 13.03.2020.
Finanzminister Olaf Scholz, SPD, (l) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier, CDU, (r) sichern deutschen Unternehmen unbegrenzte Kredite zu, um die Schäden der Coronakrise abzufedern - jetzt wird sogar ein Rekordprogramm aufgelegt. (imago / photothek / Janine Schmitz)
Der kommende Montag wird in die Geschichte eingehen. Denn das Hilfsprogramm, das die Bundesregierung wegen der Corona-Krise dann beschließen will, sprengt auch in punkto Finanzen alles bisher Dagewesene. Nach Informationen des Deutschlandsfunks plant Bundesfinanzminister Scholz in diesem Jahr eine Neuverschuldung von 150 Milliarden Euro. Dafür sollen ein Nachtragshaushalt verabschiedet und die Notfallregelung bei der grundgesetzlich verankerten Schuldenbremse in Anspruch genommen werden.
Schuldenbremse in Notsituationen aufheben ist erlaubt
Die Schuldenbremse aufzuheben ist erlaubt bei Naturkatastrophen oder in außergewöhnlichen Notsituationen, die sich "der Kontrolle des Staates entziehen und seine Finanzlage erheblich beeinträchtigen". Finanzminister Olaf Scholz hatte dies am Morgen im Deutschlandfunk bereits angedeutet, ohne allerdings Zahlen zu nennen:
"Wenn jetzt die Steuereinnahmen weniger werden, die Ausgaben größer werden, wir außerdem Sonderprogramme wie die, die wir eben diskutiert haben, auf den Weg bringen, dann werden wir nicht ohne zusätzliche Kreditaufnahme auskommen. Das weiß jeder genau und da redet auch keiner drum herum."
Ausbau von Behandlungskapazitäten in Krankenhäusern
Mit den neuen Krediten sollen vor allem die Hilfsprogramme für die Wirtschaft und dort speziell für die Kleinunternehmen in Höhe von 40 bis 50 Milliarden Euro aufgefangen werden. Daneben kalkuliert das Finanzministerium wegen der absehbaren Rezession bislang mit Steuermindereinnahmen von zu 40 Milliarden Euro, die ebenfalls aufgefangen werden müssen.
Ferner will der Bund mit den neuen Schulden den geplanten Ausbau von Behandlungskapazitäten in Krankenhäusern abdecken. Finanziert werden auch die Mehrkosten, die durch die verlängerte Lohnfortzahlung für Eltern entstehen, die wegen der Schießung von Kitas und Schulen ihre Kinder betreuen müssen und nicht arbeiten gehen können. Die Unternehmen sollen sich diese Mehrkosten vom Staat zurückholen können.
Befürchteter Ausverkauf, unerwünschte Übernahmen
Daneben plant die Regierung, den während der Finanzkrise geschaffenen Bankenrettungsfonds Soffin künftig auch einzusetzen, um Garantien für Industrieunternehmen abzugeben oder sich an diesen zu beteiligen. Hierfür sind neue Kreditermächtigungen von 500 Milliarden Euro im Gespräch. Mit solchen Beteiligungen will die Bundesregierung wertvolle oder strategisch wichtige Industrieunternehmen nicht nur vor einer Pleite, sondern auch vor aus deutscher Sicht unerwünschten Übernahmen retten. Auch Bundeswirtschaftsminister Altmaier hatte heute vor einem Ausverkauf deutscher Wirtschafts- und Industrieinteressen gewarnt, ebenso der bayerische Ministerpräsident Markus Söder:
"Es muss überlegt werden – wir werden das für Bayern tun und der Bund muss das auch tun - sollten Übernahmeangebote aus dem Ausland stattfinden, hervorragende Unternemen zu kaufen, Technologie zu kaufen, dann müssen wir alle Möglichkeiten anwenden, dies zu untersagen, und es vorübergehend mit staatlicher Beteiligung zu halten, denn wenn am Ende dieser Krise steht, dass die gesamte bayerische und deutsche Wirtschaft in ausländischer Hand ist, dann ist das eine komplette Änderung der weltwirtschaftlichen Ordnung. Auch dagegen werden wir uns wappnen."
Leistungen aus der Grundsicherung leichter erhältlich
Über das Wochenende will die Bundesregierung auch die letzten schwierigen Details bei den geplanten Hilfen für Kleinunternehmen klären, damit auch diese Maßnahmen am Montag vom Kabinett auf den Weg gebracht und bis Mittwoch vom Bundestag und Bundesrat im Eilverfahren beschlossen werden können. So sollen Solo-Selbstständige, die derzeit kaum noch Einnahmen haben, und die teilweise auch schon vor der Corona-Krise eher von der Hand in den Mund lebten, für die Zeit der Corona-Krise leichter Leistungen aus der Grundsicherung bekommen können. Finanzminister Olaf Scholz:
"Wir wollen jetzt sicherstellen, dass das aber nun in dieser Situation ganz schnell und unbürokratisch geschehen kann, zum Beispiel, indem wir auf die Vermögensprüfung, die normalerweise stattfindet, für ein paar Monate verzichten, so dass man seinen Antrag abgeben kann und sagen kann, was die Mietkosten sind, wie viele Familienangehörige da leben, und dann geht das ganz schnell."
Hilfe zum Lebensunterhalt und Zuschüsse bleiben frei
Dies soll vorrangig den Lebensunterhalt sichern. Daneben will die Regierung neben neuen Kredithilfen Zuschüsse an Unternehmen auszuzahlen. Kleinunternehmen und Solo-Selbständige sollen damit erst einmal die nächste Miete für den Geschäftsraum oder andere Verpflichtungen bezahlen können. Und zur Klarstellung, was das für die einzelnen später bedeutet, erklärt der Finanzminister.
"Wenn es Darlehen gibt, müssen sie zurückgezahlt werden. Die Hilfen zum Lebensunterhalt, die Grundsicherung muss nicht zurückgezahlt werden. Und die Zuschüsse natürlich auch nicht."