Gerwald Herter: Die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Elke Hoff, hat heute Vormittag mitdebattiert, und mit ihr bin ich nun verbunden. Frau Hoff, der Einsatz gegen Gaddafi in Libyen ist zweifellos ein Kriegseinsatz. Wie friedlich wird denn der deutsche AWACS-Einsatz in Afghanistan sein?
Elke Hoff: Ja! Guten Tag, Herr Herter. - Die Aufgaben der AWACS-Beteiligung in Afghanistan sind im Mandat sehr klar umrissen. Es geht also neben einer Entflechtung von Luftverkehrsbewegungen, einschließlich der Koordinierung der militärischen und zivilen Luftverkehre, es geht um die Koordinierung der Luftbetankung, es geht um die Relais-Funktion für Kommunikation und Datenaustausch, und es geht auch darum, verletzte Soldaten mit Sanitätsflugzeugen herauszuholen, das heißt also den Einsatz dieser Rettung und Evakuierung von Soldaten zu koordinieren, und wenn es notwendig ist, bedrängten Bodentruppen auch die Möglichkeit der Luftnahunterstützung koordinativ zukommen zu lassen.
Herter: Das ist ein interessanter Punkt. Es werden also Kampfpiloten in das Zielquadrat reingelenkt, wenn es zu Luftschlägen kommen sollte in Afghanistan?
Hoff: Nein, das ist ein Irrtum, Herr Herter. Es geht darum, dass wenn beispielsweise eine Patrouille, die auch gemeinsam mit afghanischen Sicherheitskräften in einen Hinterhalt gerät, wenn sie beispielsweise durch einen IED-Anschlag Verletzte und im schlimmsten Fall Tote zu beklagen haben, dann von ihren Kameraden die notwendige Unterstützung bekommen, um Soldaten zu evakuieren und um sie aus dieser bedrängten Situation zu befreien, und ich glaube, dass das eine wichtige Aufgabe ist auch zum Schutz der eigenen Soldaten.
Herter: Wer koordiniert denn dann die Luftangriffe in Afghanistan, die es da doch immer wieder mal gibt?
Hoff: Das wird von den jeweiligen ISAF-Einsatzzentralen beziehungsweise denjenigen, die sich am Mandat Operation Enduring Freedom beteiligen, dann koordiniert. Es ist aber nicht die Aufgabe von AWACS, sondern es geht darum, wenn ein solches Ereignis geschieht, möglichst rasch die nächsten Flugzeuge, seien es Helikopter oder Kampfflugzeuge, zu koordinieren, um dann eben auch die Soldatinnen und Soldaten aus der bedrängten Lage herauszuführen.
Herter: Das heißt, vom Start bis zur Landung werden Kampfpiloten unabhängig von diesem AWACS-Einsatz koordiniert. Richtig?
Hoff: Also ich bin jetzt kein militärischer Koordinator und Führer. Ich kann Ihnen den genauen technologischen Ablauf nicht darlegen. Aber Fakt ist - und das hat der Bundesverteidigungsminister auch in seiner Einbringungsrede deutlich gemacht -, dass es eben auch hier um das Herausholen verletzter Soldaten und auch um die Koordinierung von Luftnahunterstützung geht.
Herter: Der SPD-Abgeordnete Erler hat heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk gesagt, der AWACS-Einsatz wäre lediglich um einige Monate vorgezogen. Stimmt denn das?
Hoff: Also wir haben damit gerechnet, dass jetzt im April und Mai eine Anforderung auf uns zukommt, und insofern ist das teilweise richtig. Das hat eben auch der Verteidigungsminister in seiner Einbringung auch sehr deutlich gemacht. Dadurch, dass jetzt AWACS-Kräfte in Libyen sozusagen benötigt werden und wir können uns dort schon alleine aus Verfassungsgründen nicht beteiligen, ist natürlich der Druck auf das Bündnis jetzt größer geworden, so dass wir gesagt haben - und da hat auch Kanzler und Außenminister kein Missverständnis zugelassen -, dass wir hier jetzt eben in Afghanistan unsere NATO-Verbündeten entlasten werden.
Herter: Das sind gemischte Mannschaften in den AWACS-Flugzeugen der NATO. Zum Großteil bestehen sie aus Deutschen. Die müssen auseinandergezogen werden. Sehe ich das richtig?
Hoff: Wenn es um einen nicht mandatierten Einsatz in Libyen geht, müssen die deutschen Soldaten abgezogen werden bis zu einem möglichen Zeitpunkt, wenn das deutsche Parlament eben diesen Einsatz mandatiert hat. Das ist nicht der Fall. Was ich bemerkenswert finde heute gerade von Herrn Trittin: Er beklagt einerseits die Enthaltung Deutschlands im Sicherheitsrat, enthält sich aber bei einem laufenden NATO-Einsatz, den Rot-Grün seinerzeit in Afghanistan selber auf den Weg gebracht hat, und betont gleichzeitig, wenn diese Bundesregierung heute das Mandat für Libyen eingesetzt hätte, hätten die Grünen zugestimmt. Für mich war das wirklich der Gipfel der politischen Heuchelei heute.
Herter: Auf der anderen Seite könnte die Linie der Bundesregierung ja nun auch etwas klarer sein. Es gibt da verschiedenste Einsätze. Lassen Sie uns mal über den NATO-Beschluss sprechen. Da soll das Flugverbot durchgesetzt werden, gleichzeitig kommen bestimmte Aufgaben immer noch einer Koalition der Willigen zu. Ist das denn verständlich und in der Praxis umsetzbar?
Hoff: Nein, das ist nicht verständlich und es deutet auch auf ein tiefes Zerwürfnis auch innerhalb der NATO-Mitgliedsstaaten hin. Und wenn ich heute der Presse entnehme, dass der französische Staatspräsident sozusagen jetzt schon präventiv alle anderen arabischen Staatschefs bedroht, wenn sie sich nicht entsprechend verhalten, würde es ihnen genauso gehen wie in Libyen, dann halte ich das für ein weit über das, was jetzt im UNO-Sicherheitsrat beschlossen wurde, und weit über das, was in der NATO vereinbart worden ist, hinausgehendes politisches Statement. Also hier, glaube ich, wäre es auch angebracht, in Fragen von Krieg und Frieden ein wenig weniger Emotionalität und mehr auf den Verstand und auf das Machbare zu setzen. Ich bedauere das sehr, weil wir brauchen das Bündnis. Das Bündnis macht auch in Afghanistan eine gute Arbeit, und wir als Deutsche sind mit rund 20.000 Soldaten jedes Jahr in NATO- und EU-Einsätzen tätig, in schweren Kampfeinsätzen, und ich glaube, wenn hier jemand an der Bündnisfähigkeit Deutschlands zweifelt, geht das für mich weit über das Erträgliche hinaus.
Herter: Aber ein paar Fregatten hätten wir doch noch gehabt, um das Waffenembargo im Mittelmeer gegen Libyen zu überwachen, oder?
Hoff: Sie können nicht einfach ein paar Fregatten in einen Einsatz schicken, ohne vorher ein Votum des deutschen Parlamentes einzuholen. Dafür muss ein eigenes Mandat erarbeitet werden, das muss zwischen den verschiedenen Ressorts in der Bundesregierung abgestimmt werden, und die Letztentscheidung über die Entsendung deutscher Soldatinnen und Soldaten hat immer noch das Parlament, und das halte ich auch für richtig.
Herter: Aber die deutschen Boote, Kriegsschiffe, mussten abgezogen werden aus einem NATO-Flottenverband. Das werden unsere Verbündeten nun nicht gerade als Zeichen großer Solidarität würdigen?
Hoff: Noch mal: Unsere Verfassungslage gebietet es und jede Bundesregierung, egal welcher Couleur, hat sich an den Verfassungsnormen zu orientieren. Wenn deutsche Soldatinnen und Soldaten in einen bestimmten Einsatz geschickt werden, der mandatspflichtig ist, kann man nicht einfach, wenn sich das Ziel des Einsatzes geändert hat, sagen, na ja, gut, dann betten wir das jetzt einfach um, sondern der Deutsche Bundestag muss unsere Soldaten dazu mandatieren.
Herter: Und das kann er sehr schnell machen, wie man heute gesehen hat. AWACS war Mittwoch erst im Kabinett.
Hoff: Wir hatten dieses AWACS-Mandat bereits vor zwei Jahren vorliegen, in fast identischem Wortlaut. Es ist damals auch schon durch den Deutschen Bundestag mit großer Mehrheit mandatiert worden. Das ganze ist in der Umsetzung daran gescheitert, dass die NATO es versäumt hat, die notwendigen Stationierungs- und Überflugrechte für diesen Einsatz auf den Weg zu bringen. Also ist das deutsche Parlament hier nicht mit völlig neuen Rahmenbedingungen konfrontiert worden, sondern es wurde heute das legitimiert, was im Prinzip vor zwei Jahren schon passiert ist.
Herter: Elke Hoff war das, die sicherheitspolitische Sprecherin der FDP im Bundestag. Vielen Dank, Frau Hoff, für dieses Gespräch.
Hoff: Gerne, Herr Herter. Danke schön.
Elke Hoff: Ja! Guten Tag, Herr Herter. - Die Aufgaben der AWACS-Beteiligung in Afghanistan sind im Mandat sehr klar umrissen. Es geht also neben einer Entflechtung von Luftverkehrsbewegungen, einschließlich der Koordinierung der militärischen und zivilen Luftverkehre, es geht um die Koordinierung der Luftbetankung, es geht um die Relais-Funktion für Kommunikation und Datenaustausch, und es geht auch darum, verletzte Soldaten mit Sanitätsflugzeugen herauszuholen, das heißt also den Einsatz dieser Rettung und Evakuierung von Soldaten zu koordinieren, und wenn es notwendig ist, bedrängten Bodentruppen auch die Möglichkeit der Luftnahunterstützung koordinativ zukommen zu lassen.
Herter: Das ist ein interessanter Punkt. Es werden also Kampfpiloten in das Zielquadrat reingelenkt, wenn es zu Luftschlägen kommen sollte in Afghanistan?
Hoff: Nein, das ist ein Irrtum, Herr Herter. Es geht darum, dass wenn beispielsweise eine Patrouille, die auch gemeinsam mit afghanischen Sicherheitskräften in einen Hinterhalt gerät, wenn sie beispielsweise durch einen IED-Anschlag Verletzte und im schlimmsten Fall Tote zu beklagen haben, dann von ihren Kameraden die notwendige Unterstützung bekommen, um Soldaten zu evakuieren und um sie aus dieser bedrängten Situation zu befreien, und ich glaube, dass das eine wichtige Aufgabe ist auch zum Schutz der eigenen Soldaten.
Herter: Wer koordiniert denn dann die Luftangriffe in Afghanistan, die es da doch immer wieder mal gibt?
Hoff: Das wird von den jeweiligen ISAF-Einsatzzentralen beziehungsweise denjenigen, die sich am Mandat Operation Enduring Freedom beteiligen, dann koordiniert. Es ist aber nicht die Aufgabe von AWACS, sondern es geht darum, wenn ein solches Ereignis geschieht, möglichst rasch die nächsten Flugzeuge, seien es Helikopter oder Kampfflugzeuge, zu koordinieren, um dann eben auch die Soldatinnen und Soldaten aus der bedrängten Lage herauszuführen.
Herter: Das heißt, vom Start bis zur Landung werden Kampfpiloten unabhängig von diesem AWACS-Einsatz koordiniert. Richtig?
Hoff: Also ich bin jetzt kein militärischer Koordinator und Führer. Ich kann Ihnen den genauen technologischen Ablauf nicht darlegen. Aber Fakt ist - und das hat der Bundesverteidigungsminister auch in seiner Einbringungsrede deutlich gemacht -, dass es eben auch hier um das Herausholen verletzter Soldaten und auch um die Koordinierung von Luftnahunterstützung geht.
Herter: Der SPD-Abgeordnete Erler hat heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk gesagt, der AWACS-Einsatz wäre lediglich um einige Monate vorgezogen. Stimmt denn das?
Hoff: Also wir haben damit gerechnet, dass jetzt im April und Mai eine Anforderung auf uns zukommt, und insofern ist das teilweise richtig. Das hat eben auch der Verteidigungsminister in seiner Einbringung auch sehr deutlich gemacht. Dadurch, dass jetzt AWACS-Kräfte in Libyen sozusagen benötigt werden und wir können uns dort schon alleine aus Verfassungsgründen nicht beteiligen, ist natürlich der Druck auf das Bündnis jetzt größer geworden, so dass wir gesagt haben - und da hat auch Kanzler und Außenminister kein Missverständnis zugelassen -, dass wir hier jetzt eben in Afghanistan unsere NATO-Verbündeten entlasten werden.
Herter: Das sind gemischte Mannschaften in den AWACS-Flugzeugen der NATO. Zum Großteil bestehen sie aus Deutschen. Die müssen auseinandergezogen werden. Sehe ich das richtig?
Hoff: Wenn es um einen nicht mandatierten Einsatz in Libyen geht, müssen die deutschen Soldaten abgezogen werden bis zu einem möglichen Zeitpunkt, wenn das deutsche Parlament eben diesen Einsatz mandatiert hat. Das ist nicht der Fall. Was ich bemerkenswert finde heute gerade von Herrn Trittin: Er beklagt einerseits die Enthaltung Deutschlands im Sicherheitsrat, enthält sich aber bei einem laufenden NATO-Einsatz, den Rot-Grün seinerzeit in Afghanistan selber auf den Weg gebracht hat, und betont gleichzeitig, wenn diese Bundesregierung heute das Mandat für Libyen eingesetzt hätte, hätten die Grünen zugestimmt. Für mich war das wirklich der Gipfel der politischen Heuchelei heute.
Herter: Auf der anderen Seite könnte die Linie der Bundesregierung ja nun auch etwas klarer sein. Es gibt da verschiedenste Einsätze. Lassen Sie uns mal über den NATO-Beschluss sprechen. Da soll das Flugverbot durchgesetzt werden, gleichzeitig kommen bestimmte Aufgaben immer noch einer Koalition der Willigen zu. Ist das denn verständlich und in der Praxis umsetzbar?
Hoff: Nein, das ist nicht verständlich und es deutet auch auf ein tiefes Zerwürfnis auch innerhalb der NATO-Mitgliedsstaaten hin. Und wenn ich heute der Presse entnehme, dass der französische Staatspräsident sozusagen jetzt schon präventiv alle anderen arabischen Staatschefs bedroht, wenn sie sich nicht entsprechend verhalten, würde es ihnen genauso gehen wie in Libyen, dann halte ich das für ein weit über das, was jetzt im UNO-Sicherheitsrat beschlossen wurde, und weit über das, was in der NATO vereinbart worden ist, hinausgehendes politisches Statement. Also hier, glaube ich, wäre es auch angebracht, in Fragen von Krieg und Frieden ein wenig weniger Emotionalität und mehr auf den Verstand und auf das Machbare zu setzen. Ich bedauere das sehr, weil wir brauchen das Bündnis. Das Bündnis macht auch in Afghanistan eine gute Arbeit, und wir als Deutsche sind mit rund 20.000 Soldaten jedes Jahr in NATO- und EU-Einsätzen tätig, in schweren Kampfeinsätzen, und ich glaube, wenn hier jemand an der Bündnisfähigkeit Deutschlands zweifelt, geht das für mich weit über das Erträgliche hinaus.
Herter: Aber ein paar Fregatten hätten wir doch noch gehabt, um das Waffenembargo im Mittelmeer gegen Libyen zu überwachen, oder?
Hoff: Sie können nicht einfach ein paar Fregatten in einen Einsatz schicken, ohne vorher ein Votum des deutschen Parlamentes einzuholen. Dafür muss ein eigenes Mandat erarbeitet werden, das muss zwischen den verschiedenen Ressorts in der Bundesregierung abgestimmt werden, und die Letztentscheidung über die Entsendung deutscher Soldatinnen und Soldaten hat immer noch das Parlament, und das halte ich auch für richtig.
Herter: Aber die deutschen Boote, Kriegsschiffe, mussten abgezogen werden aus einem NATO-Flottenverband. Das werden unsere Verbündeten nun nicht gerade als Zeichen großer Solidarität würdigen?
Hoff: Noch mal: Unsere Verfassungslage gebietet es und jede Bundesregierung, egal welcher Couleur, hat sich an den Verfassungsnormen zu orientieren. Wenn deutsche Soldatinnen und Soldaten in einen bestimmten Einsatz geschickt werden, der mandatspflichtig ist, kann man nicht einfach, wenn sich das Ziel des Einsatzes geändert hat, sagen, na ja, gut, dann betten wir das jetzt einfach um, sondern der Deutsche Bundestag muss unsere Soldaten dazu mandatieren.
Herter: Und das kann er sehr schnell machen, wie man heute gesehen hat. AWACS war Mittwoch erst im Kabinett.
Hoff: Wir hatten dieses AWACS-Mandat bereits vor zwei Jahren vorliegen, in fast identischem Wortlaut. Es ist damals auch schon durch den Deutschen Bundestag mit großer Mehrheit mandatiert worden. Das ganze ist in der Umsetzung daran gescheitert, dass die NATO es versäumt hat, die notwendigen Stationierungs- und Überflugrechte für diesen Einsatz auf den Weg zu bringen. Also ist das deutsche Parlament hier nicht mit völlig neuen Rahmenbedingungen konfrontiert worden, sondern es wurde heute das legitimiert, was im Prinzip vor zwei Jahren schon passiert ist.
Herter: Elke Hoff war das, die sicherheitspolitische Sprecherin der FDP im Bundestag. Vielen Dank, Frau Hoff, für dieses Gespräch.
Hoff: Gerne, Herr Herter. Danke schön.