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Kooperationsverbot kippen
"Ein guter Zeitpunkt, diese Bundesratsinitiative einzubringen"

Sie habe Jahre dafür gekämpft, sagte Berlins Bildungssenatorin Sandra Scheeres im Dlf: Am 22. September soll die Aufhebung des Kooperationsverbots auf der Tagesordnung im Bundesrat stehen. Für Berlin und sieben weitere Bundesländer geht es darum, mehr Geld vom Bund für die Schulbildung zu bekommen.

Sandra Scheeres im Gespräch mit Jörg Biesler | 06.09.2017
    Bildungssenatorin Sandra Scheeres am 13. Juli 2017
    "Man kann sich auch auf einheitliche Dinge verständigen", sagte Berlins Bildungssenatorin im Dlf, auch wenn die Gegebenheiten in den einzelnen Bundesländern teils sehr unterschiedlich seien. (imago / Christian Ditsch )
    Jörg Biesler: Das Kooperationsverbot ist in der Kritik, seit es 2006 im Grundgesetz verankert wurde, weil es verhindert, dass der Bund den Ländern bei der Finanzierung der Bildung unter die Arme greift, jedenfalls außerhalb von Einmal-Aktionen. In Sachen Hochschulen ist es gerade gelockert worden, aber für die Schulen sind weiterhin allein die Länder zuständig. Sechs von ihnen wollen das nun ändern: Rheinland-Pfalz, Hamburg, Bremen, Niedersachsen, Thüringen und Berlin haben die Streichung des Kooperationsverbots auf die Tagesordnung des Bundesrats gebracht. Der tagt am 22. September das nächste Mal, also zwei Tage vor der Bundestagswahl. Sandra Scheeres ist Berlins Bildungssenatorin. Guten Tag, Frau Scheeres!
    Sandra Scheeres: Guten Tag!
    "Schon sehr lange ein Thema der SPD"
    Biesler: Die SPD ist ja schon länger dafür, das Kooperationsverbot ganz zu streichen. Warum jetzt diese Initiative der SPD-geführten Länder – um noch mal klar zu machen, dass die SPD mehr Bundesgeld in die Bildung stecken will als die CDU?
    Scheeres: Sie sprachen es ja gerade an, dass das Thema Aufhebung des Kooperationsverbotes auch im Bildungsbereich schon sehr lange ein Thema der SPD ist, und ich ganz konkret als Bildungssenatorin habe hierfür auch schon viele Jahre gekämpft, und auch in dieser Phase, wo es darum ging, im Wissenschaftsbereich das Kooperationsverbot aufzuheben, habe ich immer wieder betont, dass es sinnvoll ist, gleichzeitig dieses auch für den Bildungsbereich aufzuheben, und ich finde, das ist jetzt eine gute Gelegenheit, ein guter Zeitpunkt, diese Bundesratsinitiative einzubringen.
    Scheeres: Sieben Bundesländer unterstützen Berlin
    Biesler: Die Frage ist, warum ist das ein guter Zeitpunkt – wegen des Wahlkampfes? Das Grundgesetz ist ja, wie gesagt, bezüglich der Hochschulen gerade geändert worden. Da hätte man die Schulen gleich mit machen können. Dafür gab es aber keine Mehrheit. Warum sollte es die jetzt geben?
    Scheeres: Sie haben es ja eben angesprochen: Also wir haben jetzt schon sieben Bundesländer, die Berlin unterstützen und den Antrag mit einbringen. Es gibt weitere Bundesländer, wie zum Beispiel Schleswig-Holstein oder Nordrhein-Westfalen oder Sachsen-Anhalt, die dieses Thema jetzt aktuell in ihrem Koalitionsvertrag stehen haben, und das bedeutet, dass sich diese Bundesländer auch damit auseinandersetzen müssen, und vielleicht gelingt es ja, noch zwei Bundesländer zu überzeugen, mitzumachen, und dann hätten wir eine Mehrheit. Ich finde, das ist der richtige Zeitpunkt, weil natürlich jetzt eben auch schon Weichen gestellt werden für einen zukünftigen Koalitionsvertrag, und deswegen ist es sinnvoll und richtig, dass die Bundesländer im Bundesrat deutlich machen, wie sie zu diesem Thema stehen.
    "Man kann sich auch auf einheitliche Dinge verständigen"
    Biesler: Wer Geld gibt, der will natürlich auch bestimmen. Davon kann man jedenfalls ausgehen. Das war auch immer die Sorge. Wenn der Bund die Schulen umfänglich mitfinanziert, dann will der möglicherweise auch sagen, wie unterrichtet wird, zum Beispiel auch an Berliner Schulen, nämlich vielleicht so wie an Schulen in Bayern gerade oder in Sachsen. Das sind ja die Bundesländer, die immer gut abschneiden bei den Vergleichstests. Das können Sie ja nicht wollen, dass Ihre Souveränität verloren geht in Fragen der Unterrichtsgestaltung. Sehen Sie die Gefahr nicht?
    Scheeres: Die Gefahr sehe ich nicht. Also im Wissenschaftsbereich haben wir schon eine Regelung getroffen, auch, dass die Zuständigkeiten bleiben. Man kann das ja schon auch so regeln, dass die Länder weiter die Verantwortung haben. Das ist ja auch sinnvoll, weil die Gegebenheiten in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich sind. Sie sprachen gerade Bayern und Berlin an. In Berlin lebt jedes dritte Kind in Armut, und ich könnte noch andere Themen ansprechen. Das kann man überhaupt vergleichen. Wir benötigen hier eine ganz andere Schulstruktur und haben auch andere Themen, die wir hier in Berlin bewegen, aber man kann sich auch auf einheitliche Dinge verständigen, also dass wir den Weg des kooperativen Bildungsföderalismus gehen. Im Wissenschaftsbereich haben wir uns ja auch auf bestimmte Dinge verständigt, wo wir über den Hochschulpakt oder andere Dinge diskutiert haben. Die Möglichkeit besteht, Standards festzulegen, und in der Kultusministerkonferenz geht es ja auch genau in so eine Richtung, dass wir einheitliche Bildungsstandards festlegen, wie zum Beispiel, dass wir auch einheitliche Aufgabenpools mit den Ländern entwickelt haben. Also wir haben hier genügend Ansatzpunkte, wo wir Dinge gemeinsam auf den Weg bringen können, aber die Länder eben auch individuell ihre Wege in Verantwortung gehen können.
    Unterstützung der Länder bei Umsetzung der Inklusion
    Biesler: Bundesbildungsministerin Johanna Wanka hat ja den Digitalpakt angekündigt: fünf Milliarden vom Bund für die Digitalisierung der Schulen. Das ist sicher eine Aufgabe, für die man unbedingt Geld braucht in der Zukunft. Wofür denn noch?
    Scheeres: Ein Riesenthema ist das Feld der Inklusion. Wir sind ja rechtlich sozusagen aufgefordert worden, also alle Länder, durch die EU, die Inklusion in den Ländern umzusetzen und auch gerade im Feld der Schule. Das stellt eine Riesenherausforderung für die Länder dar, und das wäre zum Beispiel ein Punkt, wo der Bund unterstützend wirkend könnte, oder das ganze Feld der Ganztagsschule: Ausbau der Ganztagsschule. Also wir hier in Berlin sind hier sehr gut aufgestellt. Klar haben wir hier auch noch was zu tun, aber wenn man jetzt mal bundesweit schaut, glaube ich, könnte das sehr unterstützend sein, dass die Ganztagsschule weiter ausgebaut wird und auch zum Beispiel mit Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern besetzt werden kann. In der Vergangenheit ging das ja nur über so eine Art Projektförderung, und das wäre was, wo also wirklich in der Breite Finanzierung stattfinden kann. Und noch mal: Sie sprachen gerade das Thema der Digitalisierung an, was für alle Bundesländer auch eine Herausforderung darstellt und wesentlich ist auch für die wirtschaftliche Entwicklung. Da würde ich mich einfach auch freuen, wenn das Geld, was Frau Wanka uns als Bundesländer ja versprochen hat, auch kommen würde – das steht ja noch nicht fest.
    Hoffen, dass "Frau Wanka da Wort hält"
    Biesler: Das wissen wir im Augenblick noch nicht, genau.
    Scheeres: Die Länder sind ja bereit, den Bund-Länder-Vertrag auszuarbeiten. Wir haben Beschlüsse in der Kultusministerkonferenz, aber da erhoffe ich mir, dass Frau Wanka da das Wort hält und dass das Geld dann auch vom Bund kommt.
    Biesler: Sandra Scheeres, Bildungssenatorin in Berlin möchte gern Geld vom Bund für die Schulen. Mit Ihren Kolleginnen und Kollegen zusammen will sie am 22. September im Bundesrat eine Initiative noch mal starten zur Abschaffung des Kooperationsverbots. Vielen Dank, Frau Scheeres, für das Gespräch!
    Scheeres: Gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.