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Hochschulrektorenkonferenz
Peter-André Alt ist neuer Präsident

Kampf gegen sexualisierte Gewalt, steigende Studierendenzahlen, mehr Datensicherheit: Auf den neuen Präsidenten der Hochschulrektorenkonferenz Peter-André Alt warten viele Aufgaben. Dass die neue Bundesbildungsministerin keine Vorerfahrungen in ihrem Ressort habe, sei für die Zusammenarbeit kein Nachteil, sagte er im Dlf.

Peter-André Alt im Gespräch mit Markus Dichmann | 24.04.2018
    Der Präsident der Freien Universität (FU) Berlin, Peter-Andre Alt, wird Präsident der Hochschulrektorenkonferenz HRK
    Es sei kein Nachteil, dass die neue Bundesbildungsministerin keine Vorerfahrung in ihrem Ressort habe, sagte der neue HRK-Präsident Peter-André Alt im Dlf (Maurizio Gambarini/dpa)
    Markus Dichmann: Große Vollversammlung der Hochschulrektorenkonferenz heute in Mannheim. Noch mal zur Erinnerung: In die HRK entsenden insgesamt 268 Hochschulen Deutschlands ihre Vertreter, an denen 94 Prozent aller Studenten immatrikuliert sind. Man könnte auch mal vereinfacht sagen: Die Hochschulrektorenkonferenz ist das wichtigste gemeinsame Gremium der deutschen Hochschulen. Und diese HRK hat heute einen neuen Präsidenten gewählt, er heißt Peter-André Alt und war bisher Präsident der Freien Universität in Berlin. Hallo, Herr Alt!
    Peter-André Alt: Ich grüße Sie!
    Dichmann: Es warten enorme Herausforderungen auf Sie, muss man sagen, das kann man auch schon an den Tagesordnungspunkten der heutigen Vollversammlung sehen. Fangen wir mal an mit einer immer noch recht jungen Bundesregierung und vor allem auch einer Bundesbildungsministerin, Anja Karlizcek, die von sich selbst sagt, keinerlei Vorerfahrung im Feld der Bildungspolitik zu haben. Wie beurteilen Sie da eigentlich die aktuelle Lage in Berlin?
    Alt: Aus meiner Sicht muss das kein Nachteil sein. Entscheidend ist, dass die Ministerin das Ressort, das sie vertritt, stark vertritt, auch im Kabinett, und dass sie die Interessen des Hochschulsystems zur Geltung bringt. Und da habe ich keinen Zweifel, dass sie das tut. Im Koalitionsvertrag sind ja einige wichtige Grundlinien festgelegt, die die Finanzierungen der Zukunft betreffen, an denen man auch erkennen kann, dass der Bund sich stärker als in der Vergangenheit an der kontinuierlichen Finanzierung der Hochschulen beteiligt. Und das ist erst einmal schon ein sehr wichtiges Signal.
    Dichmann: Erst gestern ist Frau Karlizcek da auch noch mal in die Bresche gesprungen, hat erneut eine Lockerung des Kooperationsverbotes gefordert. Das ist ja auch das, was Sie eben angedeutet haben und was auch eines der großen Themen Ihres Vorgängers Horst Hippler war. Begrüßen Sie diesen Vorstoß?
    Alt: Unbedingt. Es ist ganz wichtig, dass wir hier eine bessere Verzahnung zwischen Bundes- und Landesinitiativen bekommen, und es ist ja so, dass die Hochschulen so viele Aufgaben vor sich haben: Kontinuierlich stetiger Anstieg von Studierenden in den letzten Jahren, stabiles Niveau von 500.000 Studienanfängern pro Jahr, da ist das ganze Thema der Forschung, das sehr stark läuft über Drittmittelfinanzierung mit starken Abhängigkeiten. Das sind alles Dinge, die wir ja sicher auch festigen müssen, und dafür brauchen wir ein Engagement des Bundes zusätzlich zu einem kontinuierlichen Engagement der Länder.
    "Oft genug sind die E-Mail-Systeme nicht hinreichend geschützt"
    Dichmann: Zweites Thema, das man der heutigen Agenda entnehmen konnte, Herr Alt, ist die Informationssicherheit an den Hochschulen. Hat man sich das vielleicht auch deshalb auf die Fahnen geschrieben, weil gerade eine Hacker-Attacke aus dem Iran deutsche Hochschulnetze attackiert hat?
    Alt: Das ist vielleicht gar nicht der Punkt, sondern entscheidend ist ja, dass wir im Bereich der Grundlagen- und der anwendungsbezogenen Forschung wichtige Daten aufbauen und speichern, die hoch sensibel sind. Das geht los mit Themen wie der Chemie, das setzt sich fort mit den ingenieurwissenschaftlichen Disziplinen, Elektromobilität, es geht einmal um etwas wie Eigentumsrechte, intellektuelle Eigentumsrechte, also wie so Intellectual Property Rights, und setzt sich fort mit Fragen von großer Sicherheitsrelevanz. Es ist ganz klar, dass die Hochschulen eine gute Policy brauchen und dass sie entsprechende Maßnahmen benötigen, um die erforderliche Datensicherheit zu garantieren.
    Dichmann: Aber um das vielleicht noch mal kurz zusammenzufassen: Ein iranisches IT-Institut brüstet sich damit, Daten von Hochschulen weltweit erbeutet zu haben, und eben auch von 23 deutschen Hochschulen. Wie beurteilen Sie diesen Fall?
    Alt: Ja, das ist natürlich außerordentlich verunsichernd und es zeigt, dass das System eben offen ist, dass es nicht wirklich geschlossen funktioniert. Und das ist auch klar, weil wir einfach im Forschungsbereich Kommunikation brauchen. Kommunikation läuft heutzutage eben über die üblichen Wege, häufig über E-Mail, und oft genug sind die E-Mail-Systeme nicht hinreichend geschützt. Und das muss einfach von jeder Hochschule als Policy verfolgt werden, dass Datensicherheit auch im wissenschaftlichen Bereich viel ernster genommen wird, als das bisher der Fall ist.
    "Der erste wichtigste Ansatzpunkt ist Aufklärung"
    Dichmann: Und dann kommen wir vielleicht noch zu einem dritten Punkt, der Sie in den nächsten Jahren beschäftigen wird, nämlich das Thema sexualisierte Gewalt an Hochschulen. Da gibt es Umfragen, nach denen die Hälfte aller Studentinnen Erfahrungen macht mit Sexismus oder eben sogar sexualisierter Gewalt im Studium an der Hochschule. Was kann man da, was muss man da besser machen?
    Alt: Der erste wichtigste Ansatzpunkt ist Aufklärung, Aufklärung da, wo Führungsverantwortung wahrgenommen wird. Und das heißt auch, dass in die Qualifizierung derjenigen, die Führungsverantwortung haben, das Moment der sexualisierten Diskriminierung einfließen muss. Also die Prägung einfach des Bewusstseins, das muss sich verändern. Jeder, der Führungsverantwortung hat, muss wissen, welche große Bedeutung es hat, dass er gendersensibel kommuniziert, dass er entsprechend auch hinreichenden Abstand hält. Wir haben ja in den Hochschulen in der Regel ein System mit ziemlich flachen Hierarchien und es gibt sehr enge Kooperationsfelder. Es gibt Exkursionen, es gibt gemeinsames Forschen im Labor, es gibt häufig auch eine sehr, sehr dichte Kommunikation. Und da ist es ganz besonders wichtig, dass die Regeln bestehen, dass sie streng eingehalten werden, die dann eben auch Abstand sicherstellen.
    Und das Zweite ist, dass da, wo etwas schiefläuft, strengste Sanktionen greifen und dass vor allen Dingen Aufklärung erfolgt. Und das heißt, dass wir die Betroffenen in eine Situation bringen müssen, wo sie sich sicher wissen, wenn sie entsprechende Informationen über Belästigungsfälle weitergeben. Und das bedeutet, dass wir ein gutes Informations- und Beratungssystem brauchen, das vor allen Dingen so aufgebaut sein muss, dass alle Betroffenen wissen, an wen sie sich wenden, wenn – was wir nicht hoffen, was nicht der Fall sein sollte, aber wenn es doch passiert – ein Fall von Belästigung erfolgt ist. Diese beiden Stoßrichtungen, Vorsorge sozusagen, vorbeugend agieren, und andererseits aber auch streng aufklärend, die sind von großer Bedeutung.
    "Die FU spielt eine wichtige Rolle in meiner akademischen Biografie"
    Dichmann: Vielen Dank, Herr Alt! Vielleicht nur noch eines, nämlich Ihr Abschied von der FU Berlin. Da haben Sie ja, soweit ich das sehen kann, fast Ihr gesamtes akademisches Leben verbracht, und jetzt dann doch der Wechsel ins Präsidentenamt der Hochschulrektorenkonferenz. Gibt es da heute bei Ihnen ein lachendes und auch ein weinendes Auge?
    Alt: Na ja, ich war schon auch einige Jahre woanders.
    Dichmann: In Bochum zum Beispiel.
    Alt: In Bochum, Würzburg und auch im Ausland. Also es ist schon so, dass ich natürlich die Welt neben der FU kenne, aber die FU spielt eine wichtige Rolle in meiner akademischen Biografie und das ist nicht leicht. Wenn man acht Jahre eine Universität geleitet hat, dann ist sie einem zwangsläufig ans Herz gewachsen, das ist ganz klar und das bleibt auch so. Und das Gute ist, dass ich in meiner neuen Rolle gar nicht mehr in den Konflikt gerate. Ich habe ja jetzt eine Verantwortung für ein Gesamtsystem und das schließt nicht aus, dass ich eine innere Sympathie zu meiner früheren Universität, die dann meine frühere sein wird, haben werde. Das darf durchaus sein.
    Dichmann: Peter-André Alt in "Campus und Karriere", vielen Dank für das Gespräch!
    Alt: Danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.