Höher, schneller, weiter, "I wanna take you higher", Sly & the Family Stone live in Woodstock im August 1969. Ihr Auftritt gilt vielen als der Höhepunkt des Festivals, und wenn es einen einzigen Song gibt, der die Woodstock-Stimmung auf den Punkt bringt, dann ist es dieser: "I wanna take you higher" – der Höhenflug kennt keine Grenzen, alles ist möglich, wir können nach den Sternen greifen, oder auch: Jeder und jede ist ein Stern.
Wir alle können Stars werden, "Everybody is a star”, einer von diesen Universalhits von Sly & the Family Stone. Songs, die sich sofort einprägen, einfache Botschaften mit globaler Reichweite: "It´s a family affair", wir sind alle eine Familie, "Everyday People", Menschen wie du und ich, "Stand!" – Steh auf für deine Rechte und eben: Everybody is a star. Nach ihrem triumphalen Auftritt in Woodstock sind Sly & the Family Stone eine der populärsten Bands des Planeten. Und die fleischgewordene Utopie der Integration. Der Afro-Amerikaner Sly Stone hat sich eine bunte Familie zusammengestellt.
"You have guys and girls, blacks and whites, that´s where the input comes from, that´s where the sound comes from.”"
Frauen und Männer, Schwarze und Weiße, daher der Sound – so einfach ist das mit Sly und seiner Family. In der utopischen Familie tragen schwarze Frauen blonde Afros und spielen Trompete oder Keyboards, am Schlagzeug sitzt ein weißer Hippie und manchmal wird sogar gefiedelt.
""Klassischer R&B, Jazz, Kinderlieder, Gospel, ja – sogar Country. All diese Genres verschmelzen im Alchemielabor eines wahren Visionärs."
So Jeff Kaliss, der Biograf von Sly Stone. Für einen historischen Augenblick scheint das Ideal einer Gesellschaft greifbar, in der niemand wegen Hautfarbe oder Geschlecht benachteiligt ist. Eine Gesellschaft, in der die Träume der Bürgerrechtsbewegung Realität werden.
Und dann sind die Sechziger vorbei. "Runnin away" heißt dieser Song von 1971. Jeder läuft vor irgendwas davon, kommentiert Sly Stone im Booklet. Die Sklaverei ist zwar offiziell abgeschafft, auch die Lynchjustiz ist eigentlich Geschichte, aber dennoch müssen Schwarze oft genug den Hintereingang nehmen, gerade in den Südstaaten. Heute haben die USA ihren ersten schwarzen Präsidenten, wenn aber in Florida ein schwarzer Teenager von einem weißen Blockwart erschossen wird, wird dieser freigesprochen. Es gibt also immer noch Gründe, wegzulaufen. "Runnin away" stammt aus dem Album "There´s a riot goin´ on", eine bahnbrechende Platte, ein Endpunkt, eine Wendemarke.
"Das Album ist aus dem Gefühl heraus entstanden, dass die positiven Vorstellungen der 60er Jahre an ihre Grenzen gestoßen waren, sich gegen sich selbst gekehrt und dort Unheil angerichtet hatten, wo nur Gutes erwartet worden war."
So interpretiert der amerikanische Pop-Historiker Greil Marcus den Riot, den Aufstand von Sly & the Family Stone. Sein Kollege Miles Marshall Lewis hat dem Album ein ganzes Buch gewidmet, auch er sieht eine Zeitenwende:
"Alles, wofür diese Band gestanden hatte, war nicht mehr hip. Treibende Kräfte des gesellschaftlichen Wandels wurden ermordet, der gerissene Betrüger Richard Nixon zog ins Weiße Haus ein. Das Konzept der Integration, für das Sly & the Family Stone standen, wurde infrage gestellt. Und es wurde klar, dass von der Bürgerrechtsbewegung nur die schwarze Mittelklasse profitiert hatte."
Wenn nur die Mittelklasse profitiert, dann suchen die unteren Klassen andere Wege. Für Schwarze aus schwierigen Verhältnissen gibt es drei Aufstiegsoptionen: Sie können Sportler werden, Showstar oder Gangster. So gesehen ist das Ende der hippen Integration von Sly & the Family Stone auch der Anfang der Gangster-Ökonomie. Und des Gangster-Rap. Da heißt es nicht mehr egalitär "Everybody is a star", da gilt das Recht des Stärkeren. "Get rich or die tryin´" verkündet der Gangster-Rapper 50 Cent: Werde reich, oder stirb, bei dem Versuch es zu werden.
Nenn´ mich nicht Nigger, Whitey, nenn´ mich nicht Whitey, Nigger, dieser gar nicht mehr utopische Song von Sly & the Family Stone fehlt auf der vorliegenden Retrospektive. Nicht umsonst heißt die 4-CD-Box "Higher", sie betont die Höhenflüge der Band. Die Abstürze und die Ernüchterungen werden vernachlässigt, so gesehen ist "Higher" nur die halbe Wahrheit. Aber die halbe Wahrheit von Sly & the Family Stone ist immer noch mehr als die ganze Wahrheit vom Rest der Welt.
Wir alle können Stars werden, "Everybody is a star”, einer von diesen Universalhits von Sly & the Family Stone. Songs, die sich sofort einprägen, einfache Botschaften mit globaler Reichweite: "It´s a family affair", wir sind alle eine Familie, "Everyday People", Menschen wie du und ich, "Stand!" – Steh auf für deine Rechte und eben: Everybody is a star. Nach ihrem triumphalen Auftritt in Woodstock sind Sly & the Family Stone eine der populärsten Bands des Planeten. Und die fleischgewordene Utopie der Integration. Der Afro-Amerikaner Sly Stone hat sich eine bunte Familie zusammengestellt.
"You have guys and girls, blacks and whites, that´s where the input comes from, that´s where the sound comes from.”"
Frauen und Männer, Schwarze und Weiße, daher der Sound – so einfach ist das mit Sly und seiner Family. In der utopischen Familie tragen schwarze Frauen blonde Afros und spielen Trompete oder Keyboards, am Schlagzeug sitzt ein weißer Hippie und manchmal wird sogar gefiedelt.
""Klassischer R&B, Jazz, Kinderlieder, Gospel, ja – sogar Country. All diese Genres verschmelzen im Alchemielabor eines wahren Visionärs."
So Jeff Kaliss, der Biograf von Sly Stone. Für einen historischen Augenblick scheint das Ideal einer Gesellschaft greifbar, in der niemand wegen Hautfarbe oder Geschlecht benachteiligt ist. Eine Gesellschaft, in der die Träume der Bürgerrechtsbewegung Realität werden.
Und dann sind die Sechziger vorbei. "Runnin away" heißt dieser Song von 1971. Jeder läuft vor irgendwas davon, kommentiert Sly Stone im Booklet. Die Sklaverei ist zwar offiziell abgeschafft, auch die Lynchjustiz ist eigentlich Geschichte, aber dennoch müssen Schwarze oft genug den Hintereingang nehmen, gerade in den Südstaaten. Heute haben die USA ihren ersten schwarzen Präsidenten, wenn aber in Florida ein schwarzer Teenager von einem weißen Blockwart erschossen wird, wird dieser freigesprochen. Es gibt also immer noch Gründe, wegzulaufen. "Runnin away" stammt aus dem Album "There´s a riot goin´ on", eine bahnbrechende Platte, ein Endpunkt, eine Wendemarke.
"Das Album ist aus dem Gefühl heraus entstanden, dass die positiven Vorstellungen der 60er Jahre an ihre Grenzen gestoßen waren, sich gegen sich selbst gekehrt und dort Unheil angerichtet hatten, wo nur Gutes erwartet worden war."
So interpretiert der amerikanische Pop-Historiker Greil Marcus den Riot, den Aufstand von Sly & the Family Stone. Sein Kollege Miles Marshall Lewis hat dem Album ein ganzes Buch gewidmet, auch er sieht eine Zeitenwende:
"Alles, wofür diese Band gestanden hatte, war nicht mehr hip. Treibende Kräfte des gesellschaftlichen Wandels wurden ermordet, der gerissene Betrüger Richard Nixon zog ins Weiße Haus ein. Das Konzept der Integration, für das Sly & the Family Stone standen, wurde infrage gestellt. Und es wurde klar, dass von der Bürgerrechtsbewegung nur die schwarze Mittelklasse profitiert hatte."
Wenn nur die Mittelklasse profitiert, dann suchen die unteren Klassen andere Wege. Für Schwarze aus schwierigen Verhältnissen gibt es drei Aufstiegsoptionen: Sie können Sportler werden, Showstar oder Gangster. So gesehen ist das Ende der hippen Integration von Sly & the Family Stone auch der Anfang der Gangster-Ökonomie. Und des Gangster-Rap. Da heißt es nicht mehr egalitär "Everybody is a star", da gilt das Recht des Stärkeren. "Get rich or die tryin´" verkündet der Gangster-Rapper 50 Cent: Werde reich, oder stirb, bei dem Versuch es zu werden.
Nenn´ mich nicht Nigger, Whitey, nenn´ mich nicht Whitey, Nigger, dieser gar nicht mehr utopische Song von Sly & the Family Stone fehlt auf der vorliegenden Retrospektive. Nicht umsonst heißt die 4-CD-Box "Higher", sie betont die Höhenflüge der Band. Die Abstürze und die Ernüchterungen werden vernachlässigt, so gesehen ist "Higher" nur die halbe Wahrheit. Aber die halbe Wahrheit von Sly & the Family Stone ist immer noch mehr als die ganze Wahrheit vom Rest der Welt.