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Hirntumore präziser operieren

Operationen am zentralen Nervensystem sind besonders gefährlich. Neue Methoden sollen eine bessere Orientierung während der Operation gewährleisten. So können Hirntumore noch präziser entfernt werden, wenn zum Beispiel ein 3D-Ultraschall eingesetzt wird.

Von Anna-Lena Dohrmann |
    Betroffener: "Ich konnte urplötzlich Hand und Bein nicht mehr koordinieren. Ich habe Krämpfe bekommen, epileptische Krämpfe wahrscheinlich, bin vom Stuhl auf den Erdboden gefallen, sodass meine Frau den Notarzt gerufen hat."

    Im Krankenhaus kam dann die Diagnose: Hirntumor. In der Magnetresonanztomographie, kurz MRT, ist er direkt unter dem Schädelknochen sichtbar. Da er zunehmend das Gehirn verdrängt, hilft nur eine Operation.

    Deshalb liegt der 66-jährige Patient eine Woche später im OP-Saal, sein Kopf ist fest in einer Halterung eingespannt. Diese Position wird nun mit den MRT-Bildern abgeglichen:

    "Der mediale Augenwinkel rechts, lateraler Augenwinkel rechts, ok. Jetzt noch die Oberflächenregistration - und geht los!"

    Felix Arlt steuert heute als Assistent die Navigation. Er sagt dem Chirurgen, welcher Punkt auf dem Patienten mit dem sogenannten Pointer berührt werden muss.

    "Jeder Punkt auf dem echten Patienten letztendlich wird jetzt einem Bildpunkt im MRT zugerechnet, sodass wir jetzt planen können, wie groß die Kraniotomie werden muss."

    Also die Eröffnung des Schädelknochens. Denn mithilfe der Navigation kann der Chirurg die Grenzen des Tumors genau bestimmen. Dazu setzt Oberarzt Wolfgang Krupp den Pointer auf verschiedene Punkte des Kopfes. Auf einem Bildschirm sieht er genau, an welcher Stelle des MRT-Bildes er sich befindet:

    " Also hier können Sie sehen die Umrisse des Tumors: Hier können Sie den Hinterrand sehen, hier ist der Vorderrand und hier ist die laterale Begrenzung, das können sie auf dem oberen linken Bild sehen."

    Diese Umrisse zeichnet Krupp als großes U auf die Kopfhaut. Dann wird es ernst: Zuerst schneidet Krupp den kräftigen Hautlappen über dem Knochen, die sogenannte Kopfschwarte, auf.

    "Jetzt kommt die eigentliche Kraniotomie, das heißt die Entfernung des Knochendeckels. Mit einem Bohrer, der, nachdem er durch den Knochen durch ist, automatisch stoppt, sodass er nicht ins Gehirn hineinbohrt."

    Unter dem Knochen ist jetzt die harte Hirnhaut, die Dura, deutlich zu sehen. Doch bevor sie aufgeschnitten wird, um den Tumor zu entfernen, wird ein 3-D Ultraschall gemacht.

    "Ok, und dann nochmal von Beginn an, einmal durchfahren bitte. Geht los."

    Diese live Ultraschallbilder gleicht das System automatisch mit dem alten MRT-Datensatz ab. Das ermöglicht präziseres Arbeiten, so Arlt:

    "Und zwar sieht man, dass hier, wenn man sich einmal die Mittellinie anschaut, ist diese im Vergleich zum MRT hier circa um einen halben Zentimeter verschoben. Also durch das Abheben der knöchernen Begrenzung, ist es zu einer Verschiebung von Hirn und Tumor gekommen."

    Das heißt: Die vorher eingestellte Navigation muss aktualisiert werden. Besonders wichtig ist das für Tumore innerhalb des Gehirns. Schließlich sollen möglichst wenige Strukturen des gesunden Gehirns geschädigt werden. Um den Tumor besser vom gesunden Gewebe abzugrenzen, kann zusätzlich Kontrastmittel gegeben werden. Das leuchtet dann im Ultraschallbild.

    Heute operieren die Ärzte ein sogenanntes Meningeom, also einen Tumor, der von den Hirnhäuten ausgeht. 90 Prozent dieser Tumore sind gutartig. Sie sind meist durch eine Kapsel klar vom gesunden Gewebe abgegrenzt.

    "Nach Entfernung der infiltrierten Dura versuchen wir jetzt den Tumor entlang der Kapsel vom gesunden Hirn frei zu präparieren und schließlich zu entfernen."

    Knapp zwei Stunden später ist das gelungen. Jetzt muss der Schädel Schicht für Schicht wieder zugemacht werden. Anschließend wird die Narkose ausgeleitet und der Patient wacht langsam auf:

    "Hören Sie mich? Können sie mal die rechte Hand drücken? Und jetzt mal die linke Hand drücken - kräftig! Jetzt nochmal mit den Füssen wackeln, bitte!"

    Der Patient ist ansprechbar und kann Hände und Füße bewegen.