Höppner: Guten Morgen, Herr Müller.
Müller: Entschuldigung, Reinhard Höppner, da habe ich mich vertan, das mag ich jetzt korrigieren. Herr Höppner, ist die Schröder-Müntefering-SPD noch sozialdemokratisch?
Höppner: Das ist sie sicherlich, da gibt es gar keinen Zweifel. Aber, wir haben natürlich zwei Probleme, die mit langjährigen Traditionen der SPD zu tun haben und zwar ist nur das Eine, das Thema rechts – links, das Andere, die SPD ist immer eine Programmpartei gewesen, das heißt mit anderen Worten, sie hat theoretisch immer sehr weit vorgedacht und wir haben es jetzt mit einer Phase zu tun, wo viele den Eindruck haben, da wird von der Hand in den Mund gelebt, - Politik nach Kassenlage - und die programmatische Linie, die Frage, wohin soll es gehen, die fehlt und das ist, glaube ich, eine der Sorgen. Denn da kann ich Franz Müntefering nur unterstreichen, grundsätzlich am Reformkurs, nämlich an der Tatsache, dass Deutschland, gerade die sozialen Sicherungssysteme auf neue Beine gestellt werden müssen, daran kommt die SPD nicht vorbei, daran kommt keiner vorbei, aber man will wissen wohin und man will, dass es gerecht gestaltet wird und das ist für viele eben nicht erkennbar, da liegt das Problem.
Müller: Von der Hand in den Mund, sagen Sie, teilen Sie diesen Eindruck?
Höppner: Es ist schon an manchen Stellen so, in der Tat. Wenn man bedenkt, was etwa über die Reform des Gesundheitswesens in dem Koalitionsvertrag gestanden hat und welche weit darüber hinausgehende Aufgabe inzwischen bewältigt worden ist, dann merkt man, da ist sehr viel auch sehr schnell entschieden worden und wenn man so schnell entscheidet und manchmal auch auf so aktuelle Dinge dann wieder reagieren muss, dann kommt die Basis einfach nicht mit, dann blickt sie einfach nicht mehr durch, dann weiß sie nicht mehr, wohin geht es mit dieser Partei und das verursacht Verunsicherung. Das muss auch verändert werden, das heißt mit anderen Worten, diese Partei muss wieder für alle eine erkennbare Linie hin zu Zukunftsfähigkeit und einer gerechten Gesellschaft haben.
Müller: Die Regierung, Herr Höppner, hat ja seit Jahren wieder Regierungserfahrung, also die SPD, warum dann diese Fehler?
Höppner: Es liegt ein bisschen auch an der Situation, in der wir uns befinden. Die Welt verändert sich so rasant. Wir wissen alle übrigens, das ist ja kein deutsches Problem, wir wissen im Grunde genommen alle nicht richtig, worauf diese ganzen Globalisierungsveränderungen hinauslaufen. Es ist im Moment wirklich schwer. Auch unter Wissenschaftlern gibt es ja kaum Prognosen, wie es im Jahre 2020 oder 2030 aussieht. Wir wissen nicht so genau, wo es hin geht und müssen Schmerzen verteilen. Das führt dann dazu, dass es keinem gelingt, wirklich überzeugende Entwürfe zu machen, wo wir in zehn oder fünfzehn oder zwanzig Jahren stehen, das macht die Wirtschaft ja auch nicht, das ist keine Sache, die man nur der SPD vorwerfen darf.
Müller: Warum tut sich ausgerechnet die SPD immer so schwer diesen Spagat hinzubekommen, einerseits Programmpartei, andererseits Regierungspartei?
Höppner: Ja, weil es eben im Moment so schwer ist, tatsächlich Programm zu machen, der CDU fällt das viel einfacher, das ist ein Kanzlerwahlverein, da gehört, sozusagen, Pragmatik mit zum Programm und wenn man da mal vorher was anderes macht, vorher was anderes sagt, als man hinterher macht, Herr Stoiber erlebt das ja im Moment in Bayern, dann gibt es zwar ein paar Demonstrationen, aber das ist keine Identitätskrise für die CSU, das gilt als schick und stark und wer das macht, der hat Führungskraft. Das ist bei der SPD anders, die SPD-Mitglieder, die SPD-Anhänger verlangen eine klare Linie und das ist im Moment schwerer aufzuzeigen, als so dieser Pragmatismus, der mit der Faust auf den Tisch haut.
Müller: Welche Erklärung, Herr Höppner, haben Sie denn dafür, dass der Kanzler auf den Parteitagen etwas verspricht, was er dann in Regierungsverantwortung nicht umsetzt?
Höppner: Das hat damit zu tun, dass wir, auch gerade vor den letzten Wahlen, das muss man wohl so sagen, einige Problemlagen schlicht unterschätzt haben, dass die Kassen so schnell leer sein würden, etwa im Sozialbereich, das hat damals keiner übersehen. Ich war ja da noch mit im Vorstand, kann das also ruhigen Gewissens sagen und als dann die Zahlen auf dem Tisch lagen, musste man reagieren, da stellte sich heraus, der größte Sozialabbau wäre gewesen, wir hätten nichts getan. Also musste etwas getan werden und das musste im Kompromiss mit der CDU getan werden. Was ich ein bisschen ärgerlich finde, ist die Tatsache, dass die SPD jetzt vor allen Dingen für die Dinge Prügel bekommt, die die CDU in diesen Kompromissverhandlungen in den Gesundheitskompromiss hineingedrückt hat gegen den Willen der SPD. Aber da ist vielleicht auch so ein Punkt, wo ich finde, die SPD sollte sich einmal etwas energischer gegen solche Angriffe wehren.
Müller: Wie groß ist der Unmut der Parteimitglieder in Ihrem Bundesland?
Höppner: Es ist vor allen Dingen vielleicht mehr Unverständnis als nur Unmut, es ist eher so die Frage, Leute, wie konntet ihr dies oder jenes machen, das verstehe ich nicht. Und das passt in dieses gesamte Bild, dass wir nicht genau wissen, wo es hin geht und wer nicht weiß, wo es hin geht, der versteht dann oft die einzelnen Schritte nicht.
Müller: Heißt das auch, die SPD Führungsspitze ist nicht in der Lage das zu erklären, was sie tut?
Höppner: Es ist nicht nur eine Frage der SPD Führungsspitze. Ich sage Ihnen, weder in den anderen Parteien noch bei den Wissenschaftlern gibt es leider hinreichend viele Leute, die erklären können, wie Deutschland in zehn Jahren aussieht oder aussehen sollte und da liegt das Problem und die SPD ist mit davon betroffen. Sie wird als traditionelle Programmpartei bloß besonders dafür abgestraft.
Müller: Haben Sie auch die Befürchtung, Herr Höppner, dass sich Teile der Partei, auch aus Ihrer eigenen Erfahrung heraus in Sachsen-Anhalt, tatsächlich abspalten könnten?
Höppner: Ich kann das hier aus unserer Erfahrung überhaupt nicht sagen, ich halte das auch für eher unwahrscheinlich. Alle historische Erfahrung, wenigstens der Nachkriegszeit zeigt, dass daraus nichts Vernünftiges wird und ich bin auch fest davon überzeugt, die SPD als Volkspartei ist so groß, dass sie natürlich in der Lage ist und auch in der Lage sein muss, diese Breite der Meinungsvielfalt, die ja nun an dieser Stelle besteht, auch tatsächlich in sich aufzunehmen. Wir brauchen den kreativen Dialog, das heißt mit Verboten, auch mal quer zu denken, ist es natürlich nicht getan.
Müller: Dennoch die Frage. Könnte links von der SPD Platz sein?
Höppner: Das scheint im Moment so, da erinnere ich aber mal daran, dass Gregor Gysi ja mal den Traum hatte mit seiner PDS eine kleine linke Partei zu gründen, die es ja im Übrigen in fast allen Ländern Europas gibt. Er ist da gescheitert, ich sehe in diesem Bereich, der sich da links ein bisschen auftut, weil die SPD als Regierungspartei natürlich mehr in die Mitte gerückt ist, ich sehe da überhaupt kein kreatives Potential, ich sehe da keine Leute, die da wirklich vordenken, also mit ein paar Anti-Parolen gegen einen Kurs ohne ein eigenes Konzept, ist da keine Partei zu machen. Wenn die Denker da wären, die dazu in der Lage sind, dann hätten wir davon schon gehört.
Müller: Lassen wir zum Schluss noch einmal ganz kurz auf den Ist-Zustand zu sprechen kommen. Sie haben ja perspektivisch gesagt, es ist eben auch schwierig, in welche Richtung es gehen soll. Aber wir haben ja nun eine Politik, die es jetzt zu bewerten gilt. Können Sie das nachvollziehen, wenn vor allem viele Arbeitnehmer sich von der Regierung im Stich gelassen fühlen?
Höppner: Ich kann das aus subjektiver Sicht verstehen, vor allen Dingen weil ja in Deutschland diese Erwartung, es wird immer besser und die Entwicklung nach oben in diesen Wachstumsphasen sich so verbunden hat mit der Politik, dass man gar nicht glauben will, dass es auch historische Phasen gibt, wo es eben nicht Mehr gibt, sondern wo es sogar Angleichungsprozesse gibt, bei denen man hinterher weniger hat als vorher. Wer das erlebt, der ist enttäuscht, der ist vielleicht auch wütend, wenn dessen Hoffnungen sich nicht erfüllen würden, das kann ich sehr gut verstehen. Das muss aber eine Herausforderung sein, den Menschen die Welt verständlich zu machen, dass sie begreifen, wir sind da Bestandteil des Ganzen und sind trotzdem noch auf einem insgesamt einigermaßen moderaten Weg. Wenn wir hier klagen in Deutschland, dann klagen wir schon in Europa auf relativ hohem Niveau und weltweit ohnehin. Und dass es bei der Globalisierung Angleichungsprozesse gibt, die nicht alle auf das hohe Niveau Deutschlands gehen können, das muss auch mal offen ausgesprochen werden.
Müller: Der Sozialdemokrat Reinhard Höppner war das, früher Regierungschef von Sachsen-Anhalt. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Höppner.
Höppner: Schönen Tag noch.
Müller: Entschuldigung, Reinhard Höppner, da habe ich mich vertan, das mag ich jetzt korrigieren. Herr Höppner, ist die Schröder-Müntefering-SPD noch sozialdemokratisch?
Höppner: Das ist sie sicherlich, da gibt es gar keinen Zweifel. Aber, wir haben natürlich zwei Probleme, die mit langjährigen Traditionen der SPD zu tun haben und zwar ist nur das Eine, das Thema rechts – links, das Andere, die SPD ist immer eine Programmpartei gewesen, das heißt mit anderen Worten, sie hat theoretisch immer sehr weit vorgedacht und wir haben es jetzt mit einer Phase zu tun, wo viele den Eindruck haben, da wird von der Hand in den Mund gelebt, - Politik nach Kassenlage - und die programmatische Linie, die Frage, wohin soll es gehen, die fehlt und das ist, glaube ich, eine der Sorgen. Denn da kann ich Franz Müntefering nur unterstreichen, grundsätzlich am Reformkurs, nämlich an der Tatsache, dass Deutschland, gerade die sozialen Sicherungssysteme auf neue Beine gestellt werden müssen, daran kommt die SPD nicht vorbei, daran kommt keiner vorbei, aber man will wissen wohin und man will, dass es gerecht gestaltet wird und das ist für viele eben nicht erkennbar, da liegt das Problem.
Müller: Von der Hand in den Mund, sagen Sie, teilen Sie diesen Eindruck?
Höppner: Es ist schon an manchen Stellen so, in der Tat. Wenn man bedenkt, was etwa über die Reform des Gesundheitswesens in dem Koalitionsvertrag gestanden hat und welche weit darüber hinausgehende Aufgabe inzwischen bewältigt worden ist, dann merkt man, da ist sehr viel auch sehr schnell entschieden worden und wenn man so schnell entscheidet und manchmal auch auf so aktuelle Dinge dann wieder reagieren muss, dann kommt die Basis einfach nicht mit, dann blickt sie einfach nicht mehr durch, dann weiß sie nicht mehr, wohin geht es mit dieser Partei und das verursacht Verunsicherung. Das muss auch verändert werden, das heißt mit anderen Worten, diese Partei muss wieder für alle eine erkennbare Linie hin zu Zukunftsfähigkeit und einer gerechten Gesellschaft haben.
Müller: Die Regierung, Herr Höppner, hat ja seit Jahren wieder Regierungserfahrung, also die SPD, warum dann diese Fehler?
Höppner: Es liegt ein bisschen auch an der Situation, in der wir uns befinden. Die Welt verändert sich so rasant. Wir wissen alle übrigens, das ist ja kein deutsches Problem, wir wissen im Grunde genommen alle nicht richtig, worauf diese ganzen Globalisierungsveränderungen hinauslaufen. Es ist im Moment wirklich schwer. Auch unter Wissenschaftlern gibt es ja kaum Prognosen, wie es im Jahre 2020 oder 2030 aussieht. Wir wissen nicht so genau, wo es hin geht und müssen Schmerzen verteilen. Das führt dann dazu, dass es keinem gelingt, wirklich überzeugende Entwürfe zu machen, wo wir in zehn oder fünfzehn oder zwanzig Jahren stehen, das macht die Wirtschaft ja auch nicht, das ist keine Sache, die man nur der SPD vorwerfen darf.
Müller: Warum tut sich ausgerechnet die SPD immer so schwer diesen Spagat hinzubekommen, einerseits Programmpartei, andererseits Regierungspartei?
Höppner: Ja, weil es eben im Moment so schwer ist, tatsächlich Programm zu machen, der CDU fällt das viel einfacher, das ist ein Kanzlerwahlverein, da gehört, sozusagen, Pragmatik mit zum Programm und wenn man da mal vorher was anderes macht, vorher was anderes sagt, als man hinterher macht, Herr Stoiber erlebt das ja im Moment in Bayern, dann gibt es zwar ein paar Demonstrationen, aber das ist keine Identitätskrise für die CSU, das gilt als schick und stark und wer das macht, der hat Führungskraft. Das ist bei der SPD anders, die SPD-Mitglieder, die SPD-Anhänger verlangen eine klare Linie und das ist im Moment schwerer aufzuzeigen, als so dieser Pragmatismus, der mit der Faust auf den Tisch haut.
Müller: Welche Erklärung, Herr Höppner, haben Sie denn dafür, dass der Kanzler auf den Parteitagen etwas verspricht, was er dann in Regierungsverantwortung nicht umsetzt?
Höppner: Das hat damit zu tun, dass wir, auch gerade vor den letzten Wahlen, das muss man wohl so sagen, einige Problemlagen schlicht unterschätzt haben, dass die Kassen so schnell leer sein würden, etwa im Sozialbereich, das hat damals keiner übersehen. Ich war ja da noch mit im Vorstand, kann das also ruhigen Gewissens sagen und als dann die Zahlen auf dem Tisch lagen, musste man reagieren, da stellte sich heraus, der größte Sozialabbau wäre gewesen, wir hätten nichts getan. Also musste etwas getan werden und das musste im Kompromiss mit der CDU getan werden. Was ich ein bisschen ärgerlich finde, ist die Tatsache, dass die SPD jetzt vor allen Dingen für die Dinge Prügel bekommt, die die CDU in diesen Kompromissverhandlungen in den Gesundheitskompromiss hineingedrückt hat gegen den Willen der SPD. Aber da ist vielleicht auch so ein Punkt, wo ich finde, die SPD sollte sich einmal etwas energischer gegen solche Angriffe wehren.
Müller: Wie groß ist der Unmut der Parteimitglieder in Ihrem Bundesland?
Höppner: Es ist vor allen Dingen vielleicht mehr Unverständnis als nur Unmut, es ist eher so die Frage, Leute, wie konntet ihr dies oder jenes machen, das verstehe ich nicht. Und das passt in dieses gesamte Bild, dass wir nicht genau wissen, wo es hin geht und wer nicht weiß, wo es hin geht, der versteht dann oft die einzelnen Schritte nicht.
Müller: Heißt das auch, die SPD Führungsspitze ist nicht in der Lage das zu erklären, was sie tut?
Höppner: Es ist nicht nur eine Frage der SPD Führungsspitze. Ich sage Ihnen, weder in den anderen Parteien noch bei den Wissenschaftlern gibt es leider hinreichend viele Leute, die erklären können, wie Deutschland in zehn Jahren aussieht oder aussehen sollte und da liegt das Problem und die SPD ist mit davon betroffen. Sie wird als traditionelle Programmpartei bloß besonders dafür abgestraft.
Müller: Haben Sie auch die Befürchtung, Herr Höppner, dass sich Teile der Partei, auch aus Ihrer eigenen Erfahrung heraus in Sachsen-Anhalt, tatsächlich abspalten könnten?
Höppner: Ich kann das hier aus unserer Erfahrung überhaupt nicht sagen, ich halte das auch für eher unwahrscheinlich. Alle historische Erfahrung, wenigstens der Nachkriegszeit zeigt, dass daraus nichts Vernünftiges wird und ich bin auch fest davon überzeugt, die SPD als Volkspartei ist so groß, dass sie natürlich in der Lage ist und auch in der Lage sein muss, diese Breite der Meinungsvielfalt, die ja nun an dieser Stelle besteht, auch tatsächlich in sich aufzunehmen. Wir brauchen den kreativen Dialog, das heißt mit Verboten, auch mal quer zu denken, ist es natürlich nicht getan.
Müller: Dennoch die Frage. Könnte links von der SPD Platz sein?
Höppner: Das scheint im Moment so, da erinnere ich aber mal daran, dass Gregor Gysi ja mal den Traum hatte mit seiner PDS eine kleine linke Partei zu gründen, die es ja im Übrigen in fast allen Ländern Europas gibt. Er ist da gescheitert, ich sehe in diesem Bereich, der sich da links ein bisschen auftut, weil die SPD als Regierungspartei natürlich mehr in die Mitte gerückt ist, ich sehe da überhaupt kein kreatives Potential, ich sehe da keine Leute, die da wirklich vordenken, also mit ein paar Anti-Parolen gegen einen Kurs ohne ein eigenes Konzept, ist da keine Partei zu machen. Wenn die Denker da wären, die dazu in der Lage sind, dann hätten wir davon schon gehört.
Müller: Lassen wir zum Schluss noch einmal ganz kurz auf den Ist-Zustand zu sprechen kommen. Sie haben ja perspektivisch gesagt, es ist eben auch schwierig, in welche Richtung es gehen soll. Aber wir haben ja nun eine Politik, die es jetzt zu bewerten gilt. Können Sie das nachvollziehen, wenn vor allem viele Arbeitnehmer sich von der Regierung im Stich gelassen fühlen?
Höppner: Ich kann das aus subjektiver Sicht verstehen, vor allen Dingen weil ja in Deutschland diese Erwartung, es wird immer besser und die Entwicklung nach oben in diesen Wachstumsphasen sich so verbunden hat mit der Politik, dass man gar nicht glauben will, dass es auch historische Phasen gibt, wo es eben nicht Mehr gibt, sondern wo es sogar Angleichungsprozesse gibt, bei denen man hinterher weniger hat als vorher. Wer das erlebt, der ist enttäuscht, der ist vielleicht auch wütend, wenn dessen Hoffnungen sich nicht erfüllen würden, das kann ich sehr gut verstehen. Das muss aber eine Herausforderung sein, den Menschen die Welt verständlich zu machen, dass sie begreifen, wir sind da Bestandteil des Ganzen und sind trotzdem noch auf einem insgesamt einigermaßen moderaten Weg. Wenn wir hier klagen in Deutschland, dann klagen wir schon in Europa auf relativ hohem Niveau und weltweit ohnehin. Und dass es bei der Globalisierung Angleichungsprozesse gibt, die nicht alle auf das hohe Niveau Deutschlands gehen können, das muss auch mal offen ausgesprochen werden.
Müller: Der Sozialdemokrat Reinhard Höppner war das, früher Regierungschef von Sachsen-Anhalt. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Höppner.
Höppner: Schönen Tag noch.