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Höhn für Tempolimit und Wegfall des "Dienstwagenprivilegs"

Angesichts der teurer und knapper werdenden Ölressourcen sei es dringend nötig, verstärkt auf alternative Rohstoffe zu setzen, fordert die Grünen-Politikerin Bärbel Höhn. Im Autobereich müsse dringend der Verbrauch gesenkt werden. Dazu gehöre ein Tempolimit auf Autobahnen und die Abschaffung von Steuersubventionen für große Autos.

Moderation: Jürgen Zurheide |
    Jürgen Zurheide: Die Energiepreise steigen, der Ölpreis hat die Hundert-Dollar-Marke durchbrochen und natürlich hat das Konsequenzen. An den Tankstellen spüren Sie das, wenn Sie Ihre Rechnung bezahlen müssen, und das Öl für die Heizungen wird natürlich auch teurer. Über die Auswirkungen dieser Energiepreissteigerungen auf die Wirtschaft streiten die Ökonomen, Bert Rürup, der Vorsitzende des Sachverständigenrates, hat hier im Deutschlandfunk vor allzu viel Pessimismus gewarnt. Andere sehen allerdings negative Wachstumsvoraussagen für dieses Jahr. Wie sieht das nun aus, auf der einen Seite für die Wirtschaft, und auf der anderen Seite für die Politik? Muss man handeln, kann man handeln, soll man handeln? Über dieses Thema wollen wir reden mit Bärbel Höhn, für die Grünen im Bundestag, ich begrüße sie am Telefon. Guten Morgen, Frau Höhn!

    Bärbel Höhn: Guten Morgen, Herr Zurheide.

    Zurheide: Frau Höhn, zunächst einmal: Eigentlich müssten Sie sich ja freuen, denn wenn die Preise steigen, werden die Leute gezwungen, über ihr Portemonnaie weniger zu verbrauchen. Freuen Sie sich?

    Höhn: Na, ich meine, es geht auch darum, ob wir faire Preise haben, und das sind natürlich auch keine fairen Preise, die wir momentan haben, weil man ungefähr mit 20 bis 30 Prozent dieses Preises, das sind Spekulationsgewinne, und die müssen wir versuchen, erst mal rauszuziehen, also wegzunehmen, weil da verdienen die Falschen dran, das geht so nicht. Und vor allen Dingen müssen wir natürlich eine Antwort finden auf diese steigenden Ölpreise. Das heißt, wir müssen mit viel mehr Ehrgeiz noch versuchen, Öl zu reduzieren. Eigentlich muss die Antwort sein, wenn das DIW sagt, der Ölpreis steigt, in den nächsten zehn Jahren verdoppelt er sich, da muss unsere Antwort sein, da müssen wir den Ölverbrauch in den nächsten zehn Jahren halbieren.

    Zurheide: Augenblick, Frau Höhn, da wollen wir gleich drauf kommen, was man politisch da tun kann. Zunächst mal, bei den Spekulationen haben Sie ja möglicherweise recht, das beobachten viele. Hat die Politik eine Chance, diese Spekulationen rauszunehmen, wie Sie das gerade gesagt haben? Der eine oder andere verlangt zum Beispiel, die Ökosteuer kurzfristig zu senken. Wäre das richtig?

    Höhn: Die Ökosteuer zu senken, würde gar keinen Sinn machen, weil die Ökosteuer ja nicht in den Bundeshaushalt geht, sondern sie wird zur Senkung der Lohnnebenkosten eingesetzt. Das heißt, wir würden dann die Arbeitnehmer belasten, die dann auf der Seite das zahlen müssten. Das wäre auch nicht richtig, weil wir ja eigentlich diejenigen, die aktiv im Arbeitsprozess sind, eher entlasten wollen durch die Senkung der Lohnnebenkosten, eben auch, um da mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Also das wäre auf keinen Fall eine Lösung. Aber bei der Spekulation, also, in den USA ist die Diskussion darüber eigentlich noch viel härter als bei uns, weil die noch viel stärker über diesen starken Ölpreis jammern, weil der Dollar so schwach ist. Wir kriegen ja nur einen Teil des Problems mit, weil wir momentan einen starken Euro haben. In den USA ist die Steigerung da viel dramatischer und schlimmer. So, und was kann man bei den Spekulationsgewinnen machen? Man kann die natürlich nicht 100 Prozent beschneiden, das geht gar nicht, aber mit mehr Transparenz. Also momentan ist gerade bei den Warenbörsen, da sind die Regeln des Aktienmarktes noch gar nicht angekommen, und das versuchen Spekulanten momentan zu nutzen und durch Hin- und Herschieben zwischen den verschiedenen Börsen ihre Gewinne zu machen. Und das müsste man einschränken durch mehr Transparenz, damit ähnliche Regeln wie beim Aktienmarkt jetzt auch bei den Warenbörsen gelten.

    Zurheide: Transparenz alleine reicht oder würden Sie da auch mit steuerlichen Möglichkeiten rangehen wollen?

    Höhn: Hier bei den Spekulationen geht es erst mal darum, dass bestimmte Hedgefonds und alle möglichen Investoren versuchen, sich bei einem bestimmten Markt große Anteile zu sichern und durch hin und her, also Nachfrage und Angebot verschieben, dann da ihre Gewinne zu machen. Das kann man im Wesentlichen mit Transparenz erreichen, dass man da wirklich versucht, das aufzudecken und damit ein Stück schwerer möglich zu machen.

    Zurheide: Dann kommen wir noch mal auf den anderen Bereich des Themenkomplexes, den Sie gerade angesprochen haben, weg vom Öl. Allgemein stimmen wir natürlich alle zu. Wir wissen, irgendwann ist das Öl nicht mehr da, zumindest nicht in den Mengen, die wir gerne haben wollten. So, wie machen wir das? Nur über den Preis, oder auch anders?

    Höhn: Ja, vor allen Dingen muss man, glaube ich ... Gehen wir mal die zwei Bereiche durch, wo Öl gebraucht wird. Im Autobereich haben wir eine absolute Abhängigkeit von Öl. Da hängen wir zu 95 Prozent von Öl ab. Es gibt keinen Bereich, wo wir eine so hohe Abhängigkeit von irgendeinem dieser Rohstoffe haben. Und das heißt, wir müssen dramatisch und viel ehrgeiziger zu Autos, die weniger verbrauchen. Deshalb ist es auch überhaupt nicht zu verstehen, dass die Bundesregierung sonntags immer ihre schönen Klimaschutzreden hält und während der Woche dann zur EU rennt und die Interessen der Automobilindustrie vertritt und damit auch der großen Autos. Das heißt, dazu gehört auch, Tempolimit auf Autobahnen einführen, dazu gehört auch, dass wir endlich diese leidigen Steuersubventionen für große Autos abschaffen, dieses Dienstwagenprivileg - ein großer Teil der großen Autos wird hier noch hoch subventioniert mit Milliarden, die der Steuerzahler dafür ausgibt, für die Firmenwagen -, und dass wir dazu kommen, dass die Autos sparsamer werden, mit vielen verschiedenen Maßnahmen. Das ist der eine Bereich, und der zweite Bereich ist die Wärme. Da müssen wir gucken, dass wir mehr Dämmmaßnahmen bei Gebäuden machen, dass wir stärker auf Alternativen setzen, also zum Beispiel Wärmepumpen oder auch Holzpellet-Anlagen, und dass wir da versuchen, auch im Wärmebereich mit weniger Öl auszukommen. Das sind die beiden großen Ansätze.

    Zurheide: Nun sagt die Bundesregierung bei den Automobilen, was die Europäische Union dort vorschlägt, geht nur gegen die großen Autos in Deutschland, das sei nicht richtig, man muss auch etwas tun - man muss das bei den großen Autos tun, keine Frage -, man muss eben auch bei den Autos etwas tun, die niedrigere Verbräuche haben. Sehen Sie das auch so, oder ist das ein Schutzargument für die deutsche Industrie?

    Höhn: Natürlich macht es Sinn, dass man da auch differenziert. Nur die Vorschläge der Bundesregierung in diesem Bereich - wie gehen wir denn mit größeren Autos um? -, die sind ja nun auch wirklich sehr, ich sage mal, interessengeleitet. Zum Beispiel, wenn man hingeht und sagt, je schwerer das Auto ist, desto mehr darf es an CO2 verbrauchen, dann haben wir gerade diese großen Offroader, die ja wirklich absolut absurd sind, haben wir dann damit auch noch privilegiert. Dann soll sie richtige Vorschläge machen, wie man dann eine vernünftige Differenzierung zwischen großen und kleinen Autos herstellen kann. Das ist möglich, das macht auch Sinn. Aber die Vorschläge der Bundesregierung, das ist natürlich keine Alternative, und deshalb kommt sie damit auch nicht durch.

    Zurheide: Ist das ausschließlich Lobbyismus für die deutsche Autoindustrie?

    Höhn: Ich habe schon den Eindruck, dass wir ein großes Problem in Deutschland haben, dass wir nämlich sowohl der großen Energieindustrie als auch der großen Automobilindustrie hinterherlaufen und damit auch Trends verschlafen. Wir haben hier in Nordrhein-Westfalen zum Beispiel ja das große Problem gehabt, dass wir viel zu lange hinter den großen Unternehmen hergelaufen sind und damit den Trend verschlafen haben, den andere Bundesländer gesetzt haben. Und wenn wir denselben Fehler auf Bundesebene machen, verschlafen wir Trends, die die Automobilindustrie in Japan schon lange vormacht und damit viel Geld verdient. So wie wir auch unser großes Wissen bei den Fernsehern, bei der Optik damals verloren haben an andere Länder, so kann es passieren, dass wir unseren Vorsprung bei erneuerbaren oder auch bei der Automobilindustrie auch verlieren, wenn wir die Trends verschlafen und andere an uns vorbeiziehen.

    Zurheide: Nun waren Sie selbst für zehn Jahre in Nordrhein-Westfalen mit in der Regierung, dann haben Sie da offensichtlich nicht viel hingekriegt, oder was soll ich daraus schließen, was Sie da gerade sagen?

    Höhn: Ja, ich sage mal, dass es sehr schwer ist, gegen die Großen vorzugehen, insbesondere wenn bei uns der damalige Koalitionspartner SPD da extrem stark mit denen verbandelt ist, das wissen Sie auch. Und wenn Sie gucken, wo wir unsere Auseinandersetzungen in der Koalition hatten, dann war es genau die Auseinandersetzung in Nordrhein-Westfalen mit den Energiekonzernen. Wir haben da ja jetzt nicht die großen Standorte für Automobilkonzerne, die sind ja dann eher in Niedersachsen oder in Baden-Württemberg und Bayern. Aber das Problem mit den Energiekonzernen haben wir ja nun mit unseren Auseinandersetzungen in der Koalition auch für die Öffentlichkeit deutlich gemacht. Und dass wir da der großen Lobbyarbeit der großen Energiekonzerne eben so wenig entgegensetzen können, das schadet zunehmend dem Standort Deutschland. Und das war damals in Nordrhein-Westfalen ein Problem, und das ist auf Bundesebene nicht besser.

    Zurheide: Kommen wir noch mal auf einen anderen Themenkomplex - Bioenergie als Alternative, Bioenergie und solche Treibstoffe. Da sagt der eine oder andere, das hat natürlich gravierende Auswirkungen auch auf die Lebensmittelmärkte, und im Prinzip ist das ein Irrweg, nur darauf zu setzen. Wie sehen Sie das?

    Höhn: Also, nur darauf zu setzen, ist sicher auch falsch. Das heißt, vor allen Dingen muss man auch auf die Energieeffizienz setzen, auf alternative Energieformen. Aber man muss auch auf Alternativen setzen. Da bietet sich einmal die Bioenergie an. Da muss man natürlich Regeln haben, dass man Monokulturen verhindert oder jetzt auch Abholzen der Regenwälder. Das darf dabei nicht passieren. Aber ansonsten, in diesem Rahmen ist das möglich und ist auch machbar von der Fläche. Das viel größere Problem der weltweiten Flächen ist der steigende Fleischkonsum. Wir haben momentan 30 Prozent der Fläche weltweit wird für die Fleischproduktion benötigt, und die FAO sagt, dass sich der Fleischkonsum bis 2050 fast verdoppelt. Da kann man sehen, dass man da das große Flächenproblem bekommt, weniger bei Biokraftstoffen. Aber man kann auch auf andere Alternativen setzen, zum Beispiel auf Elektromobilität. Ein Auto, was mit Elektromobilität fährt, also vollständig, nicht nur mit Hybridtechnik, das ist extrem effizient. Da reden wir praktisch über die Sparbirne gegenüber der Glühbirne, vier bis fünf Mal so effizient wie ein Benziner. Und es gibt auch andere Länder, die mittlerweile mit Elektromobilität sehr stark in diesen Bereich schon hineingehen, und je besser die Batterien in den Autos werden, desto besser geht das auch mit der Elektromobilität, und man könnte diesen Strom dann in die Batterien einspeisen, wenn man ihn in der Wirtschaft oder in den Haushalten nicht braucht, also nachts, oder wenn der Wind so stark weht, dass die Windkraftanlagen mehr erzeugen, als man verbraucht. Das wäre eine Alternative, die wir viel stärker auch vorantreiben müssen und die uns dann unabhängig machen würde vom Öl.