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Hirntumor
Gefährliche Rückkehrer im Gehirn

Wird ein Tumor im Gehirn festgestellt, folgt meist die operative Entfernung. Doch in vielen Fällen kommt er zurück, meist ist er für die Patienten dann noch gefährlicher. Ein Wissenschaftlerteam hat sich deshalb die DNA genauer angeschaut.

Von Jochen Steiner | 13.12.2013
    Einen Hirntumor zu entfernen ist eine heikle Operation: Der Arzt möchte möglichst viel Tumorgewebe herausschneiden, aber auch möglichst wenige gesunde Gehirnzellen zerstören. Da Gliome verzweigt sind, bleiben meist kleine Reste zurück – der Tumor kann deshalb nach Jahren zurückkommen, dann oftmals in einer bösartigeren Form. Krebsspezialisten stellen sich seit Langem die Frage:
    "Was ist der Mechanismus, der aus einem Tumor mit einem niedrigen Schweregrad einen mit einem hohen Schweregrad macht?"
    Um eine Antwort auf diese Frage zu finden, haben Professor Joe Costello von der University of California in San Francisco und sein Team die Hirntumore von 23 Patienten untersucht. Von jedem dieser Probanden hatten die Forscher zwei Tumore zur Verfügung: einen ersten mit niedrigem Schweregrad und einen zweiten, der sich entwickelt hatte, nachdem der erste entfernt worden war. Der zweite besaß meist einen höheren Schweregrad.
    Ausgangspunkt für die Entstehung von Tumoren sind Mutationen, also Veränderungen im Erbgut von Zellen. Costello und seine Kollegen haben deshalb die DNA der Krebszellen analysiert und die gefundenen Mutationen zwischen den beiden Tumoren verglichen.
    "Wir können sagen, dass der erste und zweite Tumor genetische Gemeinsamkeiten aufweisen, einige Mutationen sind identisch. Aber das Überraschende ist: Der zweite scheint ein Abkömmling einer sehr frühen Version des ersten zu sein."
    Der zweite entwickelte sich dann in eine andere Richtung weiter, deshalb fanden die Wissenschaftler nur die Hälfte der Mutationen aus dem ersten auch im zweiten Hirntumor. Eine Chemotherapie, die auf die genetischen Eigenschaften des ersten Glioms ausgelegt war, könnte beim zweiten dann kaum oder gar nicht mehr helfen.
    So hatten zehn der 23 Patienten von ihrem Arzt das Chemotherapeutikum Temozolomid verordnet bekommen, das durch Mutationen die DNA von Zellen verändern kann. Bislang ist aber nicht geklärt, ob solch ein Medikament durch gezielte Mutationen in den verbliebenen Rest-Krebszellen verhindern kann, dass der Hirntumor zurückkommt.
    "Bei sechs dieser zehn Patienten entwickelte sich ein zweiter Tumor und der hatte 20 bis 50 Mal so viele Mutationen wie der erste."
    Statt einiger gezielter DNA-Veränderungen sei die Zahl der Mutationen bei diesen Patienten drastisch angestiegen und habe wohl dazu geführt, so Joe Costello, dass die Folge-Tumore gefährlicher waren, nämlich vom höchsten Schweregrad vier, sie werden auch Glioblastome genannt. Es spreche einiges dafür, dass das Medikament mit dafür verantwortlich sei. Patienten, die das Chemotherapeutikum nicht eingenommen hatten, verzeichneten im zweiten Tumor nur einen leichten Anstieg der Mutationsrate.
    Die Forscher sehen aber auch einen möglichen Angriffspunkt: Eine bestimmte Substanz soll zentrale Abläufe in den Krebszellen von Patienten mit einem Tumor von niedrigem Schweregrad blockieren. Diese Abläufe sind mit dafür verantwortlich, dass aus einem Tumor mit niedrigem einer mit einem hohen Schweregrad wird.
    "Eine klinische Studie, die auf unserer Untersuchung und einer vorangegangenen beruht, wurde gerade bewilligt. "
    Das Chemotherapeutikum Temozolomid soll zusätzlich eingesetzt werden. Denn ganz am Anfang einer Krebserkrankung, beim ersten Tumor, könne das Medikament durchaus noch eine positive Wirkung haben, so Costello. Alles mit dem Ziel, die bösartige Verwandlung des Tumors hinauszuzögern oder eines Tages ganz zu verhindern.