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Höhn fordert bessere Fleischkontrollen

Angesichts des jüngsten Skandals um so genanntes Gammelfleisch hat die Grünen-Politikerin Bärbel Höhn bessere Kontrollen angemahnt. Es sei nicht hinzunehmen, dass auch dieser Verstoß gegen die Richtlinien nur aufgrund eines anonymen Hinweises ans Licht gekommen sei. Denkbar sei etwa, auf Bundesebene Kontrolleure einzusetzen, die ihrerseits die Mitarbeiter der Ämter vor Ort überwachten, so Höhn.

Moderation: Friedbert Meurer |
    Friedbert Meurer: Aus Bayern wird ein neuer Gammelfleischskandal gemeldet. Bei einem Großhändler lagerte Fleisch im Kühlhaus, bei dem das Haltbarkeitsdatum teilweise um mehr als vier Jahre überschritten war. Das Fleisch war auch schon im Umlauf. Proben haben allerdings nahe gelegt, dass der Verzehr nicht gefährlich gewesen sein soll, gesund mit Sicherheit aber auch nicht.
    Wie sehr muss uns der neue Fall von Gammelfleisch beunruhigen? Darüber möchte ich mich unterhalten mit der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen Bärbel Höhn. Sie ist auch Mitglied im Verbraucherschutzausschuss des Bundestages. Guten Morgen Frau Höhn!

    Bärbel Höhn: Guten Morgen Herr Meurer!

    Meurer: Vielleicht zunächst: diese denkwürdige oder seltsame Häufung von Fällen in Bayern, haben Sie dafür eine Erklärung?

    Höhn: Es gibt ja jetzt auch im bayerischen Landtag einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu den anderen Vorfällen vor noch nicht mal einem Jahr, der mal gerade jetzt beginnt, seine Arbeit aufzunehmen. Ich glaube da muss schon untersucht werden, wie stark sind da eben auch die Untersuchungsbehörden vor Ort oder auch die Kontrolleure vor Ort, wie dicht sind sie auch an den Unternehmen dran. Damals bei dem Wildfleischskandal war es ja so, dass die Behörden davon sogar gewusst haben und trotzdem nichts gemacht haben über lange Zeit. Das ist der erste Punkt. Der zweite Punkt ist, dass in Bayern ja auch in diesem Bereich Personal abgebaut worden ist. Insofern glaube ich in der Tat - da haben Sie Recht - müsste man auch noch mal die Strukturen in Bayern sich genau vornehmen, insbesondere weil ich mich erinnern kann an ein Interview bei Ihnen im Deutschlandfunk von Herrn Schnappauf Ende November letzten Jahres, als er gesagt hat, alle Kühlhäuser sind untersucht worden. Insofern fragt sich ja, wie kann denn jetzt noch Fleisch in den Kühlhäusern auftauchen, was mehr als vier Jahre alt ist.

    Meurer: Nun wird der Umweltminister vielleicht jetzt sagen, ist doch ein Erfolg, dass wir es jetzt gefunden haben.

    Höhn: Ich sage mal es gab wieder einen anonymen Hinweis. Das heißt es sind nicht die Kontrolleure gewesen, sondern es ist jemand aus dem Umfeld gewesen, der das mit seinem Gewissen nicht vereinbaren konnte. Vor allen Dingen wenn alle Kühlhäuser kontrolliert worden wären, hätte man eigentlich dieses Fleisch finden müssen. Von daher ist es in der Tat auch so, dass man speziell mal gucken muss, was ist bei den bayerischen Strukturen vielleicht besonders schlecht, weil es schon eine große Häufung ist von Fällen in Bayern.

    Meurer: Ist es eigentlich möglich Ihrer Erfahrung nach, dass die Fleischbeschauer sozusagen in jede Ecke eines jeden Kühlhauses hineinschauen können?

    Höhn: Nein. Natürlich können die nicht in jede Ecke eines jeden Kühlhauses hineinschauen, aber wenn die so eine Sonderaktion Kühlhaus machen ist eben auch die Frage, wie machen die das. Gucken sie einfach nur in die Bücher; dann ist es natürlich, wenn jemand dort intelligent schummeln will, eigentlich auch nicht viel Wert. Oder wie weit machen sie auch wirklich Stichproben in den verschiedenen Ecken des Kühlhauses. Insofern ist das A eine Frage der Intensität der Untersuchungen, aber B ist natürlich auch der Punkt: Damals waren es auch Kühlhäuser und damals waren es auch Döner. Deshalb müsste man natürlich auch im Nachhinein öfter mal Stichproben machen, um zu gucken: Hat sich die ganze Situation jetzt gebessert? Deshalb finde ich das schon ein Ding, dass es eigentlich wieder ein anonymer Hinweis war und nicht durch Kontrollen der Behörden aufgefallen ist.

    Meurer: Liegt dann der Schlüssel tatsächlich noch darin, dass man mehr Kontrolleure einstellen sollte, nicht nur in Bayern, sondern in allen Ländern?

    Höhn: Die entscheidende Frage ist, wie unabhängig sind da die Kontrolleure. Wenn wir eine sehr große Nähe haben - und das Problem haben wir übrigens auch in anderen Bundesländern - zu den Betrieben selber, dann glaube ich wird mit der Zeit eben auch die Wahrscheinlichkeit, dass dort dann doch nicht so viel gefunden wird, doch weitergehender. Deshalb war ja auch die Forderung von mir damals und von den Grünen vor knapp einem Jahr, dass wir gesagt haben, wir müssen eben gucken, dass wir die Struktur der Kontrollen verändern, dass wir sie staatlicher machen, also weiter weg auch von den Betrieben. In vielen Fällen glaube ich ist es auch schon so, dass gerade in anderen Ländern - allerdings teilweise mehr als in Bayern - die Zahl der Kontrolleure eben ausgedünnt worden ist. Das kann man sich in der Tat nicht leisten!

    Meurer: Und was ist dann aus der Idee mit der Rotation geworden, dass Kontrolleure die Bezirke wechseln, damit da gar keine Kumpanei erst entstehen kann?

    Höhn: Exakt, genau. Das ist auch ein wichtiger Punkt, der übrigens in einigen Bundesländern erfolgt, aber offensichtlich noch nicht in allen. Und wir hatten damals ja auch die Idee gehabt, dass wir gesagt haben, man müsste dort stärker noch gucken, ob man da nicht eine mobile Einsatztruppe auf Bundesebene installiert, die unaufgefordert in den Ländern auftaucht und sich bestimmte Fälle mal vornimmt, also von daher auch den Druck verstärkt, in den Ländern besser zu kontrollieren, weil man sozusagen eine Kontrolle der Kontrolleure hat.

    Meurer: Der Zufall will es, Frau Höhn, dass heute die Föderalismusreform in Kraft tritt, heute am 1. September. War es ein Fehler, die Lebensmittelkontrolle bei den Ländern zu belassen?

    Höhn: Ich glaube, dass man einen ganzen Teil, die richtige Überwachung, nicht auf Bundesebene ziehen kann, weil die Bundesebene ist jetzt nicht eine Ebene, die wirklich jetzt auch das Wissen vor Ort hätte, das alles machen zu können. Es war aber aus meiner Sicht ein Fehler, dass man nicht mehr Zuständigkeiten auf die Bundesebene gezogen hat. Wir haben da ja auch Vorschläge gemacht. Ich selber habe auch Vorschläge gemacht, wie man das machen kann, so dass eben die Möglichkeit des Bundes, hier einzugreifen, eben stärker gewesen wäre als jetzt. Das glaube ich war wirklich ein Fehler, das nicht in die Föderalismuskommission und die Diskussion darüber aufzunehmen, weil die Chance ist jetzt vertan. Wir haben das damals angemahnt, aber die Große Koalition hat das nicht getan.

    Meurer: Reden wir mal über diejenigen, die skrupellos unsere Gesundheit in Gefahr setzen. Da gibt es jetzt in Essen eine Anklage der Staatsanwaltschaft gegen einen Fleischhändler aus Gelsenkirchen und dem Mann drohen immerhin zehn Jahre Haft. Das war ja auch ein Thema damals in der Diskussion gewesen. Ist das sozusagen von ausreichend abschreckender Wirkung, zehn Jahre, eine beträchtliche, drohende Strafe?

    Höhn: Man muss erst mal am Ende gucken, was er bekommt. Wir haben ja durchaus auch ein Strafmaß gehabt, was in den Fällen vorher zum Beispiel bei dem Fleischskandal bei Real nicht ausgefüllt worden ist. Von daher würde ich am Ende mal ganz gerne wissen wollen, wie die Verurteilung dann wirklich ist, was er an Strafmaß bekommt. Zehn Jahre ist schon ganz schön was. Aus meiner Sicht wäre aber genauso wichtig, dass die Händler, die bei diesem Makler eingekauft haben, genauso auf die Anklagebank gehören, denn jemand der so billiges Fleisch kauft, der weiß auch, dass damit was nicht in Ordnung ist. Solange wir immer nur den einen uns schnappen... Am Ende ist es natürlich richtig, dass er verurteilt wird, aber eigentlich war er nur ein kleines Glied in der Kette. Wir werden natürlich diese Vorgänge auch nicht unterbinden können, wenn wir nicht, so wie damals ja auch gefordert, diejenigen, die von ihm das Fleisch bekommen, gleichzeitig auch in die Verantwortung nehmen.

    Meurer: Wir haben wieder einen neuen Skandal um Gammelfleisch, das in Bayern aufgetaucht ist. Das war Bärbel Höhn, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag. Frau Höhn, herzlichen Dank und auf Wiederhören!