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Hochwasser in Sachsen

Ensminger: Trotz teils sinkender Pegelstände hat sich die Lage in den meisten Hochwassergebieten in Deutschland in der vergangenen Nacht nicht wirklich entspannt. Vor allem in Sachsen nahmen die Überschwemmungen verheerende Ausmaße an. In dem Freistaat waren bis in die frühen Morgenstunden sechs Menschen durch die Fluten ums Leben gekommen. 95 wurden verletzt. Insgesamt seien in Sachsen mehrere Zehntausend Helfer im Einsatz, so das Innenministerium. Eine gute Nachricht: der deutsche Wetterdienst Leipzig hob ab Mitternacht die Unwetterwarnung für Sachsen auf. Nur in der Lausitz sei noch stärkerer Regen zu erwarten. - Am Telefon ist nun der Umweltminister Sachsens, Steffen Flath (CDU). Guten Morgen! - Von einem guten Morgen kann man bei Ihnen wahrscheinlich nicht sprechen. Wie sieht es denn aus?

    Flath: Guten Morgen aus Dresden! - Im Moment sieht es insofern gut aus, dass es mal nicht regnet und wir natürlich damit die Hoffnung verbinden, dass irgendwann diese Katastrophe ein Ende nimmt. Es ist so, dass es in den Mittelgebirgslagen, vor allem im Erzgebirge eine Entspannung gibt. Dort sind die Pegelstände der Flüsse rückläufig. Wir haben eine ganz leichte Entspannung im Flachland Richtung Leipzig, dort wo die Gebirgsflüsse dann zusammenlaufen. Wir haben noch keine Entspannung im Gebiet der Elbe, weil wir dort zwar in der letzten Nacht einen konstanten Pegel von 6,95 bis 7 Meter gehabt haben, aber uns steht heute noch mal ein kräftiger Anstieg von 7,75 Meter bevor, weil jetzt das ganze Wasser, was in der tschechischen Republik niedergegangen ist, natürlich den Weg zu uns nehmen wird.

    Ensminger: Was glauben Sie denn sind die Ursachen für diese Fluten?

    Flath: Wir sprechen im Gebiet der Elbe von einem Jahrhunderthochwasser. Im Osterzgebirge war es ein Jahrtausendhochwasser. Es war eine ganz besondere Wettersituation. Wir hatten innerhalb von zwei Tagen die Niederschlagsmengen von einem gesamten Vierteljahr und dort ist natürlich jeder Hochwasserschutz, sind alle Rückhaltebecken in der Kapazität einfach viel zu klein, um so ein Wasser zurückzuhalten. Was die Ursachen sind? - Wir haben nachgeschaut. In der Geschichte hat es solche Beispiele gegeben. Natürlich sind die Menschen besorgt, dass die Häufigkeit an Unwettern in den letzten Jahren, aber auch in diesem Jahr besonders zugenommen hat. So denke ich ist es wohl auch berechtigt, dass man das in Zusammenhang bringt mit der Klimaerwärmung, die natürlich schon unbestritten stattfindet.

    Ensminger: Das heißt einen Zusammenhang mit der Klimaveränderung schließen Sie nicht aus?

    Flath: Nein! Ich denke schon, dass es dafür einen klaren Zusammenhang gibt, weil wir ja auch in Sachsen Aufzeichnungen über die letzten zwei, drei Jahrzehnte haben und dort hat es einen Temperaturanstieg gegeben, wenngleich im großen und ganzen mit einer Trockenheit zu rechnen ist - und das hat sich in den vergangenen Tagen hier in Sachsen nun sehr dramatisch bestätigt -, ist ebenso zu erkennen, dass die Niederschläge eben sehr geballt in kürzester Zeit fallen und dann wieder längere Trockenperioden zu erwarten sind. Also das ist schon eine Situation, womit Menschen früher sicherlich zurecht kommen mussten, aber uns steht da möglicherweise einiges bevor.

    Ensminger: Wenn es denn so ist, dass dort tatsächlich etwas mit dem Klima zu vereinbaren ist bzw. das Klima Mitschuld trägt, dann muss man ja fragen, was gibt es für Konzepte. Der Grünen-Spitzenkandidat Fischer hat der Union vorgeworfen, gar keine zu haben. Wie sieht das in Sachsen aus?

    Flath: Es ist im Moment etwas schwer für uns, in einer Katastrophe jetzt bereits die Diskussion zu führen. Es ist aber so, dass man natürlich schon etwas dagegen machen kann. Es ist zum einen, dass man Hochwasserschutz betreibt. Das tun wir. Es ist zum anderen, dass wir uns längerfristig bemühen, dass wir eben mit weniger Energie auskommen, dass wir weniger CO2 in die Atmosphäre geben, was mittlerweile denke ich ja auch unbestritten eine Ursache für diese Klimaveränderung ist. Nur sind das alles Dinge, die im Augenblick die Menschen in Sachsen natürlich nicht bewegen, weil machen wir uns nichts vor: Klimaveränderungen sind längere Zeiträume. Das heißt wenn wir heute über solche Möglichkeiten von Energieeinsparungen sprechen und handeln, dann wird das Auswirkungen sagen wir mal für unsere Enkel haben und das wird nicht dazu führen, dass in den nächsten Jahren wir etwa eine akute Änderung hinbekommen werden. Deshalb ist es wichtig, beides zu betreiben: auf der einen Seite Klimavorsorge zu betreiben und auf der anderen Seite Hochwasserschutz, das heißt, dass die Flüsse nicht verbaut werden, dass sie nicht zugebaut werden, dass sie möglichst in ihrem natürlichen Bett verbleiben können. Das hilft uns etwas hier in Dresden. So dramatisch wie das ist, aber wir haben sehr viele Elbauen hier, wo das Wasser ganz einfach hinlaufen kann, was natürlich schlimm ist für die Landwirtschaft. Dort ist überall auch die Ernte noch nicht eingebracht, aber es ist immer noch besser, als wenn - und das haben wir leider im Gebirge hier erlebt - gewaltige Wassermassen Häuser, Brücken mitreißen. Sie müssen sich vorstellen, es gibt in Sachsen Täler, da steht nicht mehr eine einzige Brücke. Dort ist die gesamte Infrastruktur zerstört. Das heißt dort ist es sehr, sehr schwer für die Menschen, jetzt wieder Mut zu fassen, aber ich denke, die Sachsen werden das hinbekommen und werden das Land wieder aufbauen wollen.

    Ensminger: Die bayerische Landesregierung hat der Bevölkerung finanzielle Hilfe im Lande zugesagt. Wie sieht das in Sachsen aus? Womit können die Betroffenen rechnen?

    Flath: Wir können gegenwärtig überhaupt noch nicht abschätzen, welches Ausmaß diese Katastrophe hat. Es wird wahrscheinlich eine sehr, sehr große Schadenssumme zusammenkommen. Wir wollen am heutigen Tage im Kabinett beraten, welche Soforthilfen gewährt werden. Ich denke aber, wir werden das Problem in Sachsen ganz einfach nicht meistern können. Diese Katastrophe ist weit, weit größer einzuschätzen als beispielsweise das Oder-Hochwasser vor fünf Jahren. Wir werden also Hilfe vom Bund brauchen, auch Hilfe von der Europäischen Union brauchen, denn wenn wir jetzt in den Stunden den Menschen Mut machen wollen, dann müssen wir ihnen einfach in Aussicht stellen, dass sie die Möglichkeit haben, ihr Land wieder aufzubauen. Wenn es diese Solidarität gibt - und ich bin überzeugt, dass es die geben wird -, dann werden die Menschen auch den Mut nicht verlieren.

    Ensminger: Sie haben die Hilfen vom Bund angesprochen. Bundeskanzler Schröder will heute nach Sachsen reisen. Was erwarten Sie von ihm?

    Flath: Wir werden mit Bundeskanzler Schröder darüber sprechen, welche Sofortprogramme der Bund hier veranlassen kann, womit er uns unterstützen kann. Wir können es als einzelnes Bundesland nicht finanzieren. Wir werden aber auch mit Bundeskanzler Schröder darüber sprechen, dass die Bundesregierung tätig wird, mit der europäischen Kommission zu verhandeln. Wir können ja auf die Erfahrung des Oder-Hochwassers zurückgreifen. Dort hat es auch Soforthilfsprogramme der Europäischen Union gegeben, wenn ich an Landwirtschaft, an Forstwirtschaft, an die Infrastruktur denke. Sie müssen bedenken, die gesamte Abwasser-Infrastruktur, Straßenbau, Brückenbau ist beschädigt. Dort muss die Bundesregierung möglichst rasch jetzt tätig werden, um den Menschen zu signalisieren, wenn sich dann hoffentlich zum Wochenende das Wasser zurückzieht, was das ganze Gebiet der Elbe betrifft, dass dann die Leute wissen, wo können sie sich hinwenden, wo kriegen sie unbürokratische Hilfe. Dann denke ich wird man in der nächsten Woche mit den Aufräumungsarbeiten beginnen und dann wollen wir ich glaube im nächsten Jahr diese enormen Schäden in Sachsen beseitigen.

    Ensminger: Vielen Dank Steffen Flath, Umweltminister im Freistaat Sachsen.

    Link: Interview als RealAudio