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Hoch gepokert und tief gebohrt

Geologie. - Am 8. Dezember vergangenen Jahres erschütterte ein Erdbeben die Region von Basel. Die Ursache war indes ein Experiment zur Erdwärmegewinnung. Angesichts der erschreckenden Folgen wurde jetzt das Projekt vorerst auf Eis gelegt.

Arndt Reuning im Gespräch mit Dagmar Röhrlich | 23.01.2007
    Arndt Reuning: Es war am 8. Dezember im vergangenen Jahr, da bebte die Erde in Basel - ausgelöst durch den Versuch, tief in den Boden hinein zu bohren, das Gestein dort zu zerbrechen und Wasser mit Hilfe von Erdwärme zu erhitzen. Das Geothermieprojekt wurde sofort gestoppt, trotzdem haben sich noch einige Nachbeben ereignet. Am Dienstag hat die Baseler Kantonsregierung darüber entschieden, wie es denn nun weitergehen soll mit dem Vorhaben, und meine Kollegin Dagmar Röhrlich hat sich darüber informiert. Frau Röhrlich, werden die Arbeiten in Basel denn nun wieder aufgenommen?

    Dagmar Röhrlich:Vorläufig zumindest nicht. Das ganze Projekt ist erst einmal ausgesetzt worden auf unbestimmte Zeit, wie es heißt. Es hat ja nicht nur im Dezember gebebt, sondern auch ein weiteres Beben der Stärke 3 - das ist nicht gefährlich, aber man spürt und hört es - hat es Anfang Januar gegeben, dann noch eines Mitte Januar. Jetzt sagt man: "Wir wollen erst einmal schauen, was genau los ist, und alle seismischen Daten auswerten, um so zu einer Risikoanalyse zu kommen."

    Reuning: Eine Risikoanalyse in Basel am Oberrheingraben. Das ist in einem Gebiet, das durchaus für Erdbeben bekannt und berüchtigt ist. Warum kommt das erst jetzt?

    Röhrlich:Man hat es bis jetzt nicht machen können nach Auskunft der Regierung, weil man einfach die Daten nicht gehabt hat. Jetzt hat man sehr viele Daten, sodass man tatsächlich sagen kann, gut, das Risiko, dass durch diese Arbeiten ein großes Beben ausgelöst wird, liegt bei eins zu hunderttausend, einer Million, bei eins zu tausend - das muss sich dann herausstellen. Man wird jetzt erst einmal Geld bewilligen müssen, das wird mehrere hunderttausend Schweizer Franken kosten, und das soll jetzt wohl geschehen.

    Reuning: Haben denn die Geologen jetzt schon eine heiße Spur, was im Dezember geschehen sein könnte?

    Röhrlich:Man muss sich dazu einmal vorstellen, was da eigentlich gemacht wird: man hat ein fünf Kilometer tiefes Bohrloch in die Erde hinein gebohrt und dort trifft man auf 200 Grad Celsius heißes Gestein. Darauf leitet man, wenn man so will, einfach kaltes Wasser. Es ist Granit, der durch dieses kalte Wasser wie Glas zerspringt, er zerbröselt regelrecht. Das soll er auch, denn durch diese Risse und Spalten, die dabei entstehen, soll später einmal Wasser fließen, das sich dabei aufheizt. Die Erde wird dann zu einem Wärmetauscher, und in einer zweiten Bohrung, die noch irgendwann vielleicht einmal abgeteuft wird, soll der heiße Dampf gefördert werden - so soll dann ein Kraftwerk entstehen.

    Reuning: Was ist denn dabei schief gegangen?

    Röhrlich:Man vermutet, da diese Beben völlig unerwartet kamen, dass man zum einen viel zu wenig Erfahrung hat, wie dieses Verfahren im Granit funktioniert. Es ist aus der Erdölindustrie bekannt, da wird es aber im Sandstein hauptsächlich angewandt. Sandstein hat Poren, da kann sich das Wasser völlig anders verteilen. Der Granit ist dagegen massiv und da scheint sich dann halt - zumindest im Baseler Raum - etwas aufbauen zu können, was man nicht erwartet hat. Es gibt ein ähnliches Projekt im Elsass, und da hat es diese Beben nicht gegeben. Von daher ist es einfach völlig unerwartet, diese großen Beben. Die kleinen Beben aber braucht man, sonst wird der Granit einfach nicht reißen. Das ist sozusagen das Zeichen, dass es funktioniert. Aber dass es Beben mit Stärke 3 gibt, das hat man nicht erwartet. Und die Grobanalyse der Beben legt nahe, dass dabei alte Schwächezonen aktiviert wurden, wo also Spannungen ohnehin schon bestehen. Das Wasser wirkt dann wie ein Schmierfilm, und dann bricht es halt.

    Reuning: Kann es denn nun sein, dass das Projekt auch ganz eingestellt wird?

    Röhrlich:Es wird sich in etwa einem halben Jahr zeigen. Wenn das Risiko zu hoch ist, wenn die Regierung sagt, dass man dies nicht eingehen wolle, dann kann es sterben. Ansonsten kann es aber auch einfach weiter gehen. Es heißt, man wird dann noch mindestens noch einmal ein Jahr warten müssen, bis die Bohrmannschaft wieder vor Ort ist, ehe man den Bohrturm wieder hat. Dann muss man die zweite Bohrung niederbringen. Man muss bei der ersten Bohrung auch noch weiter Wasser verpressen, denn das, was da jetzt an Klüften entstanden ist, reicht noch nicht aus. Aber wie es weiter geht und ob und wann, das steht derzeit noch in den Sternen und hängt ganz von den Analysen ab.