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Hinter den Mauern der Reichen
Hochgesicherte Wohnsiedlungen in Südafrika

Seit sie umgezogen ist, kann die Südafrikanerin Janna Strang die Haustür unverschlossen lassen. Aber nur, weil sie hinter hohen, stark bewachten und unter Strom stehenden Zäunen lebt. Seit Ende der Apartheid gibt es in Südafrika immer mehr Gated Communities.

Von Leonie March | 09.02.2019
    Der Mount Edgecombe Country Club, eine Gated Community in Südafrika
    Der Mount Edgecombe Country Club, eine Gated Community in Südafrika (Deutschlandradio / Leonie March)
    Am Eingangstor herrscht Hochbetrieb. Wachmänner öffnen und schließen die Schranken im Minutentakt. Auf der einen Seite fahren die Bewohner heraus, auf der anderen Seite strömen ihre Angestellten herein: Gärtner, Kindermädchen und Haushaltshilfen wie Thandi Nocuse. Sie drückt ihren Zeigefinger auf einen Scanner.
    "Am Anfang muss man den Sicherheitsleuten all seine Dokumente vorlegen. Die Informationen werden im System gespeichert. Danach reicht ein Fingerabdruck, damit sich die Schranke öffnet."
    "Wir lassen die Türen oft unverschlossen"
    Jedenfalls für die Angestellten. Besucher bekommen von ihren Gastgebern einen Einmal-Code, den sie den Wachmännern nennen müssen. Erst dann dürfen sie das parkähnliche Gelände mit den gepflegten Golfplätzen und teils herrschaftlichen Häusern betreten.
    Die Haustür ist nicht abgeschlossen, als Thandi Nocuse bei ihrer Arbeitgeberin eintrifft. Janna Strang spielt im Wohnzimmer seelenruhig mit ihrem Sohn Lego.
    "Wir lassen die Türen oft unverschlossen. Das wäre früher unmöglich gewesen, als ich noch woanders gewohnt habe. Bei mir wurde damals eingebrochen und ich kenne viele Leute, die Opfer schlimmerer Verbrechen geworden sind. In diesem Umfeld fühle ich mich wesentlich freier."
    Eine Freiheit, die aus Sicht der 34-Jährigen nur innerhalb des Sicherheitszauns möglich ist. Mit dieser Einschätzung ist sie offenbar nicht allein. Seit Ende der Apartheid Anfang der 90er-Jahre wächst die Zahl dieser 'Gated Communties' stetig, auf heute schätzungsweise 7.000. Tendenz steigend. Laut Umfragen entscheidet sich einer von zehn Immobilienkäufern für ein Haus in diesen künstlichen Vierteln. Es gilt als gutes Investment, der Lifestyle als luxuriös und vor allem als sicher.
    Eine neue Form von Apartheid?
    Im sogenannten Kontrollraum hängen über ein Dutzend Monitore, die übertragen, was über 180 Kameras rund um die Uhr aufzeichnen. Videoüberwachung, biometrische Kontrollen und nicht zuletzt der Zaun, seien die wichtigsten Maßnahmen, betont Sicherheitschefin Michelle Maree.
    "Es ist ein Palisadenzaun, durch den man durchschauen kann. Das gibt den Bewohnern das Gefühl, nicht eingesperrt, aber trotzdem geschützt zu sein. Der Zaun ist zusätzlich durch einen Hochspannungsdraht gesichert. Sobald darauf Druck ausgeübt wird, löst das System einen Alarm aus. Dazu kommen die Patrouillen unserer Wachmänner. Es ist bedauerlich, dass diese Maßnahmen die Kriminalität nicht insgesamt reduzieren. Sie verlagert sich lediglich in benachbarte Viertel."
    Kritiker sprechen von einer sozialen Spaltung, ja sogar von einer neuen Form der Apartheid. Gutsituierte schaffen sich hinter Zäunen und Mauern eine eigene Realität. Golf- und Tennisplätze, Schwimmbäder und Restaurants inklusive. Janna Strang schwärmt von dem Gemeinschaftsgefühl, von hilfsbereiten Nachbarn, vom Freizeit-Angebot für Kinder. Den Vorwurf, dass sich hier eine überwiegend weiße Elite abschottet, lässt sie nicht gelten.
    "Segregation würde ich das nicht nennen. Es hat eher mit der gesellschaftlichen Realität in Südafrika zu tun. Natürlich leben hier bei uns nur Leute einer bestimmten Einkommensklasse. Aber es sind durchaus unterschiedliche Kulturen vertreten. Das Schöne an unserem Land ist ja, dass es als Regenbogennation bekannt ist, weil es so multikulturell ist."
    Die Haushälterin fühlt sich hier sicherer als zu Hause
    Der Unterschied zum Rest des Landes ist jedoch, dass die weiße Minderheit hier in der Mehrheit ist. Der Großteil der schwarzen Bevölkerung lebt dagegen ein von Gewalt geprägtes Leben in den Townships. Deshalb wirke die Arbeit auf sie manchmal wie Erholung, sagt Haushälterin Thandi Nocuse, als sie nachmittags wieder ihren Finger auf den Scanner am Ausgang drückt.
    "Ich arbeite sehr gerne hier, denn ich fühle mich sicher. Ich entspanne mich, sobald ich hineingehe und bin erst wieder angespannt, wenn ich herauskomme. Jetzt muss ich wieder jederzeit damit rechnen, überfallen zu werden. Manchmal wünsche ich mir, dass ich eines Tages auch hier wohnen könnte."