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Historiker Petersen über den DDR-Gründungsmythos
Blinde Flecken in der Vergangenheitsbewältigung inbegriffen

Die DDR sei auf einem "Entlastungsmythos" gegründet worden - als Staat derer, die 1933 bis 1945 "auf der richtigen Seite" gestanden hatten, sagte der Historiker Andreas Petersen im Dlf. Gründungserzählungen wie diese erzeugten immer auch blinde Flecken. Das gelte auch für das Bild von der Sowjetunion.

Andreas Petersen im Gespräch mit Benedikt Schulz |
    Eine DDR-Fahne und eine Deutschland-Flagge wehen an einem Fahnenmast in der Kleingartenanlage "Samtenser Frühling" in Samtens auf der Ostseeinsel Rügen.
    Eine DDR-Fahne und eine Deutschland-Flagge (dpa / picture alliance / Stefan Sauer)
    Vor bald 70 Jahren, am 7. Oktober 1949, wurde die DDR gegründet. Und es gab eine Gründungserzählung dazu: Deutsche Kommunisten erschaffen aus Ruinen mithilfe der Sowjetunion ein neues, besseres Deutschland, so fasst der Historiker Andreas Petersen den Mythos im Dlf-Interview zusammen. Die Gewissheit, während des Nationalsozialismus "auf der richtigen Seite" gestanden und dafür gelitten zu haben, sei gewissermaßen das "moralische Hinterland" dieses Projekts eines "Neustarts der deutschen Geschichte". Durch diesen Entlasttungsmythos gebe es dann auch "keine Fragen an das, was war".
    Die genaue Ausrichtung des neuen Staats sei keineswegs sofort Konsens gewesen, erklärt Petersen. Es habe erhebliche Differenzen gegeben zwischen den Kommunisten, die während der NS-Zeit in Deutschland ausgeharrt hatten, den in alle Welt Vertriebenen und den zum Teil schon vor 1933 nach Moskau Emigierten. In den anfänglichen Machtkämpfen und Intrigen hätten sich die Moskauer schließlich durchgesetzt. Und mit ihnen das aus der Sowjetunion mitgebrachte Trauma des stalinistischen Terrors, so Petersen.
    Eine Gründungsgeschichte und ihre Lücken
    Der antifaschistische Mythos habe natürlich blinden Flecken bei der Vergangenheitsbewältigung Vorschub geleistet. Man könne mit Gründungserzählungen "einfach Sachen zudecken", sagt Petersen: "Wenn für mich klar ist, dass der Faschismus im Land sozusagen mit Stumpf und Stiel ausgerottet ist, dass die ehemaligen Nazis alle im Westen sind und dass der Antifaschismus Staatsdoktrin war und dann am Ende gar keine Frage mehr übrig bleibt zu den letzten zwölf Jahren, ist das natürlich schon ein Problem für die Aufarbeitung.
    Dabei seien am Zweiten Weltkrieg immerhin 18 Millionen deutsche Männer beteiligt gewesen. "Das betrifft alle Familien. Und die Frage, was diese Männer eigentlich in diesem Krieg gemacht haben und auch wie die Frauen sich dazu verhalten haben, ist natürlich eine zentrale Frage auch der Aufarbeitung."
    Auch beim Bild der Sowjetunion habe sich unter Führung der Moskauer eine Erzählung mit Lücken durchgesetzt. So hätten die in Deutschland verbliebenen Kommunisten etwa sehr früh die Vergewaltigungen durch sowjetische Soldaten gegen Kriegsende in Deutschland angesprochen. "Das wird von den Moskauern völlig tabuisiert. Es kann überhaupt keine Kritik geben daran."