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Höhn fordert hartes Durchgreifen gegen kriminelle Fleischhändler

Die ehemalige NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn hat ein hartes Vorgehen gegen schwarze Schafe im Fleischhandel gefordert. Man müsse die Eigenkontrolle der Unternehmen untereinander stärken und Sanktionen auch tatsächlich durchsetzen. Die Grünen-Politikerin forderte die neue Bundesregierung in diesem Zusammenhang auf, ein bundesweites Verbraucherinformationsgesetz zu schaffen.

Moderator: Friedbert Meurer |
    Friedbert Meurer: Fleisch ist ein Stück Lebenskraft, wirbt die Lebensmittelbranche. Aber im Augenblick tut sie alles, um uns den Geschmack auf Fleisch zu verderben. Vielerorts in der Republik taucht nämlich verdorbenes Fleisch auf. Mit krimineller Energie versuchen einige Fleischhändler Geschäfte zu machen auf Kosten unserer Gesundheit. Aber langsam sind das keine Einzelfälle mehr. Für den Bundesverband der Verbraucherzentrale bilden sie sogar nur die Spitze eines Eisberges. Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer will jetzt für nächste Woche zu einem Krisengipfel einladen. Am Telefon begrüße ich die ehemalige nordrhein-westfälische Umweltministerin Bärbel Höhn, jetzt Bundestagsabgeordnete und demnächst Vorsitzende im Ausschuss für Verbraucherschutz. Guten Morgen, Frau Höhn.

    Bärbel Höhn: Guten Morgen, Herr Meurer.

    Meurer: Hat Sie das Ausmaß dieses Fleischskandals überrascht?

    Höhn: Also es ist immer so, dass wenn irgendwo etwas gefunden wird, wie in Niedersachsen, dass dann weitere Fälle folgen. Das bedeutet schon, dass es nicht nur Einzelfälle sind. Es ist natürlich auch nie die Mehrheit, aber dass es doch weitere darüber hinausgehende Fälle gibt. Und zwar liegt das einfach daran, dass Fleisch ein hochwertiges Produkt ist, dass man damit eigentlich viel Geld verdienen kann. Und wenn man dann abgelaufenes Fleisch umdeklariert, dann lohnt sich das in Anführungsstrichen richtig, um Profit zu machen. Und deshalb wird der eine oder andere immer wieder kriminell, zu Lasten der Verbraucherinnen und Verbraucher. Und umso wichtiger ist, dass wir diesen Menschen das Handwerk legen.

    Meurer: Wer sind diese Menschen?

    Höhn: Das sind offensichtlich skrupellose Menschen, die einfach - wie gesagt - versuchen, Profit zu machen.

    Meurer: Und es sind Fleischhändler, keine Landwirte.

    Höhn: In der Tat, sind Fleischhändler. Das heißt, zum Beispiel derjenige in Gelsenkirchen hat aus einem kleinen Zimmer heraus agiert, also von daher auch mit wenig Infrastruktur. Aber diese ganze anonyme Kette ist ja so mittlerweile, dass das Fleisch auch hin und her transportiert wird. Also, wir haben hier ja Fleisch gefunden, was verseucht war, aus Dänemark, aus den verschiedenen anderen Regionen, und man sieht eben, dass da ein großer anonymer Fleischhandel im Gang ist. Und da kann natürlich einer in dieser Kette sich einfach einschalten und versuchen, Profit zu machen.

    Meurer: Im Zuge des BSE-Skandals, Frau Höhn, sind ja viele Kontrollen und Etiketten und Herkunftsnachweise verordnet worden, verpflichtet worden. Wie kommt es, dass es offenbar so viele Lücken gibt bei den Kontrollen?

    Höhn: Der erste Punkt ist, dass wir bei den Kontrollen eigentlich folgende Probleme haben. Wir haben bei den Kontrollen, ... zum einen machen das ja die Kommunen. Und das bedeutet andersherum, dass die natürlich auch viele Probleme haben, finanzielle Probleme und damit auch in den letzten Jahren abgebaut haben. Das heißt, wir haben weniger Personal. Es wird auch teilweise privatisiert wie in Bayern zum Beispiel. Von daher ist es schon so, dass man gucken muss, dass die Effizienzstrukturen weiter bleiben und insofern auf jeden Fall auch die Zahl der Stellen bleibt. Für mich ist aber wichtig, auch dass man die Eigenkontrolle der Unternehmen untereinander verstärkt und zwar nicht, indem man irgendwie sagt, ihr müsst jetzt alle nett sein und dürft das nicht mehr tun, sondern sehr hart auch mit Sanktionen. Das ist eigentlich das Verbraucherinformationsgesetz. Das heißt die Tatsache, wenn jemand so kriminell agiert, dass dessen Namen veröffentlich wird und nicht nur sein Name, sondern auch der Name derjenigen Unternehmen, an die er geliefert hat. Denn mir kann keiner erzählen, wenn man so günstige Angebote hat auf dem Fleischmarkt, dass man dann nicht doch ahnt, was mit diesem Fleisch los ist. Und seriöse Wirtschaftsteilnehmer, die gucken sich ihre Lieferanten auch ganz genau an.

    Meurer: Dieses Anprangern, wie wird das nächstes Jahr aussehen, wenn das neue Informationsgesetz greift?

    Höhn: Es hätte schon lange greifen können, denn es ist ja von Renate Künast mehrfach auch eingebracht worden und ist am Ende an den CDU-Ländern gescheitert. Also insofern hoffe ich, dass der neue Minister hier stärker im Sinne des Verbraucherschutzes agiert und endlich dafür sorgt, dass wir ein Verbraucherinformationsgesetz bekommen.

    Meurer: Also die Behörden werden dann die Namen nennen und die können dann in der Zeitung oder in den Medien veröffentlicht werden.

    Höhn: Zum Beispiel. Wir haben in Nordrhein-Westfalen unser eigenes Gesetz geschaffen, das Informationsfreiheitsgesetz. Und der zweite Punkt ist, dass dann die Minister auch so agieren und sagen, wir veröffentlichen jetzt die Namen. Denn auch da gibt es dann natürlich unterschiedliche juristische Auslegungen und dann irgendwie die Diskussion um Betriebsgeheimnisse. Und da darf man überhaupt nicht zucken, sondern da muss man wirklich ganz hart gegen vorgehen. Und ich verstehe es auch nicht, denn wir schaden ja allen denjenigen, die vorbildlich arbeiten, wenn wir nicht hart gegen diese schwarzen Schafe vorgehen.

    Meurer: Es heißt, Fleischhändler frieren Fleisch ein, nicht nur um zu betrügen, sondern manchmal auch einfach um zu warten, bis der Preis stimmt. Sind die niedrigen Fleischpreise ein Grund für den Skandal?

    Höhn: Es ist in der Tat so, dass wir in Deutschland ja diese Diskussion haben: Geiz ist geil. Und da muss sich jeder auch mal fragen, ist das eigentlich angebracht bei Lebensmitteln? Also, was tun wir eigentlich unserem Körper an, wenn wir hier nicht auf Qualität achten. Und das heißt doch, dass man bei den niedrigen Lebensmittelpreisen, die wir hier in Deutschland haben, auch im Verhältnis zu den anderen EU-Ländern, dass wir da, glaube ich, zu einer anderen Mentalität kommen müssen in diesem Bereich. Denn eine gesunde Ernährung ist die Gesundheit für die Zukunft für uns selber. Und deshalb muss man in diesem Segment einfach anders vorgehen und muss stärker auf Qualität achten.

    Meurer: Nun hat nicht jeder das Geld, Frau Höhn, um in den Bioladen zu gehen. Was können die Verbraucher sonst noch tun?

    Höhn: Ja, das ist richtig. Aber die Verbraucherinnen und Verbraucher können natürlich auch sagen, okay, dann esse ich nicht ganz so viel Fleisch wie bisher, esse weniger. Aber wenn ich es esse, dann qualitativ hochwertigeres Fleisch. Fleisch ist schon ein teures Produkt. Wenn man stärker auf Obst und Gemüse umsteigt, dann ist das auch von der Zusammensetzung her gesund und hat doppelte Vorteile. Und Obst und Gemüse ist auch günstiger als Fleisch.

    Meurer: Ein bisschen ist unter dem Fleischskandal oder mit dem Fleischskandal untergegangen, dass es bei der EU einen, ja, Durchbruch gegeben hat, nämlich der Zuckermarkt wird reformiert. Wie zufrieden sind Sie mit diesem Kompromiss?

    Höhn: Ja, ich finde ihn absolut notwendig. Das war wichtig, dass die EU das hinbekommen hat, übrigens jetzt gerade auch vor der WTO-Verhandlung in Hongkong, weil ansonsten die EU wieder als Blockierer dagestanden hätte. Die EU ist ja verurteilt worden von der WTO, ihre Zuckermarktordnung zu verändern. Und durch die Senkung des jetzigen EU-Marktpreises ist es auf jeden Fall so, dass wir erstmal langfristig oder mittelfristig viel Geld sparen. Denn in diesen Bereich ist ja viel Geld gegangen, weil der billige Zucker dann wieder teuer zurückgekauft wurde.

    Meurer: Aber es geht ja viel Geld jetzt in Ausgleichsfonds für die Bauern!

    Höhn: Es ist richtig, dass es jetzt eine Übergangszeit gibt. Ich glaube, eine gewisse Übergangzeit muss man auch einräumen den Betroffenen. Aber auf der anderen Seite haben wir endlich auch die Chance, dass nicht nur wenige Schwellenländer, die AKP-Staaten mit Sonderregelungen davon profitieren, sondern dass wir damit eben auch anderen armen Ländern die Möglichkeit geben, hier eben auch mit ihren Produkten auf den europäischen Markt zu kommen. Und das ist auch richtig so, denn wir brauchen auch eine solidarische Weltwirtschaft.