Samstag, 20. April 2024

Archiv

Hitzewelle in Indien
"So schlimm war es noch nie!"

"Mörder-Hitzewelle", so titeln die Medien zur Zeit in Indien. Seit Tagen leidet Indien unter einer Hitzewelle. Über 1.500 Menschen sind bereits an den Folgen der Hitze gestorben. Denn trotz Warnungen der Behörden bleibt vielen Menschen nicht anderes übrig, als auch an diesen Tagen draußen zu arbeiten.

Von Silke Diettrich | 28.05.2015
    Ein Junge läuft über ein ausgetrocknetes Flußbett in Allahabad, Indien.
    Ein Junge läuft über ein ausgetrocknetes Flußbett in Allahabad, Indien. (AFP / Sanjay Kanojia)
    Die Hitze flirrt über den Steinen. Zwei Frauen füllen die staubigen Brocken mit einer Schaufel in ihre Körbe:
    "Es ist sehr heiß, aber was sollen wir machen? Irgendwer muss ja dafür sorgen, dass unsere Kinder etwas zu Essen bekommen."
    Beide sind in Schleier gehüllt, der Schweiß tropft am Bauch entlang, der schaut manchmal raus, wenn sie den Korb mit einer Hand am Kopf festhalten.
    Die Behörden warnen davor, sich in der Mittagshitze aufzuhalten, aber die meisten Menschen in Indien müssen draußen arbeiten.
    Besonders die Rikscha-Fahrer leiden
    Indiesche Frauen trinten Limetten-Wasser in Bhopal. In Indien herrscht eine ungewöhnliche Hitzewelle.
    Auch in Bhopal erreichen die Temperaturen mehr als 45 Grad Celsius. (dpa / picture alliance / Sajneev Gupta)
    Auf der Straße steigen die Temperaturen noch höher. Durch die sozialen Netzwerken geht ein Bild, das einen Zebrastreifen in Neu Delhi zeigt. Keine Linie verläuft mehr gerade, der Fußgängerweg gleicht einem psychodelischen Kunstwerk. Auf der Straße allerdings leiden aber vor allem die Rikscha-Fahrer:
    "Es ist, als würde ich auf Feuer fahren. Die Busse und die Autos blasen noch zusätzlich Hitze in mein Gesicht. Es fühlt sich an wie in einem Ofen."
    Vorne in seinem Körbchen liegt eine Plastikflasche. Abkühlung bringt das Zitronenwasser darin nicht mehr.
    In den kleinen Gassen der 20 Millionen Metropole weht ein heißer Wind. Graue Kästen an den Häuserwänden blasen heiße Luft heraus: Die Klimaanlagen kühlen die Häuser von innen, nach außen verbreiten sie noch mehr Hitze. Wenn sie denn laufen: Seit mehr als einer Woche schon ist die Hitze in Indien auf Rekordhoch, täglich fällt mehrmals der Strom aus, weil die Leitungen überlastet sind.
    "Mein Ventilator hier kühlt gar nicht mehr, er verbreitet nur noch Hitze", erzählt ein Friseur. Sein Laden ist eine kleine Hütte, mit Stuhl und Spiegel am Zaun. Kein Kunde käme bei den Temperaturen zu ihm. Das heiße Wetter schlage ihm voll auf den Magen. "So schlimm wie jetzt habe ich es noch nicht erlebt!"
    Immer häufiger Hitzewellen

    Die Hitze ist das Thema bei den Indern in diesen Tagen. Und einige übertreiben auch: "Menschen kochen in ihrer eigenen Haut", hat eine indische Zeitung getitelt. Der Mai ist der heißeste Monat im Land und die Inder sind eigentlich an Hitze gewöhnt. Allerdings tauchen die Hitzewellen in den letzten Jahren immer öfter auf und sie halten länger an. Experten führen das auf den Klimawandel zurück.
    Ein Slumbewohner trägt mehrere mit Wasser gefüllte Plastikflaschen
    Aufgrund der anhaltenden Hitze sind in Indien bereits über 1500 Menschen ums Leben gekommen (dpa / picture alliance / Raminder Pal Singh)
    Wer kann, zieht sich unter Bäume in den Schatten zurück oder verweilt im U-Bahn-Schacht. Überall kauern hier Menschen an den Wänden, sitzen auf den Treppen und alle haben Wasserflaschen an ihrer Seite.
    In der Notaufnahme im Safdarjung Krankenhaus in Neu Delhi liegen bis zu drei Menschen in einem Bett, die meisten haben Schläuche an ihren Armen:
    "Es kommen gerade viele Menschen mit einem Hitzschlag hierher, ihnen ist schwindelig, sie sind dehydriert, der Blutdruck ist ganz niedrig. Wenn sie in so einem Zustand herkommen, müssen wir schnell reagieren", sagt ein junger Assistenzarzt. Nicht überall in Indien ist die gesundheitliche Versorgung so gut wie in der Hauptstadt. Über 1500 Menschen mussten schon wegen der Hitze sterben, vor allem im Süden des Landes.
    Sehnsüchtig warten die Inder auf den Monsun, der mit seinem Regen Anfang Juni die Abkühlung bringen soll.