Jasper Barenberg: Für Bündnis 90/Die Grünen geht es um einiges auf ihrem Parteitag in Erfurt an diesem Wochenende, zum Beispiel um die Frage, welchen politischen Weg die Partei einschlagen will. Heute soll zudem eine neue Führungsspitze gewählt werden, um die Grünen in die Bundestagswahl im nächsten Jahr zu führen. Die Aufmerksamkeit richtet sich besonders auf den Europaabgeordneten Cem Özdemir. Er bewirbt sich nämlich um die Nachfolge des bisherigen Kovorsitzenden Reinhard Bütikofer und wäre der erste Parteichef mit türkischen Wurzeln in Deutschland. Doch seine Kandidatur stand unter keinem guten Stern. Das zeigte sich, als Özdemir auf dem Landesparteitag in Schwäbisch Gmünd um einen sicheren Listenplatz für die Bundestagswahl antrat.
O-Ton Özdemir: "Ihr müsst entscheiden, wie er mich stärken wollt. Ich bitte euch um eurer Vertrauen. Aber, liebe Freundinnen und Freunde, ich brauch dieses Mandat, um die Interessen von euch, von dieser Partei in der Fraktion stark zu vertreten, dafür bewerbe ich mich. Herzlichen Dank!"
Barenberg Diesem Appell zum Trotz gleich zweimal brüskierte die Partei den Bewerber. Özdemir will heute trotzdem für den Parteivorsitz kandidieren und dass er gewählt wird, bezweifelt keiner, wohl auch nicht Bärbel Höhn, die Bundestagsabgeordnete und ehemalige grüne Umweltministerin in Nordrhein-Westfalen. Sie ist jetzt am Telefon. Guten Morgen!
Bärbel Höhn: Guten Morgen!
Barenberg: Oder, Frau Höhn, haben Sie Zweifel, dass Cem Özdemir heute gewählt wird?
Höhn: Nein, da habe ich überhaupt gar keine Zweifel. Ich glaube auch, dass er ein gutes Ergebnis bekommen wird. Das ist schon so, dass viele Landesverbände, insbesondere auch Baden-Württemberg da gerne die Trennung von Amt und Mandat haben, die wollen nicht die Verknüpfung von einem Bundesvorsitzenden, der gleichzeitig ein Mandat im Bundestag hat und deshalb wird aber trotzdem heute Cem Özdemir mit einem guten Ergebnis gewählt werden.
Barenberg: Wie effektiv kann er denn arbeiten, ohne Bundestagsmandat?
Höhn: Na ja, Reinhard Bütikofer hat das schon gezeigt, dass das geht. Denn der hat das sechs Jahre lang gemacht ohne Bundestagsmandat. Aber das ist schon nicht einfach. Insofern verstehe ich auch Cem Özdemir, dass er versucht hat, auch gleichzeitig ein Bundestagsmandat zu bekommen, weil das einige Sachen schon erleichtern würde.
Barenberg: Sie selbst haben ja, als Sie ausgeschieden sind aus Ihrem Ministeramt, auch großen Wert drauf gelegt, ein Bundestagsmandat zu bekommen. Wie groß ist der Hemmschuh, wenn man keines hat?
Höhn: Na ja, ich bin ja gewechselt. Ich war vorher Ministerin in Nordrhein-Westfalen und war da ja auch weiterhin dann im Landtag, nach der Wahl, und bin dann gewechselt auf Bundesebene, hab mein Mandat eigentlich getauscht vom Landtag zum Bundestag. Und insofern bin ich in dieser Situation nicht gewesen. Aber ich sehe das ja momentan an Claudia Roth, die Bundesvorsitzende ist und ein Mandat hat und Reinhard Bütikofer. Und aus meiner Sicht ist es einfach durchaus sinnvoll, dass ein Bundesvorsitzender auch ein Bundestagsmandat hat, weil damit die Möglichkeit besteht, zum Beispiel auch im Bundestag Reden zu halten, weil damit einen besseren Bezug in die Fraktion hinein hat und das hat schon Vorteile.
Barenberg: Lassen Sie uns reden über Cem Özdemir. Reinhard Loske, Umweltsenator der Grünen in Bremen, sagt, ein klassischer Programmarbeiter ist Özdemir sicher nicht. Stimmen Sie zu?
Höhn: Das, was ich jetzt mitbekommen von ihm, ich habe ihn ja selber nicht im Bundestag erlebt, weil er im Bundestag war, als ich noch in Nordrhein-Westfalen war und jetzt ist er in Europa, aber das, was ich jetzt im Vorfeld dieser Bundesdelegiertenkonferenz von ihm erlebt habe, ist, dass er ja das Gespräch sucht mit ganz vielen, dass er sehr versucht Kontakte zu knüpfen, dass er da sehr fleißig ist und sehr, sehr viel tut im Vorfeld. Und das finde ich erst mal eine gute Voraussetzung.
Barenberg: Reinhard Bütikofer, der Vorgänger, wird er dann sein, galt als Integrationsfigur. Kann Cem Özdemir das auch leisten?
Höhn: Ja, das werden wir sehen. Ich glaube, dass man erst mal einem neuen Vorsitzenden mit großem Vertrauen entgegenkommen muss und dass ich mir schon vorstellen kann, dass er das auch gut leisten kann.
Barenberg: Lassen Sie uns darüber sprechen, wie die Grünen sich positionieren werden auf diesem Parteitag. Absehbar wird es ein Fünf-Parteien-Parlament geben im nächsten Bundestag. Wie wollen Sie sich da in Position bringen?
Höhn: Ich glaube, dass unsere Ideen der Nachhaltigkeit, auch die ökologischen Ideen immer weiter ausstrahlen in andere Bereich der Gesellschaft und immer deutlicher werden. Das sieht man zum Beispiel an der Wirtschaftspolitik. Ökonomie und Ökologie gehen immer mehr zusammen, auch klassische Wirtschaftsanalysten, die nun wirklich mit Grünen nichts zu tun haben, Roland Berger zum Beispiel, einer, der einen Wirtschaftsberater, einer der bekanntesten Deutschlands, hat in einer Studie dargelegt, dass wir momentan 1,5 Millionen Menschen haben in der Umwelttechnologie und dass wir diese Zahl mit den Jobs verdoppeln können auf drei Millionen Jobs in 2020, dass wir da ein enormes Potenzial haben im Umweltbereich, und dass wir da, glaube ich, als Grüne gut dazu beitragen können, dieses Potenzial auch zu nutzen. Das heißt, wir bekommen ein Umkehrung. Viele Leute haben versucht immer zu suggerieren, Umwelt und Arbeit stehen gegeneinander. Und tatsächlich ist es so, Umwelt und Arbeit passen zusammen. Umwelt schafft Arbeitsplätze. Und in der Krise, in der wir uns jetzt befinden, wo ja auch drohen Arbeitsplätze verloren zu gehen, muss man diese Chancen nutzen.
Barenberg: Klimaschutz, erneuerbare Energien, das steht tatsächlich politisch im Mittelpunkt. Aber man hat den Eindruck, dabei kommt es auf die Grünen nicht an. Wie wollen Sie diesen Widerspruch auflösen?
Höhn: Ja, aber den Eindruck habe ich überhaupt nicht. Wenn ich mir zum Beispiel angucke, wie Angela Merkel agiert, dann agiert sie mit ihren Worten sehr als Klimaschutzkanzlerin, das stimmt. Aber ich habe so eher den Eindruck, am Sonntag redet sie schön über den Klimaschutz, am Montag geht sie nach Brüssel und verlangt Ausnahmen für die großen Spritschlucker von Deutschland, die Autos. Am Dienstag sagt, Tempolimit auf Autobahnen will sie auf keinen Fall. Am Mittwoch will sie das Kohlekraftwerk in Lubmin. Am Donnerstag sagt sie den Energiekonzernen, ihr könnt eure Netze ruhig behalten. Und so geht es weiter. Das kann natürlich nicht sein, dass Reden und Handeln soweit auseinander klafft und dass zwar tolle Ziele beschlossen werden, aber das Gegenteil gemacht wird und diese Ziele deshalb auch gar nicht erreicht werden können.
Barenberg: Mit anderen Worten, an ein Zusammengehen mit der CDU nach der Bundestagswahl ist nicht zu rechnen? Das schließen Sie aus, obwohl es in Hamburg, dieses Experiment, sagen wir mal, auf Hamburger Landesebene gibt?
Höhn: Sie müssen mal gucken, was die CDU momentan gerade auch Richtung eines wichtigen Themas der Grünen gemacht hat, nämlich des Atomausstieges. Die CDU will Laufzeitverlängerung, übrigens mit der FDP und der Atomwirtschaft zusammen. Das kommt für Grüne überhaupt nicht infrage. Das heißt, wir sind bei einem der wichtigsten Punkte für die Grünen, vielleicht sogar dem wichtigsten Punkt, sind wir diametral auseinander. Und das zeigt natürlich, wie weit das da auseinandergeht und macht auch deutlich, dass die Fragen in Hamburg ganz andere sind als wie auf Bundesebene und dass man deshalb das schwarz-grüne Bündnis in Hamburg eigentlich nicht auf Bundesebene so übertragen kann.
Barenberg: Wo liegen denn realistisch betrachtet Ihre Machtperspektiven?
Höhn: Ja, der erste Punkt ist, dass wir einfach sehr deutlich sagen, wir wollen auch einen Wahlkampf machen, der grün pur ist. Auch das, finde ich, hat eher Vorteile, dass wir nicht schon im Wahlkampf selber sagen, genau die Koalition, Rot-Grün, das wird unser Perspektive. Und dann, dass wir sehr klar unsere grünen Positionen nach vorne stellen können. Und das, finde ich, ist eher im Wahlkampf auch ein Vorteil. Und dann werden wir sehen, was nach der Wahl an Möglichkeiten da ist. Das heißt, ich finde nicht, dass wir was ausschließen sollten an Möglichkeiten, übrigens auch in keine Richtung. Aber wir sollten erst mal gucken, dass wir wirklich ein starkes Ergebnis bekommen, damit wir dann nach einer Wahl auch unsere Interessen durchsetzen können. Man hat ja auch in Hessen gesehen, es gibt viele Optionen, die es am Ende nach einer Wahl geben kann. Deshalb ist es sicher auch sinnvoll, nicht von vornherein zu sagen, das schließen wir kategorisch aus. Meine Position ist zum Beispiel, dass ich Jamaika auf jeden Fall ausschließen würde. Das geht überhaupt nicht zusammen. Und Schwarz-Grün ist auf jeden Fall durch die unterschiedliche Position in der Atomkraft sehr weit weg.
Barenberg: Im Moment treibt die Linke die Politik in Deutschland vor sich her. Wie wollen Sie die Meinungsführerschaft wiedergewinnen? Sie sind ja auch ein bisschen nach links gerückt, wenn man die Parteitage letztes Jahr ins Auge nimmt.
Höhn: Ich finde, dass wir die Linke sehr viel stärker inhaltlich stellen müssen. Die SPD macht denselben Fehler mit der Linken, den sie auch gegenüber den Grünen damals immer gemacht hat, sie ignoriert sie einfach und macht sie damit stark. Und aus meiner Sicht muss man sich stärker auseinandersetzen, dass die Positionen der Linken, die sie so vertreten, mit dem, was sie zum Beispiel als Linke in Berlin in der Regierung machen, in der Stadt Berlin, dass das überhaupt nicht zusammenpasst, dass sie sehr viel versprechen, was sie in der Realität überhaupt nicht halten können und dass man sie da stellen muss an vielen Positionen, sowohl bei der Sozialpolitik als auch bei der Position in der Außenpolitik. Man kann von heute auf morgen zum Beispiel raus aus Afghanistan. Ich glaube auch, dass man einen Strategiewechsel in Afghanistan braucht, dass man da zu einer vollkommenen Umkehrung kommen muss, dass man viel mehr in den zivilen Aufbau tun muss, den muss man allerdings dann auch militärisch absichern. Ein Abzug sofort geht nicht. Aber ich bin sehr wohl dafür, in Afghanistan zum Beispiel über eine Ausstiegsstrategie zu diskutieren. Wann wollen wir raus? Wie wollen wir das erreichen? Aber einfach so jetzt raus aus Afghanistan, das, finde ich, ist zu platt. Und genau an diesen Positionen müssen wir die Linke stellen, sowohl in der Sozial- als auch in der Außenpolitik.
Barenberg: Im Deutschlandfunk heute Morgen die Bundestagsabgeordnete der Grünen Bärbel Höhn. Vielen Dank für dieses Gespräch!
Höhn: Bitte!
O-Ton Özdemir: "Ihr müsst entscheiden, wie er mich stärken wollt. Ich bitte euch um eurer Vertrauen. Aber, liebe Freundinnen und Freunde, ich brauch dieses Mandat, um die Interessen von euch, von dieser Partei in der Fraktion stark zu vertreten, dafür bewerbe ich mich. Herzlichen Dank!"
Barenberg Diesem Appell zum Trotz gleich zweimal brüskierte die Partei den Bewerber. Özdemir will heute trotzdem für den Parteivorsitz kandidieren und dass er gewählt wird, bezweifelt keiner, wohl auch nicht Bärbel Höhn, die Bundestagsabgeordnete und ehemalige grüne Umweltministerin in Nordrhein-Westfalen. Sie ist jetzt am Telefon. Guten Morgen!
Bärbel Höhn: Guten Morgen!
Barenberg: Oder, Frau Höhn, haben Sie Zweifel, dass Cem Özdemir heute gewählt wird?
Höhn: Nein, da habe ich überhaupt gar keine Zweifel. Ich glaube auch, dass er ein gutes Ergebnis bekommen wird. Das ist schon so, dass viele Landesverbände, insbesondere auch Baden-Württemberg da gerne die Trennung von Amt und Mandat haben, die wollen nicht die Verknüpfung von einem Bundesvorsitzenden, der gleichzeitig ein Mandat im Bundestag hat und deshalb wird aber trotzdem heute Cem Özdemir mit einem guten Ergebnis gewählt werden.
Barenberg: Wie effektiv kann er denn arbeiten, ohne Bundestagsmandat?
Höhn: Na ja, Reinhard Bütikofer hat das schon gezeigt, dass das geht. Denn der hat das sechs Jahre lang gemacht ohne Bundestagsmandat. Aber das ist schon nicht einfach. Insofern verstehe ich auch Cem Özdemir, dass er versucht hat, auch gleichzeitig ein Bundestagsmandat zu bekommen, weil das einige Sachen schon erleichtern würde.
Barenberg: Sie selbst haben ja, als Sie ausgeschieden sind aus Ihrem Ministeramt, auch großen Wert drauf gelegt, ein Bundestagsmandat zu bekommen. Wie groß ist der Hemmschuh, wenn man keines hat?
Höhn: Na ja, ich bin ja gewechselt. Ich war vorher Ministerin in Nordrhein-Westfalen und war da ja auch weiterhin dann im Landtag, nach der Wahl, und bin dann gewechselt auf Bundesebene, hab mein Mandat eigentlich getauscht vom Landtag zum Bundestag. Und insofern bin ich in dieser Situation nicht gewesen. Aber ich sehe das ja momentan an Claudia Roth, die Bundesvorsitzende ist und ein Mandat hat und Reinhard Bütikofer. Und aus meiner Sicht ist es einfach durchaus sinnvoll, dass ein Bundesvorsitzender auch ein Bundestagsmandat hat, weil damit die Möglichkeit besteht, zum Beispiel auch im Bundestag Reden zu halten, weil damit einen besseren Bezug in die Fraktion hinein hat und das hat schon Vorteile.
Barenberg: Lassen Sie uns reden über Cem Özdemir. Reinhard Loske, Umweltsenator der Grünen in Bremen, sagt, ein klassischer Programmarbeiter ist Özdemir sicher nicht. Stimmen Sie zu?
Höhn: Das, was ich jetzt mitbekommen von ihm, ich habe ihn ja selber nicht im Bundestag erlebt, weil er im Bundestag war, als ich noch in Nordrhein-Westfalen war und jetzt ist er in Europa, aber das, was ich jetzt im Vorfeld dieser Bundesdelegiertenkonferenz von ihm erlebt habe, ist, dass er ja das Gespräch sucht mit ganz vielen, dass er sehr versucht Kontakte zu knüpfen, dass er da sehr fleißig ist und sehr, sehr viel tut im Vorfeld. Und das finde ich erst mal eine gute Voraussetzung.
Barenberg: Reinhard Bütikofer, der Vorgänger, wird er dann sein, galt als Integrationsfigur. Kann Cem Özdemir das auch leisten?
Höhn: Ja, das werden wir sehen. Ich glaube, dass man erst mal einem neuen Vorsitzenden mit großem Vertrauen entgegenkommen muss und dass ich mir schon vorstellen kann, dass er das auch gut leisten kann.
Barenberg: Lassen Sie uns darüber sprechen, wie die Grünen sich positionieren werden auf diesem Parteitag. Absehbar wird es ein Fünf-Parteien-Parlament geben im nächsten Bundestag. Wie wollen Sie sich da in Position bringen?
Höhn: Ich glaube, dass unsere Ideen der Nachhaltigkeit, auch die ökologischen Ideen immer weiter ausstrahlen in andere Bereich der Gesellschaft und immer deutlicher werden. Das sieht man zum Beispiel an der Wirtschaftspolitik. Ökonomie und Ökologie gehen immer mehr zusammen, auch klassische Wirtschaftsanalysten, die nun wirklich mit Grünen nichts zu tun haben, Roland Berger zum Beispiel, einer, der einen Wirtschaftsberater, einer der bekanntesten Deutschlands, hat in einer Studie dargelegt, dass wir momentan 1,5 Millionen Menschen haben in der Umwelttechnologie und dass wir diese Zahl mit den Jobs verdoppeln können auf drei Millionen Jobs in 2020, dass wir da ein enormes Potenzial haben im Umweltbereich, und dass wir da, glaube ich, als Grüne gut dazu beitragen können, dieses Potenzial auch zu nutzen. Das heißt, wir bekommen ein Umkehrung. Viele Leute haben versucht immer zu suggerieren, Umwelt und Arbeit stehen gegeneinander. Und tatsächlich ist es so, Umwelt und Arbeit passen zusammen. Umwelt schafft Arbeitsplätze. Und in der Krise, in der wir uns jetzt befinden, wo ja auch drohen Arbeitsplätze verloren zu gehen, muss man diese Chancen nutzen.
Barenberg: Klimaschutz, erneuerbare Energien, das steht tatsächlich politisch im Mittelpunkt. Aber man hat den Eindruck, dabei kommt es auf die Grünen nicht an. Wie wollen Sie diesen Widerspruch auflösen?
Höhn: Ja, aber den Eindruck habe ich überhaupt nicht. Wenn ich mir zum Beispiel angucke, wie Angela Merkel agiert, dann agiert sie mit ihren Worten sehr als Klimaschutzkanzlerin, das stimmt. Aber ich habe so eher den Eindruck, am Sonntag redet sie schön über den Klimaschutz, am Montag geht sie nach Brüssel und verlangt Ausnahmen für die großen Spritschlucker von Deutschland, die Autos. Am Dienstag sagt, Tempolimit auf Autobahnen will sie auf keinen Fall. Am Mittwoch will sie das Kohlekraftwerk in Lubmin. Am Donnerstag sagt sie den Energiekonzernen, ihr könnt eure Netze ruhig behalten. Und so geht es weiter. Das kann natürlich nicht sein, dass Reden und Handeln soweit auseinander klafft und dass zwar tolle Ziele beschlossen werden, aber das Gegenteil gemacht wird und diese Ziele deshalb auch gar nicht erreicht werden können.
Barenberg: Mit anderen Worten, an ein Zusammengehen mit der CDU nach der Bundestagswahl ist nicht zu rechnen? Das schließen Sie aus, obwohl es in Hamburg, dieses Experiment, sagen wir mal, auf Hamburger Landesebene gibt?
Höhn: Sie müssen mal gucken, was die CDU momentan gerade auch Richtung eines wichtigen Themas der Grünen gemacht hat, nämlich des Atomausstieges. Die CDU will Laufzeitverlängerung, übrigens mit der FDP und der Atomwirtschaft zusammen. Das kommt für Grüne überhaupt nicht infrage. Das heißt, wir sind bei einem der wichtigsten Punkte für die Grünen, vielleicht sogar dem wichtigsten Punkt, sind wir diametral auseinander. Und das zeigt natürlich, wie weit das da auseinandergeht und macht auch deutlich, dass die Fragen in Hamburg ganz andere sind als wie auf Bundesebene und dass man deshalb das schwarz-grüne Bündnis in Hamburg eigentlich nicht auf Bundesebene so übertragen kann.
Barenberg: Wo liegen denn realistisch betrachtet Ihre Machtperspektiven?
Höhn: Ja, der erste Punkt ist, dass wir einfach sehr deutlich sagen, wir wollen auch einen Wahlkampf machen, der grün pur ist. Auch das, finde ich, hat eher Vorteile, dass wir nicht schon im Wahlkampf selber sagen, genau die Koalition, Rot-Grün, das wird unser Perspektive. Und dann, dass wir sehr klar unsere grünen Positionen nach vorne stellen können. Und das, finde ich, ist eher im Wahlkampf auch ein Vorteil. Und dann werden wir sehen, was nach der Wahl an Möglichkeiten da ist. Das heißt, ich finde nicht, dass wir was ausschließen sollten an Möglichkeiten, übrigens auch in keine Richtung. Aber wir sollten erst mal gucken, dass wir wirklich ein starkes Ergebnis bekommen, damit wir dann nach einer Wahl auch unsere Interessen durchsetzen können. Man hat ja auch in Hessen gesehen, es gibt viele Optionen, die es am Ende nach einer Wahl geben kann. Deshalb ist es sicher auch sinnvoll, nicht von vornherein zu sagen, das schließen wir kategorisch aus. Meine Position ist zum Beispiel, dass ich Jamaika auf jeden Fall ausschließen würde. Das geht überhaupt nicht zusammen. Und Schwarz-Grün ist auf jeden Fall durch die unterschiedliche Position in der Atomkraft sehr weit weg.
Barenberg: Im Moment treibt die Linke die Politik in Deutschland vor sich her. Wie wollen Sie die Meinungsführerschaft wiedergewinnen? Sie sind ja auch ein bisschen nach links gerückt, wenn man die Parteitage letztes Jahr ins Auge nimmt.
Höhn: Ich finde, dass wir die Linke sehr viel stärker inhaltlich stellen müssen. Die SPD macht denselben Fehler mit der Linken, den sie auch gegenüber den Grünen damals immer gemacht hat, sie ignoriert sie einfach und macht sie damit stark. Und aus meiner Sicht muss man sich stärker auseinandersetzen, dass die Positionen der Linken, die sie so vertreten, mit dem, was sie zum Beispiel als Linke in Berlin in der Regierung machen, in der Stadt Berlin, dass das überhaupt nicht zusammenpasst, dass sie sehr viel versprechen, was sie in der Realität überhaupt nicht halten können und dass man sie da stellen muss an vielen Positionen, sowohl bei der Sozialpolitik als auch bei der Position in der Außenpolitik. Man kann von heute auf morgen zum Beispiel raus aus Afghanistan. Ich glaube auch, dass man einen Strategiewechsel in Afghanistan braucht, dass man da zu einer vollkommenen Umkehrung kommen muss, dass man viel mehr in den zivilen Aufbau tun muss, den muss man allerdings dann auch militärisch absichern. Ein Abzug sofort geht nicht. Aber ich bin sehr wohl dafür, in Afghanistan zum Beispiel über eine Ausstiegsstrategie zu diskutieren. Wann wollen wir raus? Wie wollen wir das erreichen? Aber einfach so jetzt raus aus Afghanistan, das, finde ich, ist zu platt. Und genau an diesen Positionen müssen wir die Linke stellen, sowohl in der Sozial- als auch in der Außenpolitik.
Barenberg: Im Deutschlandfunk heute Morgen die Bundestagsabgeordnete der Grünen Bärbel Höhn. Vielen Dank für dieses Gespräch!
Höhn: Bitte!