Schulz: Schönen Guten Tag, Herr Breker.
Breker: Herr Schulz, die Frankfurter Allgemeine Zeitung kommt heute mit einer neuen Hiobsbotschaft. Danach ist die Neuverschuldung in diesem Jahr entgegen den Ankündigungen um zwei Milliarden Mark angewachsen.
Schulz: Ich kann das noch nicht genau beurteilen, wir haben die Haushaltsdiskussion ja gerade hinter uns. Es war klar, dass wir bei der Belastung, möglicherweise auch bei Steuerausfällen, die aufgrund der schlechten Wirtschaftslage mitzuberechnen sind, mit Steuermindereinnahmen kalkulieren müssen und insofern könnte die Neuverschuldung tatsächlich steigen. Wichtig ist, dass wir natürlich unterhalb des Stabilitätskriteriums von drei Prozent, was uns der Maastricht-Vertrag vorgibt, bleiben und das werden wir mit Sicherheit einhalten.
Breker: Kommt es da nicht gelegen, dass nun Vorschläge auf dem Markt sind, die Vermögenssteuer wieder einzuführen und die Erbschaftssteuer anzuheben?
Schulz: Das ist eine Endlosdebatte. Das hat bisher zu keinem fruchtbaren Ergebnis geführt. Ich glaube auch nicht, dass das in der derzeitigen Wirtschaftssituation hilfreich wäre, im Gegenteil, eher kontraproduktiv. Alle Steuererhöhungen, wir haben ja die Diskussion gerade mit der Versicherungssteuer und der Tabaksteuer gehabt, sind ja eher kontraproduktiv obwohl wir ja mehr Ausgaben haben aufgrund der höheren Ausgaben im Sicherheitsbereich und im Verteidigungsbereich. Aber wie gesagt, Steuererhöhung, da müsste man im Moment doch eher die Finger weglassen.
Breker: Die Arbeitgeber, Herr Schulz, beklagen die mangelnde Reformfähigkeit der Regierung Schröder...
Schulz: Ja gut, die Klagen, was Reformen anbelangt und was das Tempo von Reformen anbelangt, die sind nicht neu, da kann man sich eine unterschiedliche Geschwindigkeit vorstellen. Hier gibt es sehr kurzfristige Erwartungen einer Wirtschaft, die möglichst mit hohem Tempo auf Sichtweite fahren möchte und der die Reform nicht weit genug gehen kann. Man muss bei Reformen natürlich immer aufpassen, dass sie die Akzeptanz einer ganzen Bevölkerung erreichen, d.h. nicht nur einer bestimmten Wirtschaftssparte oder bestimmter Interessenverbände, sondern dass sie insgesamt ausgewogen ist und da würde ich doch meinen, sieht die Bilanz eher positiv aus. In den letzten drei Jahren sind enorme Reformschritte unternommen worden: wir haben einen Systemwechsel bei der Rente, wir haben eine große Steuerentlastung, vielleicht noch nicht die große Steuerreform, da wäre noch einiges zu tun, wir müssen auch hier einen Systemwechsel hinbekommen weg von der Besteuerung der lebendigen Arbeit, mehr hin zu einer vielleicht neuen Art der Wertschöpfungssteuer aber auch der Vereinfachung im Steuersystem. Wir brauchen weiterhin Reformen, darauf drängen vor allen Dingen die Bündnisgrünen, auf dem Arbeitsmarkt. Hier ist doch etliches verkrustet. Wir haben eine Teilzeitmauer bei 630 Mark heutzutage, bei diesen 630-DM-Jobs, es lohnt sich darüber hinaus offensichtlich nicht, solche doch relativ mau bezahlten Beschäftigungsverhältnisse aufzunehmen und wir haben vor allen Dingen eine schwere Hypothek, die wir noch geschultert haben und in den nächsten Monaten, Jahren möglicherweise, abbauen müssen. Das sind die sehr sehr hohen Lohnzusatzkosten und Lohnnebenkosten, die im Zuge der Deutschen Einheit durch die versteckte Finanzierung der Deutschen Einheit da untergebracht wurden. Wir hatten ja 1990 etwa Lohnnebenkosten von 35 Prozent. Wir sind heute bei 41 Prozent und kämpfen um jedes Prozent der Absenkung.
Breker: Gewerkschaftschef Schulte warnt Schröder vor einer Kahlschlagpolitik, er vergleicht ihn auch mit Helmut Kohl in seinem Auftreten. Die Politik der ruhigen Hand steht inzwischen, Herr Schulze, für Nichtstun.
Schulz: Na ja, also Gerhard Schröder hat das große Talent, Metaphern anzubieten, wo sich dann andere, die sprachlich etwas phantasielos sind, meistens anhängen und das auf ihre Art und Weise ausschmücken. Ruhige Hand heißt ja nicht, dass diese Hand nichtstuend im Schoß liegt sondern ruhige Hand heißt sie zittert nicht, sie wedelt nicht mit neuen Gesetzesvorhaben herum oder verspricht da aus der hohlen Hand Konjunkturimpulse oder -hilfen sonder ruhige Hand heißt da wird Kurs gehalten. Also kein hektischer Aktionismus, kein Hineinspringen in irgendwelche Sofortprogramme oder Blitzprogramme, die uns da vorgeschlagen werden. Das Bild würde eigentlich eher heißen 'ruhige Hand und kühler Kopf'. Wir halten Kurs, die Hand liegt am Steuerrad. Wir werden diesen Wirtschaftskurs, den wir eingeschlagen haben - Haushaltskonsolidierung, Reformen - auf der gesamten Breite der Wirtschafts- und Finanzpolitik auch im Wahljahr durchhalten und die Anzeichen sind eher positiv. Wir können damit rechnen, dass sich im zweiten Quartal, spätestens im zweiten Quartal, die Wirtschaft wieder beleben wird, also die Konjunktur wieder anspringen wird und das Handwerk, wenn sie gerade Herrn Philipp zitiert haben, das klagt bekanntlich gerne. Das gehört zum Handwerk, das Klappern, dass man in einer gewissen Weise auch die Dinge schlechtredet. Wobei das kein guter Ratgeber ist im Moment, wo wir in einer angespannten Lage sind, die Dinge noch zu dramatisieren.
Breker: Nur was bringt das Kurshalten, Herr Schulz, wenn z.B. die Arbeitslosenzahlen nicht wirklich nach unten gehen. Man weiß: 3,5 Millionen Arbeitslose wird Schröder nicht erreichen, seine eigene Zahl ist das. Rot-Grün befindet sich inzwischen im Stimmungstief, z.B. die Liberalen überholen ganz locker in den Meinungsumfragen die Bündnisgrünen.
Schulz: Ja, wenn sie eine Momentaufnahme machen, dann ist das so. Aber entscheidend ist, wie man auf der Zielgeraden dann ankommt und vor allen Dingen, wie man durchs Ziel läuft dann bei der Wahl selbst. Also da darf man sich jetzt nicht nervös machen lassen von eine Situation, die, glaube ich, keiner sofort verändern könnte. Es gibt keine Sofortlösung, es gibt keine Instant-Lösung im Moment. Und ich glaube das Vortäuschen, dass man in der Lage wäre, jetzt die etwas angespannte Lage, die sich ja nicht nur aus hausgemachten Problemen in Deutschland ergeben, ich meine der 11. September und die wirtschaftlich schlechte Lage im asiatischen Raum, im amerikanischen Raum, haben natürlich auch Auswirkungen auf Europa, das ist ganz klar und das können wir ganz alleine gar nicht so ohne weiteres wegdrücken. Aber entscheidend ist, dass wir jetzt nicht von einem Programm abweichen, was wir uns genau überlegt haben, wo wir hinwollen und ich glaube auch, dass wir auf dem Feld der Arbeitsmarktpolitik ja durchaus Erfolge haben. Die Arbeitslosigkeit ist ja runtergegangen. Wir werden möglicherweise das Ziel von 3,5 Millionen, da wurde der Bundeskanzler ja gerügt, dass er nicht ehrgeizig genug ist, vielleicht nicht ganz erreichen, das ist alles noch offen. Das sind Fragen, die noch nicht geklärt sind, aber ich sehe im Moment keinen Vorschlag, der wirklich besser geeignet wäre aus diesem, ich würde mal sagen, aus diesem Konjunkturkeller mal rauszukommen.
Breker: Der wirtschaftspolitische Sprecher der Bündnisgrünen Werner Schulz war das in den Informationen im Deutschlandfunk am Mittag. Herr Schulz, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.
Schulz: Auf Wiederhören.
Breker: Herr Schulz, die Frankfurter Allgemeine Zeitung kommt heute mit einer neuen Hiobsbotschaft. Danach ist die Neuverschuldung in diesem Jahr entgegen den Ankündigungen um zwei Milliarden Mark angewachsen.
Schulz: Ich kann das noch nicht genau beurteilen, wir haben die Haushaltsdiskussion ja gerade hinter uns. Es war klar, dass wir bei der Belastung, möglicherweise auch bei Steuerausfällen, die aufgrund der schlechten Wirtschaftslage mitzuberechnen sind, mit Steuermindereinnahmen kalkulieren müssen und insofern könnte die Neuverschuldung tatsächlich steigen. Wichtig ist, dass wir natürlich unterhalb des Stabilitätskriteriums von drei Prozent, was uns der Maastricht-Vertrag vorgibt, bleiben und das werden wir mit Sicherheit einhalten.
Breker: Kommt es da nicht gelegen, dass nun Vorschläge auf dem Markt sind, die Vermögenssteuer wieder einzuführen und die Erbschaftssteuer anzuheben?
Schulz: Das ist eine Endlosdebatte. Das hat bisher zu keinem fruchtbaren Ergebnis geführt. Ich glaube auch nicht, dass das in der derzeitigen Wirtschaftssituation hilfreich wäre, im Gegenteil, eher kontraproduktiv. Alle Steuererhöhungen, wir haben ja die Diskussion gerade mit der Versicherungssteuer und der Tabaksteuer gehabt, sind ja eher kontraproduktiv obwohl wir ja mehr Ausgaben haben aufgrund der höheren Ausgaben im Sicherheitsbereich und im Verteidigungsbereich. Aber wie gesagt, Steuererhöhung, da müsste man im Moment doch eher die Finger weglassen.
Breker: Die Arbeitgeber, Herr Schulz, beklagen die mangelnde Reformfähigkeit der Regierung Schröder...
Schulz: Ja gut, die Klagen, was Reformen anbelangt und was das Tempo von Reformen anbelangt, die sind nicht neu, da kann man sich eine unterschiedliche Geschwindigkeit vorstellen. Hier gibt es sehr kurzfristige Erwartungen einer Wirtschaft, die möglichst mit hohem Tempo auf Sichtweite fahren möchte und der die Reform nicht weit genug gehen kann. Man muss bei Reformen natürlich immer aufpassen, dass sie die Akzeptanz einer ganzen Bevölkerung erreichen, d.h. nicht nur einer bestimmten Wirtschaftssparte oder bestimmter Interessenverbände, sondern dass sie insgesamt ausgewogen ist und da würde ich doch meinen, sieht die Bilanz eher positiv aus. In den letzten drei Jahren sind enorme Reformschritte unternommen worden: wir haben einen Systemwechsel bei der Rente, wir haben eine große Steuerentlastung, vielleicht noch nicht die große Steuerreform, da wäre noch einiges zu tun, wir müssen auch hier einen Systemwechsel hinbekommen weg von der Besteuerung der lebendigen Arbeit, mehr hin zu einer vielleicht neuen Art der Wertschöpfungssteuer aber auch der Vereinfachung im Steuersystem. Wir brauchen weiterhin Reformen, darauf drängen vor allen Dingen die Bündnisgrünen, auf dem Arbeitsmarkt. Hier ist doch etliches verkrustet. Wir haben eine Teilzeitmauer bei 630 Mark heutzutage, bei diesen 630-DM-Jobs, es lohnt sich darüber hinaus offensichtlich nicht, solche doch relativ mau bezahlten Beschäftigungsverhältnisse aufzunehmen und wir haben vor allen Dingen eine schwere Hypothek, die wir noch geschultert haben und in den nächsten Monaten, Jahren möglicherweise, abbauen müssen. Das sind die sehr sehr hohen Lohnzusatzkosten und Lohnnebenkosten, die im Zuge der Deutschen Einheit durch die versteckte Finanzierung der Deutschen Einheit da untergebracht wurden. Wir hatten ja 1990 etwa Lohnnebenkosten von 35 Prozent. Wir sind heute bei 41 Prozent und kämpfen um jedes Prozent der Absenkung.
Breker: Gewerkschaftschef Schulte warnt Schröder vor einer Kahlschlagpolitik, er vergleicht ihn auch mit Helmut Kohl in seinem Auftreten. Die Politik der ruhigen Hand steht inzwischen, Herr Schulze, für Nichtstun.
Schulz: Na ja, also Gerhard Schröder hat das große Talent, Metaphern anzubieten, wo sich dann andere, die sprachlich etwas phantasielos sind, meistens anhängen und das auf ihre Art und Weise ausschmücken. Ruhige Hand heißt ja nicht, dass diese Hand nichtstuend im Schoß liegt sondern ruhige Hand heißt sie zittert nicht, sie wedelt nicht mit neuen Gesetzesvorhaben herum oder verspricht da aus der hohlen Hand Konjunkturimpulse oder -hilfen sonder ruhige Hand heißt da wird Kurs gehalten. Also kein hektischer Aktionismus, kein Hineinspringen in irgendwelche Sofortprogramme oder Blitzprogramme, die uns da vorgeschlagen werden. Das Bild würde eigentlich eher heißen 'ruhige Hand und kühler Kopf'. Wir halten Kurs, die Hand liegt am Steuerrad. Wir werden diesen Wirtschaftskurs, den wir eingeschlagen haben - Haushaltskonsolidierung, Reformen - auf der gesamten Breite der Wirtschafts- und Finanzpolitik auch im Wahljahr durchhalten und die Anzeichen sind eher positiv. Wir können damit rechnen, dass sich im zweiten Quartal, spätestens im zweiten Quartal, die Wirtschaft wieder beleben wird, also die Konjunktur wieder anspringen wird und das Handwerk, wenn sie gerade Herrn Philipp zitiert haben, das klagt bekanntlich gerne. Das gehört zum Handwerk, das Klappern, dass man in einer gewissen Weise auch die Dinge schlechtredet. Wobei das kein guter Ratgeber ist im Moment, wo wir in einer angespannten Lage sind, die Dinge noch zu dramatisieren.
Breker: Nur was bringt das Kurshalten, Herr Schulz, wenn z.B. die Arbeitslosenzahlen nicht wirklich nach unten gehen. Man weiß: 3,5 Millionen Arbeitslose wird Schröder nicht erreichen, seine eigene Zahl ist das. Rot-Grün befindet sich inzwischen im Stimmungstief, z.B. die Liberalen überholen ganz locker in den Meinungsumfragen die Bündnisgrünen.
Schulz: Ja, wenn sie eine Momentaufnahme machen, dann ist das so. Aber entscheidend ist, wie man auf der Zielgeraden dann ankommt und vor allen Dingen, wie man durchs Ziel läuft dann bei der Wahl selbst. Also da darf man sich jetzt nicht nervös machen lassen von eine Situation, die, glaube ich, keiner sofort verändern könnte. Es gibt keine Sofortlösung, es gibt keine Instant-Lösung im Moment. Und ich glaube das Vortäuschen, dass man in der Lage wäre, jetzt die etwas angespannte Lage, die sich ja nicht nur aus hausgemachten Problemen in Deutschland ergeben, ich meine der 11. September und die wirtschaftlich schlechte Lage im asiatischen Raum, im amerikanischen Raum, haben natürlich auch Auswirkungen auf Europa, das ist ganz klar und das können wir ganz alleine gar nicht so ohne weiteres wegdrücken. Aber entscheidend ist, dass wir jetzt nicht von einem Programm abweichen, was wir uns genau überlegt haben, wo wir hinwollen und ich glaube auch, dass wir auf dem Feld der Arbeitsmarktpolitik ja durchaus Erfolge haben. Die Arbeitslosigkeit ist ja runtergegangen. Wir werden möglicherweise das Ziel von 3,5 Millionen, da wurde der Bundeskanzler ja gerügt, dass er nicht ehrgeizig genug ist, vielleicht nicht ganz erreichen, das ist alles noch offen. Das sind Fragen, die noch nicht geklärt sind, aber ich sehe im Moment keinen Vorschlag, der wirklich besser geeignet wäre aus diesem, ich würde mal sagen, aus diesem Konjunkturkeller mal rauszukommen.
Breker: Der wirtschaftspolitische Sprecher der Bündnisgrünen Werner Schulz war das in den Informationen im Deutschlandfunk am Mittag. Herr Schulz, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.
Schulz: Auf Wiederhören.